Im Sommer 2022 startete die Bundesregierung ein Vorhaben, welches die Mobilität der Deutschen revolutionieren sollte. Mit der auf drei Monate begrenzten Einführung des 9-Euro-Tickets im ÖPNV wollte die Bundesregierung mehr Menschen dazu motiviert, die Vorzüge öffentlicher Verkehrsmittel zu entdecken und auf die Fahrt mit dem eigenen Auto zu verzichten. Das sollte vor allem dem Klimaschutz zugutekommen und zu einer Senkung des CO2-Ausstoßes im ohnehin zu stark emissionsbelasteten Verkehrssektor beitragen.
Der Plan ging nicht ganz auf, wie eine aktuelle Studie des Münchener ifo-Instituts ( Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität), der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg und der Universität Salzburg zeigte. Zwar nahm die Anzahl der Fahrgäste in dem Zeitraum um 34 Prozent zu, gleichzeitig kam es durch die höhere Auslastung der Züge zu vermehrten Verspätungen und auf Seiten des Bundes zu Mehrkosten. Auch der Autoverkehr verringerte sich lediglich um vier bis fünf Prozent. „Das 9-Euro-Ticket kostete den Bund 2,5 Milliarden Euro und reduzierte den Autoverkehr nur wenig“, so die Bilanz von Prof. Dr. Sarah Necker, Leiterin des Ludwig Erhard ifo Zentrums für Soziale Marktwirtschaft und Institutionenökonomik in Fürth. „Damit war es eine teure und ineffiziente Klimaschutzmaßnahme.“
Das Deutschlandticket: Günstiger Nachfolger des 9-Euro-Tickets
Von der Bundesregierung wurde das Ticket dennoch als Erfolg gewertet, da es die Bevölkerung auch angesichts steigender Energiepreise finanziell entlastete. Um hier anzuknüpfen, einigte sich der Bund auf die Einführung eines dauerhaften Angebots in Form des Deutschlandtickets. Dieses ist seit Mai 2023 erhältlich und ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern für derzeit monatlich 58 Euro (zum Januar 2025 wurde der Preis um 9 Euro angehoben) die bundesweite Nutzung von Bussen, Bahnen und Regionalzügen – unabhängig von Bundesland oder Verkehrsverbund.
Während Prof. Dr. Neckar auch dem Deutschlandticket eine ähnliche Bilanz wie dem 9-Euro-Ticket prognostiziert, bewertet der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann das Ticket positiv: „Was die Akzeptanz bei Kundinnen und Kunden anbetrifft, ist das Deutschlandticket ein voller Erfolg.“ Nach Angaben des VDV war 2023 jeder vierte Deutsche im Besitz eines Deutschlandtickets. Gleichwohl räumt Wortmann gegenüber dem SWR ein, dass das Ticket noch mehr Menschen vom Auto in den ÖPNV zu holen müsse.
Wer nutzt das Deutschlandticket?
Laut Marktforschung haben viele Abonnentinnen und Abonnenten des Deutschlandtickets bereits vorher den ÖPNV genutzt. Lediglich acht Prozent neue Kundinnen und Kunden seien durch das vergünstigte Angebot hinzugekommen. Das Ticket würde tendenziell eher von jungen Menschen unter 30 Jahren gekauft und wurde von Menschen unterschiedlicher Einkommensgruppen gleichermaßen genutzt, so das Ergebnis. Einen Unterschied gäbe es aber zwischen der Bevölkerung in der Stadt und auf dem Land: Während vier von fünf Tickets in Ballungsgebieten verkauft würden, sei die Nachfrage im ländlichen Raum gering.
Verkehrsunternehmen machen Minusgeschäft
Verkehrsunternehmen berichteten, dass die Vergünstigung dazu beigetragen hätte, die Fahrgastzahlen nahezu auf das Niveau vor Beginn der Corona-Epidemie anzuheben. Finanziell sei es jedoch ein Minusgeschäft gewesen. Wie der SWR schreibt, stuft der VDV die wirtschaftliche Situation der Verkehrsunternehmen insgesamt als dramatisch ein.
Vor Einführung des Deutschlandtickets kostete eine Monatskarte für den ÖPNV im Schnitt mehr als 80 Euro. Angesichts gestiegener Preise für Energie und Personal geht da die Rechnung mit dem vergünstigten Ticket für die Verkehrsunternehmen nicht auf. Zwar investieren Bund und Länder zusammen insgesamt drei Milliarden Euro im Jahr in den Nahverkehr, dieses Geld reichte bislang jedoch gerade so, um die entstandenen Verluste auszugleichen.
Hinzu kommt, dass eine langfristige Finanzierung des Tickets immer noch nicht geklärt ist. Das ist aber entscheidend, um dies anbieten zu können und Unternehmen sowie Kundschaft Planungssicherheit zu gewährleisten. „Ich brauche wenigstens 20 % mehr Neukunden, um wirtschaftlichen Erfolg zu haben“, sagte Knut Ringat, Vizepräsident des VDV, gegenüber der Tagesschau.
Um die Klimaziele zu erreichen, seien sogar 30 Prozent nötig. Verkehrsunternehmen wollen daher das Deutschlandticket zukünftig auch als Jobticket anbieten, mit dem Ziel, die Anzahl der Neukunden anzuheben. Dank Zuschüsse durch Arbeitgeber und Staat ließen sich nach Einschätzung von Expertinnen und Experten bis zu 15 Millionen Jobtickets verkaufen und somit die Kosten für Fahrgäste auf unter 35 Euro verringern.
Deutschlandticket als Maßnahme für den Klimaschutz?
Zweifelsfrei hat das Deutschlandticket vor allem die Digitalisierung im Bereich ÖPNV angekurbelt: Jedes zweite verkaufte Ticket ist mittlerweile digital. Damit ist ein wichtiges Anliegen des Bundesverkehrsministers Wissing verwirklicht, für den das Ticket von Anfang an im Wesentlichen ein Digitalisierungsprojekt war. Sein grundsätzliches Ziel ist es, Länder und Verkehrsunternehmen dazu zu bringen, zukünftig mehr digitale Daten zu erfassen, um den öffentlichen Nahverkehr besser planen und steuern zu können.
Außerdem sieht Wissing auch beim Verkauf des Tickets Effizienzpotenziale. So könnten Unternehmen Millionen sparen, indem sie sich zusammenschließen und das Ticket über eine gemeinsame digitale Plattform verkaufen würden. Gegenüber der Tagesschau sagte Wissing: „Wir haben mehr als 60 Verkehrsverbunde. Die brauchen wir nicht wirklich. Hier kann man Effizienzreserven heben. Das hilft dann auch, Mittel für den Ausbau freizumachen.“ Was den Fortbestand des vergünstigten Angebots im ÖPNV anbelangt, ist Wissing überzeugt: „Das Deutschlandticket bleibt.“ Er forderte Verkehrsunternehmen klar dazu auf, das Ticket als Jobticket anzubieten.
Menschen mit geringen Einkommen oder Senioren erhalten durch das Deutschlandticket die Möglichkeit, an sozialen und kulturellen Aktivitäten teilzunehmen, die oftmals in städtischen Zentren stattfinden. Für kleine Kultureinrichtungen im ländlichen Raum hingegen kann das Ticket auch eine Art „Kulturförderung“ darstellen, sodass mehr Menschen in die ländlichen Regionen kommen. Auf diese Weise wird die Bedeutung der Einrichtungen für die Gemeinschaft sowie die soziale Teilhabe in einer Kommune gestärkt.