Kiel will Deutschlands erste Zero.Waste.City werden (wir berichteten). Seit 2020 arbeitet die Stadt gemeinsam mit ihren Bürgerinnen und Bürgern an der Umsetzung entsprechender Maßnahmen. Orientiert an der fünfstufigen Abfallhierarchie ist oberstes Ziel die Vermeidung und Reduzierung von Abfällen. Mit u. a. Müllsammelaktionen, Mehrweg-Kampagnen und Repair-Cafés will die Stadt ihrem Vorhaben immer näher kommen. „Wir schaffen Räume für gemeinschaftliche Praktiken wie Reparieren, Tauschen und Teilen,“ sagte Selina Kahl, Projektleiterin von Zero.Waste.City Kiel, gegenüber dem NDR. Im Zuge ihrer Bemühungen plant die Landeshauptstadt, das Aufkommen von Haus- und Geschäftsabfällen langfristig auf durchschnittlich weniger als 50 Kilogramm pro Kopf und Jahr zu verringern – 2022 lag dieses bei 172 Kilogramm. Zwischenziel auf diesem Weg ist eine Halbierung der Abfallmenge bis 2035.
107 Maßnahmen für ein abfallfreies Kiel
Insgesamt 107 Maßnahmen sind im Zero Waste-Konzept der Stadt Kiel verankert. Das sind zum einen Projekte, die gezielt zur Reduktion von Abfällen beitragen, und zum anderen Maßnahmen, die das Bewusstsein für das Thema Zero Waste bei den Bürgerinnen und Bürgern stärken und damit eine Verhaltensänderung bewirken sollen. Für eine bessere Abfalltrennung plant die Stadt eine Umstellung des Abfallsystems. Diese beinhaltet eine regelmäßige Analyse des Restmülls sowie eine Anpassung der Abfallsatzung. Hier wurde bereits im November 2021 ein Mehrweggebot bei Veranstaltungen eingeführt, die auf öffentlichem Gebiet stattfinden. Aktuell prüft die Stadt außerdem die Einführung eines Pay-as-you-throw-Systems (PAYT), bei dem sich die Höhe der Abfallgebühren am individuellen Abfallaufkommen bemisst.
Im Bereich Öffentlichkeitsarbeit startete die Landeshauptstadt 2021 mit einer Imagekampagne zum Zero Waste-Vorhaben, in der das Thema Liebe und Wertschätzung als Grundlage für eine motivierte Vermeidung von Abfällen im Zentrum stand. Mit einem abfallfreien, digitalen Adventskalender erhielten die Bürgerinnen und Bürger auf spielerische Weise Tipps und Tricks für den Einstieg in eine Lebensweise, die Ressourcen schont. Eine umfangreiche Website sowie ein viermal jährlich versendeter Newsletter geben außerdem einen Überblick über das Thema und informieren über aktuelle Entwicklungen, Projekte und Veranstaltungen. Zusammen mit vielen Bildungseinrichtungen in Kiel sensibilisiert die Stadt zudem auch junge Menschen für Abfallvermeidung und Ressourcenschutz, indem diese Themen in Lehrpläne und Projektwochen integriert werden.
Auch Kieler Haushalte werden in ihrem Vorhaben abfallreduziert zu leben, unterstützt. So förderte die Stadt im Rahmen eines Pilotprojekts die Anschaffung von Stoffwindeln mit einem Zuschuss von 200 Euro, und motivierte mit der Zero Waste-Haushalts-Challenge zu einem bewussteren Umgang mit Gebrauchsgütern. Die dabei über 100 gesammelten Tipps und Tricks sind hier zusammengestellt. Müllsammelaktionen, öffentliche Veranstaltungen zum Projektstand und Do-it-yourself-Workshops tragen dazu bei, das Thema immer tiefer im Bewusstsein der Bürgerschaft zu verankern. Gewerbe und Handel tragen mit Projekten wie der Verpflichtung, auf allen Kieler Events Foodsharing-Angebote anzuwenden und der Einhaltung von Zero Waste-Standards (z. B. Verwendung von Mehrweggeschirr und wiederverwendbaren Transportverpackungen) dazu bei, das Abfallaufkommen und Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.
Verwaltung geht mit gutem Beispiel voran
Um selbst mit gutem Beispiel voranzugehen, hat sich die öffentliche Verwaltung in der Hafenstadt vielfältige Maßnahmen und Projekte zur Abfallvermeidung auf die Fahne geschrieben. So soll durch die Etablierung von E-Government der Verbrauch von Papier stark reduziert und die Abfalltrennung in den verschiedenen Ämtern verbessert werden. Mit der Aufstellung von Trinkwasserspendern im öffentlichen Raum will die Verwaltung außerdem die Nutzung von wiederverwendbaren Trinkflaschen fördern. Das könnte auch zu weniger Müll durch Plastikflaschen und Einwegbechern führen, so die Hoffnung. Denn in Kiel werden täglich rund 22.000 Wegwerfbecher verwendet. Um das Thema Mehrweg in Gastronomie und Bevölkerung noch sichtbarer zu machen, läuft seit April dieses Jahres die Kampagne „Kiel geht Mehrweg“. Im Rahmen dieser Kampagne zeigen Betriebe, warum sie sich aktiv für Mehrweg einsetzen.
Erfahren Sie hier, wie die Stadt Kiel Verbraucherinnen und Verbraucher für mehr Mehrweg motiviert.
App Melde.Möwe nimmt Bürgerinnen und Bürger in die Verantwortung
Das Problem Littering geht die Stadt Kiel digital an. Mit der App Melde.Möwe des Abfallwirtschaftsbetriebs Kiel (ABK)können die Bürgerinnen und Bürger illegale Müllablagerungen mit nur wenigen Klicks melden, sodass dieser fachgerecht entsorgt werden können. Außerdem können sie mitverfolgen, wann die gemeldeten Abfälle abgeholt und der Schaden beseitigt wurde. Bei allen Bemühungen um weniger Abfall ist auch der Stadt Kiel bewusst: Zero Waste ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Etliche lokale Projekte zeigen deutlich, dass der Wille zur Abfallreduzierung und -vermeidung bei vielen Menschen da ist. Individuelles Handeln allein reiche aber nicht aus, so Selina Kahl: „Die Politik muss aktiv werden, um Anreize für nachhaltiges Wirtschaften zu schaffen und den Weg für echte Kreislaufwirtschaft zu ebnen.“