Erlassen wurde es am 14. August 2017 gemäß Art. 25 Abs. 1 des „Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften“: Das „Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen“; kurz: Onlinezugangsgesetz (OZG).
Paradigmenwechsel für effiziente und nutzerfreundliche Digitalisierung
Ziel des OZG ist es, den Onlinezugang zu Verwaltungsleistungen für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen zu erleichtern, zu erweitern bzw. diesen überhaupt zu ermöglichen. „Die Interaktion zwischen Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen mit der Verwaltung soll in Zukunft deutlich schneller, effizienter und nutzerfreundlicher werden“, so das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI). Und das umfänglich – mit klarer Fristvorgabe. Das OZG verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 über Verwaltungsportale auch digital anzubieten.
Ein Gesetz, das – wie auch das BMI anmerkt – einem Paradigmenwechsel gleichkommt. Hiermit soll nicht nur der gesetzliche Weg für einen Digitalisierungs-, d. h. Modernisierungsschub bereitet, sondern auch konsequent der Nutzerperspektive, also den Bedürfnissen der Bürgerinnen, Bürger wie auch der Unternehmen, Rechnung getragen werden. Womit umgekehrt das Gesetz für die Realisierung der Zielvorgabe „schneller-effizienter-nutzerfreundlicher“ ebenso die behördlichen Entscheidungsinstanzen in die Pflicht nimmt.
Umfänglich Nutzbarkeit digitaler Verwaltungsleistungen
Die Vorgaben, die das OZG bereithält, sind sehr umfänglich. Insgesamt 575 zu digitalisierende Verwaltungsleistungen hat das Gesetz fixiert. Verwaltungsleistungen, die in diesem Kontext jetzt „OZG-Leistungen“ heißen. Und als solche wiederum in 35 sogenannte „Lebens- und Unternehmenslagen“ gebündelt sind, die dann ihrerseits 14 übergeordneten Themenfeldern angegliedert wurden. Allein die Auflistung dieser Themenfelder illustriert die Spannbreite, die mit dem OZG angestrebt ist, recht anschaulich: Arbeit und Wirtschaft, Bauen und Wohnen, Bildung, Ein- und Auswanderung, Engagement und Hobby, Familie und Kind, Forschung und Förderung, Gesundheit, Kammerleistung, Mobilität und Reisen, Querschnittsleistungen, Recht und Ordnung, Steuern und Zoll, Umwelt, Unternehmensführung und Entwicklung.
Für alle diese Themenfelder bzw. Verwaltungsgebiete sieht das OZG eine Art digitale Lückenlosigkeit, die umfängliche Installation digital nutzbarer Verwaltungsportale, vor. D. h., jedes der Themenfelder bündelt verschiedene, detailliertere Vorgaben, Lösungs- und Leistungsangebote, die für unterschiedliche Verwaltungsbereiche relevant sind. Hier zwei Beispiele zur Illustration:
Verpflichtung zur digitalen Verwaltungsleistung
Unter der Überschrift „Kammerleistungen digital – Mittelbare Landesverwaltung und das OZG“ ist dargelegt, inwiefern neben Bund und Ländern auch die Kommunen zu digitalen Verwaltungsleistungen verpflichtet sind. Der OZG-Katalog listet dazu mehr als 200 zu erbringende (sprich: zu digitalisierende) Kammerleistungen, die i. d. R. auf Bundesrecht basieren und auf Landes- und/oder regionaler Ebene vollzogen werden müssen.
Die Koordinierung der Umsetzung liegt in der Verantwortung der jeweiligen Dachverbände. Denn welche Maßnahmen Priorität haben und wie sie konkret realisiert werden, ist natürlich von Kommune zu Kommune verschieden. In jedem Fall sollen die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) als Kommunikator zwischen Bund, Länder- und Landesministerien und den Industrie-, Handels- und Handwerkskammern fungieren.
Digitalen Beantragungen im Umweltschutz vereinfachen
Für alle OZG-Leistungen in diesem Themenfeld ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) federführend. Allgemein richtet sich hier der Fokus darauf, „die digitalen Beantragungen rund um Umweltschutz und Anlagenschutz so leicht wie möglich“ zu gestalten. Konkret heißt das, die im Umweltbereich „häufig komplexen Anträge mit umfangreichen Anhängen und Anlagen für Unternehmen“ zu verschlanken und sie auf digitalem Wege den zuständigen Behörden effizienter zukommen zu lassen.
Des Weiteren zielen im Themenfeld Umwelt viele Projekte im Rahmen der Digitalisierung auf die Installation eines Geoinformationssystems (GIS), mit dem etwa die geographische Lage von bestimmten Anlagen (z. B. Abfalldeponien) auf einer Karte exakt erfasst und in Bezug zu dort vorhandenen Umweltbedingungen gesetzt werden kann. Schließlich sind noch Digitalisierungsaspekte zu Emissionshandel und –erklärung, Abfallentsorgung oder naturschutzrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten aufgeführt.
Zentrale Rolle der Kommunen bei der OZG-Umsetzung
Bei der Umsetzung des OZG spielen Kommunen eine zentrale Rolle. Allein schon, weil sie für einen Großteil der Verwaltungsleistungen vor Ort die Verantwortung tragen. Bei der digitalen Umwandlung dieser Verwaltungsleistungen in OZG-Leistungen sollen Kommunen acht Grundprinzipien beachten:
- Erhebung und Bewertung von Nutzeranforderungen
- Installation einfacher und intuitiver Nutzungsoptionen der Onlineportale
- Gewährleistung von Barrierefreiheit, Bürgernähe und Genderneutralität
- Gewährleistung des Once-Only-Prinzips (Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen müssen Informationen nur noch einmalig übermitteln)
- Gewährleistung des Datenschutzes
- Generelle Förderung digitaler Nutzung
- Berücksichtigung rechtlicher Änderungsbedarfe
- Agiles Vorgehen seitens der Ämter
Punkte, die im Sinne einer optimierten, bürgernahen Dienstleistung plausibel und nachvollziehbar sind – bei der Realisierung aber einige Herausforderungen mit sich bringen. Hier stellen sich einige Fragen. Ganz im Sinne des Paradigmenwechsels hat das BMI zur Beantwortung der wichtigsten Fragen für eine schnelle, effiziente und nutzerfreundliche Online-Präsenz gesorgt.
Bisher kein Quantensprung in der digitalen Verwaltung
Ein notwendiges Gesetz macht sich also daran, die notwendige Digitalisierung der Verwaltung zu regeln. Und ja: OZG-Vorgaben wurden in unterschiedlichem Ausmaß bereits entwickelt, implementiert und sind in der Praxis nutzbar. Allerdings: Von einem wirklichen Umsetzungserfolg, einem Quantensprung in der Digitalisierung kann keine Rede sein.
Denn zur Wahrheit gehört: Die angestrebte Umsetzung des OZG bis Ende 2022 ist nicht zu schaffen – diese Einschätzung verkündete der Nationale Normenkontrollrat (NKR) bereits im September 2021. Als unabhängiges Expertengremium berät er Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat bei Belangen des Bürokratieabbaus und Fragen der damit verbundenen Rechtsetzung.
Gründe für die schleppende Umsetzung sieht der NKR u. a. im nicht effizient gesteuerten Umsetzungsprozess, fehlenden Schnittstellen und Standards sowie einer nicht abgestimmten Kommunikation unter den beteiligten Instanzen auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene. Außerdem gäbe es kein öffentliches Datenmanagement und es fehlten Betriebsplattformen und Marktplätze.
OZG sorgt für Überforderung der Kommunen
Dazu passt, was Ariane Berger, Leiterin Digitalisierung beim Deutschen Landkreistag, in einem Interview mit dem Magazin Kommunal auf den Punkt bringt: „Das OZG überfordert die Kommunen!“
Berger spricht wörtlich von einem „Hau-Ruck-Verfahren“ des Bundes, von dem die Fachressorts wie auch der IT-Planungsrat „entsprechend überrascht“ waren: „Das BMI“, führt Berger aus, „wollte dann – und das ist positiv – ein neues Kooperationsformat finden und schaffte so genannte Digitalisierungslabore. Aber am Anfang waren die Kommunen darin noch nicht einmal vorgesehen!“ Hinzu sei gekommen, dass der Bund auch im Weiteren Belange der Kommunen übergangen habe. So habe er etwa die Folgekosten nicht bedacht, die vor allem für Städte und Gemeinden mit dem Digitalisierungsprozess entstünden.
Nachjustierung mit OZG 2.0
Was also ist zu tun? Wie kann man ein fraglos sinnvolles gesetzliches Unterfangen sinnvoll in die Realität umsetzen? Eine Nach- und Neujustierung des OZG scheint angebracht. Und tatsächlich steht ein OZG 2.0 in den Startlöchern – wenn auch vorerst als 50-seitiger Referentenentwurf. Dieser Entwurf (Stand 14.12.2022) sieht erst einmal vor, die ohnehin weitgehend ergebnislos abgelaufenen Umsetzungsfristen aus dem OZG zu streichen. Was eine Optimierung der Kommunikation zwischen den amtlichen Instanzen angeht, spricht der Referentenentwurf von einem „einfachen, länderübergreifenden Datenaustausch“, zu dem sich Bund und Länder bei der Bereitstellung von Verwaltungsleistungen verpflichten. Für welche Leistungen das konkret zutrifft, ist allerdings auch weiterhin an die Zustimmung des Bundesrates gebunden. Schließlich definiert der Entwurf erstmals genau, was eigentlich Ausfüllhilfen für Online-Formulare (Antragsassistenten) sind. Bisher gab es dazu keine einheitliche, also ggf. auch juristisch verwertbare Begriffsfixierung.
Wie diese neuen Maßgaben dabei helfen, das zu verwirklichen, was schon im „alten“ OZG angestrebt wurde, ob es die Schwachstellen wirklich korrigiert und somit den Weg zum „schneller, effizienter, nutzerfreundlicher“ begehbar macht, bleibt abzuwarten. Und zu diskutieren sowieso.