Mehr Tempo-30-Zonen, mehr Busspuren, Fahrrad- und Fußgängerwege oder Spielstraßen: Das neue Straßenverkehrsgesetz der Ampel-Regierung sollte Kommunen die Möglichkeit geben, den Verkehr flexibler zu gestalten. Standen bislang das zügige Vorankommen und die Sicherheit des Verkehrs im Vordergrund, so sollten künftig auch Überlegungen zu Gesundheits-, Klima- und Umweltschutz eine wichtige Rolle bei verkehrspolitischen Entscheidungen spielen. Doch der Bundesrat stimmte im November überraschend gegen die Gesetzesnovelle. Bundesverkehrsminister Volker Wissing sagte hierzu: „Wir wollten den Kommunen mehr Handlungsspielraum vor Ort geben. Offensichtlich ist das seitens der Länder aber nicht gewünscht.“
Kommunen fordern mehr Entscheidungskompetenz
Vor der Abstimmung im Bundesrat rief Winfried Hermann, Verkehrsminister von Baden-Württemberg (Bündnis 90/Die Grünen), die Vertreterinnen und Vertreter der Länder nochmals nachdrücklich dazu auf, für die Reform zu stimmen. Er verwies dabei auch auf eine Initiative von mittlerweile über 1.000 Kommunen, die mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Entscheidungskompetenz auf kommunaler Ebene forderten. Ebenso forderten sie Gesetze und Verordnungen, die nicht länger ausschließlich am fließenden Verkehr des Autos orientiert würden.
Kritikerinnen und Kritiker vor allem seitens der CDU/CSU bemängelten, dass die Reform die Verkehrssicherheit infrage stellen würde. Landesverkehrsminister Hermann hatte nur wenig Verständnis für diese Bedenken: „Wenn wir heute nach diesem Argument, dass das der Verkehrssicherheit schade entscheiden, dann muss ich sagen, hat der Bundesrat die Möglichkeit einer bescheidenen Reform verhindert.“ Der Abstimmung sei bereits eine lange Debatte vorausgegangen, in der auf Länderebene bereits viele Kompromisse gemacht worden seien.
Unterstützt wurde Hermann von Daniela Kluckert, FDP-Politikerin und Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr, die ebenfalls um Stimmen für das neue Straßenverkehrsgesetz warb. Doch am Ende nutzten alle guten Worte nichts. Nur eine Minderheit stimmte für die Gesetzesänderung.
CDU/CSU bezeichnet Novelle als „Instrument des Kulturkampfes“
Bereits in einer Sitzung des Deutschen Bundestags im Oktober zum Thema, bezeichnete CDU/CSU-AbgeordneterFlorian Müller die Novelle als „Instrument des Kulturkampfes auf der Straße“. Den Ampel-Koalitionären warf er vor:„Sie wollen das Auto am Ende aus der Stadt verdrängen. Gleichzeitig wollen Sie noch einen Paradigmenwechsel. Sie wollen das Straßenverkehrsgesetz zu einem Klimaschutzgesetz umwidmen. Stattdessen hätte dieses Gesetz weiterhin für Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr stehen müssen.“
Der Städte- und Gemeindetag bedauerte die Entscheidung des Bundesrats indes. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sieht damit die Verkehrswende in den Städten ausgebremst. Gleichwohl bekannte er, dass die geplante Reform „noch nicht der große Wurf“ gewesen sei. Er sagt in einem aktuellen Statement zum Thema: „Der richtige Weg wäre gewesen, den Reformentwurf im Vermittlungsausschuss noch nachzubessern und den Städten mehr Entscheidungsfreiheit einzuräumen. Stattdessen hat der Bundesrat die Mobilitätswende vor Ort erst einmal auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt.“
Straßenverkehrsgesetz: Vermittlungsausschuss könnte helfen
Die Bundesregierung und der Bundestag könnten nun den Vermittlungsausschuss anrufen, um mit den Ländern über weitere Kompromisse zu beraten. SPD-Fraktionsabgeordnete Isabel Cademartoris äußerte in einem Interview gegenüber der Fachzeitschrift „vorwärts“ aber die Vermutung, dass die Blockadehaltung parteipolitisch motiviert gewesen sei. „Die Bundesländer mit Regierungsbeteiligung der CDU/CSU wollten einfach Projekte der Ampel im Bundesrat blockieren.“ In so einem Fall könne auch ein Vermittlungsausschuss den Konflikt kaum auflösen. Es sei nun an den Ländern, die nicht zugestimmt hätten, ihren Beitrag zur Klärung zu leisten.