Der Verkehrssektor in Deutschland hat sein Klimaziel erneut verfehlt: 2023 wurden 146 Millionen Tonnen CO2 statt der erlaubten 133 Millionen ausgestoßen. Im nunmehr dritten Jahr in Folge hat die BRD damit die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten. Verkehrsminister Volker Wissing ist nun dazu verpflichtet, innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorzulegen, um den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor zu reduzieren. Ein Teil der Lösung könnte dabei in der Förderung des Radverkehrs liegen, wie eine aktuelle Studie des Fraunhofer Instituts im Auftrag des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) zeigt. Frank Masurat vom ADFC sagte dazu: „Wenn es Deutschland mit den Klimazielen und hoher Lebensqualität ernst meint, muss das Fahrrad der neue Goldstandard für die alltägliche Mobilität sein.“
Studie sieht Potenziale des Radverkehrs für den Klimaschutz
Die Analyse des Fraunhofer Instituts zeigt, dass der Treibhausgasausstoß im Verkehrssektor bis 2035 um bis zu 34 Prozent reduziert werden könnte. Voraussetzung hierfür ist eine Verdreifachung des Radverkehrsanteils bei Wegen bis zu 30 Kilometern. Aktuell liegt der Anteil des Radverkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen bei 13 Prozent. Um das beschriebene Szenario zu erreichen, müsste dieser aber auf durchschnittlich 45 Prozent steigen. In einigen Regionen Deutschlands ist laut Studie sogar ein Anteil von 63 Prozent möglich. Um den Radverkehr zu erhöhen, sei dabei der Aufbau einer einladenden Infrastruktur notwendig. Das beinhalte beispielsweise ein lückenloses Netz sicherer Radwege, eine gute Anbindung zwischen Rad und Bahn sowie kurze Wege in Kommunen. Trotz der Zielsetzung der Bundesregierung, Deutschland zum Fahrradland zu machen, verläuft der Ausbau des Radverkehrs laut ADFC aber bisher zu langsam.
ADFC-Fahrradklima-Test: Fahrradfreundliche Städte
Einzelne Städte haben schon heute eine recht hohe Radfahrerquote. So liegt in Münster der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr bei 47 Prozent, in Oldenburg bei 43 Prozent und in Karlsruhe bei 30 Prozent. Mit dem ADFC-Fahrradklima-Test ermittelt der ADFC regelmäßig die Zufriedenheit der Radfahrenden in Deutschland. Hierbei werden sie zu Sicherheitsgefühl, Komfort, Infrastruktur und Förderung des Radverkehrs sowie zu Möglichkeiten der sicheren Fahrradabstellung und Mitnahme im ÖPNV befragt. „Der ADFC-Fahrradklima-Test ist ein echtes Stimmungsbarometer“, sagte die ADFC-Bundesvorsitzende Rebecca Peters in einer Pressemitteilung. „Er zeigt den Kommunen im Detail, wie ihre Maßnahmen bei den Menschen ankommen, wo sie bereits gute Arbeit geleistet haben und wo noch Nachbesserungsbedarf besteht.“
Die Ergebnisse von 2022 zeigen, dass das Fahrradklima mit einer durchschnittlichen Note von 3,96 hierzulande als unbefriedigend wahrgenommen wird. Bei den Großstädten schnitt Bremen mit einer Bewertung von 3,0 in punkto fahrradfreundliches Klima am besten ab, ebenso wie Frankfurt am Main (3,6) und Hannover (3,6). Bei den Städten mit über 200.000 Einwohnern lag Münster in der Rangliste vorn (3,0), dicht gefolgt von Karlsruhe (3,1) und Freiburg im Breisgau (3,1). Letztere Stadt ist zudem für ihre Innovationen bekannt: Um Radkomfort mit Klimaschutz zu vereinen, hat Freiburg jüngst den ersten Solardach-Radweg Deutschlands gebaut. Dieser 300 Meter lange Radweg an der Freiburger Messe ist mit mehr als 900 Solarmodulen überdacht und soll pro Jahr etwa 280.000 Kilowattstunden Ökostrom erzeugen.
Ebenfalls Bestnoten erhielt die Kleinstadt Wettringen in Nordrhein-Westfalen. Sie gilt als Vorbild, vor allem für kleinere Kommunen. Bürgermeister Berthold Bültgerds sagte: „Wir haben hier das Fahrrad schon genutzt, bevor man über Mobilitätswende überhaupt gesprochen hat.“ Wettringen hat seit 2019 über vier Millionen Euro in Projekte wie ein umfassendes Radwegenetz, adaptive Beleuchtungssysteme und sichere Fahrradstraßen investiert.
Mehr Investitionen in Radverkehr notwendig
Es ist möglich, Treibhausgasemissionen im Verkehr zu reduzieren. Das zeigt die Studie des Fraunhofer Instituts deutlich. Hoffnung macht auch die Tatsache, dass der Radverkehr für immer mehr Kommunen in Deutschland ein Politikum wird. Wie wichtig das ist, betonte ADFC-Pressesprecherin Stephanie Krone gegenüber ZDF heute: „Gute Fahrradstädte zeichnen sich dadurch aus, dass Politik und Verwaltung das Fahrrad als Verkehrsmittel für Alltagswege wirklich ernst nehmen.“ Dazu gehörten vor allem breite Radwege an allen Hauptachsen und Routen mit Vorfahrt für Radfahrende.