Die momentane Weltsituation ist krisengeschüttelt. Neben der Klimakrise als Dauerzustand folgten in den letzten Jahren die Finanzmarktkrise, die Flüchtlingskrise und die Corona-Krise, die sich auf öffentliche Finanzen auswirkten. Mit dem Ukrainekrieg ergibt sich ein brisantes Krisengemisch: Flüchtlingskrise und Energiekrise, steigende Inflationsraten sowie die damit einhergehenden sozialen Schieflagen.
Ukrainekrieg fordert Kommunen heraus
Die enge Verknüpfung all dieser Themen zeigt sich auch in den Kommunen. Dort wirken vielfach noch die Belastungen der Corona-Krise nach. Finanzdefizite, real sinkende Investitionen, Vermögensverzehr – Städte und Gemeinden stehen unterschiedlichsten komplexen Aufgaben gegenüber. Ganz abgesehen von den Maßnahmen bezüglich Klimaschutz oder Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die eigentlich dringend umgesetzt werden müssten. Prioritäten, die der Ukrainekrieg erschüttert hat.
Kommunen mussten in kurzer Zeit mehr als 2,1 Millionen geflüchtete Menschen aufnehmen. Das ist ganz klar ein Gebot der Solidarität, stößt inzwischen aber an die Grenzen der Realisierbarkeit. So konstatierte jüngst Städtetagspräsident Markus Lewe im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung: „Es wird immer schwieriger, auch die Notunterkünfte sind vielerorts am Limit.“
Dabei ist die Unterbringung von Flüchtlingen nur ein Aspekt im Krisengemisch. Zwar ist in Folge des Kriegsausbruchs der Rückgang des Bruttosozialprodukts geringer ausgefallen als angenommen – doch ob das so bleiben wird, ist schwer zu sagen. Erhöhte Energie- und Rohstoffpreise, steigende Sozialausgaben bei ebenfalls steigenden Rüstungsausgaben verweisen eher auf das Gegenteil.
Bleibt die Frage: Wie kann unter diesen Umständen eine kommunale Daseinsvorsorge vonstattengehen? Wie können Städte und Gemeinden in unkalkulierbaren Zeiten finanziell sinnvoll kalkulieren? Was muss und was kann getan werden?
Öffentliche Finanzen 2022: Eine Problemanalyse
Die Publikation „Stadtfinanzen 2022. Schlaglichter des Deutschen Städtetages“ analysiert die Problemlage. Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages und dessen ständige Stellvertreterin Verena Göppert, konstatieren schon im Vorwort: „Die Forderung nach Entscheidungen, die keine Belastung für niemanden darstellen und immer Einzelfallgerechtigkeit garantieren, ist realitätsfern. Auch müssen wir akzeptieren, dass derzeit viele wichtige, aber nicht dringende Entscheidungen aufgeschoben werden.“
Mit Blick auf das vergangene Jahr ein realistisches Resümee. Wie ist die Situation im Einzelnen für die Kommunen?
Steigende Energiekosten
Steigende Energiekosten führten und führen zu deutlich erhöhten Nebenkosten bei Unterkünften bzw. Beheizung der Unterkünfte. Das gilt nicht nur für die Unterbringung von Geflüchteten. Laut Sozialgesetzbuch II (SGB II) hat die öffentliche Hand die entsprechenden Ausgaben für alle Personen zu übernehmen, die nach dieser Gesetzesvorgabe ein Anrecht darauf haben bzw. eine Grundsicherung im Alter beziehen. Vor allem für kommunale Haushalte, die in strukturschwachen Regionen mit einem hohen Anteil an SGB-II-Berechtigten und/oder einer hohen Anzahl an Gebäuden in schlechtem energetischen Zustand zu kämpfen haben, schlagen die Energiekosten-Mehrbelastungen entscheidend ins Kontur.
Leistungsreduzierung oder Defizitfinanzierung
In einer Situation, in der Ausgaben steigen, während Einnahmen schwinden, bleibt immer nur die Wahl zwischen Leistungsreduzierung oder Defizitfinanzierung. Wobei Ersteres oft aus sozialen Aspekten wie auch aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht möglich ist. Kommunen sind im Namen der Liquidität zum „Einfrieren“ oder anderweitigen Verwendung von Finanzmitteln gezwungen. Selbst dort, wo Haushalte stabil sind. Notwendige Zukunftsinvestitionen können so nicht getätigt werden. Das wirkt sich speziell auf die Zielvorgaben der Bundesregierung aus, bei deren Umsetzung die Kommunen eine tragende Rolle spielen. Konkret meint das die Realisierung von Klimaschutzvorhaben und eine Optimierung des ÖPNV-Angebots.
Prognose: Keine positiven Finanzierungssalden in 2023
Auch wenn die Gesamtsituation in ihrer Entwicklung schwer zu kalkulieren ist: Eine positive Trendwende scheint in nächster Zeit nicht absehbar zu sein. Die Bestandsaufnahme „Stadtfinanzen 2022“ zieht diesbezüglich ein nüchternes Fazit: „Unter dem Strich wird der Finanzierungssaldo um rund 8,5 Milliarden Euro auf ein Defizit von nahezu 6 Milliarden Euro abstürzen und sich auch im Folgejahr 2023 kaum verbessern. Treffen die Wachstumserwartungen der Bundesregierung zu, kann es zwar in den Folgejahren zu leichten Ergebnisverbesserungen kommen. Positive Finanzierungssalden sind aber nicht in Sicht.“
Um in dieser krisengeschüttelten Situation ihren Aufgaben nachzukommen, müssen Kommunen handlungsfähig sein. Das heißt nicht zuletzt: notwendige Investitionen für die Zukunft stemmen. Wie kann das gehen?
Mehr Geld durch Fördermittel
Es ist nicht wegzudiskutieren: Das Geld ist knapp und was da ist, muss für das aktuell Notwendige investiert werden. Das sind in vielen Kommunen nicht unbedingt mit Photovoltaik überdachte Radwege, Ladestationen für E-Autos und Windparks. Dennoch: Geld für solcherlei Investitionen gibt es. Auch wenn die Erschließung dieser Mittel bisweilen mit Aufwand verbunden ist.
Dass sich der Aufwand lohnt, zeigt das Beispiel BSR: 2018 haben die Berliner Stadtreinigungsbetriebe gleich zwei Förderprogramme in Anspruch genommen, um ihren Fuhrpark mit alternativen Antrieben aufzustellen. Mit dem vom Berliner Senat geförderten Programm „BENE“ hat das Unternehmen ein Abfallsammelfahrzeug und ein Papiersammelfahrzeug angeschafft – beide elektrisch. Im Rahmen des Förderprogramms „Saubere Luft“ des Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sind weitere elektrische Nutzfahrzeuge in den verschiedenen Fahrzeuggruppen hinzugekommen – von der Kehrmaschine bis zum Kehrichtsammelfahrzeug. Eine intelligente, vernetzbare Ladeinfrastruktur wurde zeitgleich auf den Liegenschaften errichtet.
Auch die Bestandsflotte wird in einem Gemeinschaftsprojekt mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenaUVK), dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und dem BMVI angepasst. Bestandsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor bekommen eine NOx-Filteranlage. Hierdurch werden Stickstoffoxid-Emissionen um bis zu 90 % reduziert. Durch die Entwicklung energieoptimierter und emissionsreduzierter Abfallsammelfahrzeuge soll überdies eine Kraftstoffeinsparung von 25 % (in Bezug auf ein vergleichbares modernes Standardfahrzeug) erreicht werden. Hier arbeiten die BSR mit einem Fahrzeugaufbau- und einem Fahrzeughersteller zusammen.
Unterstützung durch ÖPP/PPP
Nutzung von Fördermitteln, Kooperationen mit Herstellern oder Beteiligungen an Forschungsprojekten: Für engagierte Kommunen gibt es viele Wege, um notwendige Maßnahmen umzusetzen und gemeinwohlorientierte Ziele zu erreichen. Eine weitere Möglichkeit ist die Öffentlich Private Partnerschaft (ÖPP), auch Public Private Partnership (PPP) genannt. Die ist per Definition ein Vertrag zwischen einer Regierungsbehörde und einer privaten Einrichtung. Ziel hierbei ist die Erbringung eines öffentlichen Nutzens in Form einer Dienstleistung oder eines Vermögenswertes.
Zu den potentiellen Vorteilen für Kommunen gehört im Wesentlichen eine höhere Effizienz der Projektabwicklung. Die kann dazu beitragen, kommunale Haushalte entsprechend zu entlasten und somit dringend notwendige Mittel für sozioökonomische Bereiche freizusetzen. Großprojekte können realisiert werden, ohne die Schulden auf Seiten der öffentlichen Hand erhöhen zu müssen. Auch können Risiken bei der Projektumsetzung großteilig oder komplett auf das private Unternehmen übertragen werden. Kommunen profitieren überdies auch eher von einem Return on Investment, d. h. einer Rückkehr des investierten Kapitals.
Mehr Spielraum für Investitionen
In Bayern beispielsweise führen verschiedene Kommunen schon seit langem PPP-Projekte – vorrangig im Baubereich – durch. Um hier eine gute Zusammenarbeit zu gewährleisten, wurden seitens der Landesregierung entsprechende, juristisch fixierte Rahmenbedingungen geschaffen. Grundlage ist die Gewährleistung, dass die Umsetzung eines PPP-Konzeptes „entsprechend dem Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung ein mindestens ebenso wirtschaftliches Ergebnis erwarten lässt wie das herkömmliche Verfahren.“ Ein Wirtschaftlichkeitsvergleich noch vor jedem Vertragsabschluss ist verpflichtend.
Auf diese Weise konnten etwa der Bau eines Gymnasiums in Kirchseeon oder der des Landratsamtsgebäudes in Ansbach, die Errichtung der Donautherme „Wonnemar“ in Ingolstadt oder die Mainbrücke Segnitz zu regelrechten Vorzeige-PPP-Projekten werden.
Auch die Stadt Frankfurt am Main unterhält eine seit vielen Jahren erfolgreiche ÖPP mit dem Umweltdienstleister REMONDIS. Seit 1998 sorgt die gemeinsam geführte FES Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH für eine funktionierende Abfallwirtschaft. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das stabile Gebühren und zuverlässige Leerungszeiten ihrer Mülltonnen. Die Kommune profitiert nicht nur vom Know-How des Partnerunternehmens, sondern auch von den finanziellen Mehreinnahmen der gemeinsamen Unternehmung. 2021 nahm die Stadt Frankfurt hier rund 7,2 Millionen Euro ein, 2020 waren es rund 8 Millionen.
Allianzen schmieden in schwierigen Zeiten
Gerade in schwierigen Zeiten ist die kommunale Daseinsvorsorge nicht allein den Kommunen zu überlassen. Gefragt sind Synergien und Allianzen, die kommunale, privatwirtschaftliche und soziale Aspekte austarieren. Klar ist dabei auch: Gesetzliche Rahmenbedingungen für eine pragmatische zielorientierte Kommunalpolitik müssen durch die Bundespolitik geschaffen werden.