Kommunen können von der Krise profitieren. Wahrscheinlich lässt Sie diese Aussage bereits jetzt mit dem Kopf schütteln. Denn Sie als Vertretende der kommunalen Verwaltungen sehen derzeit eher die Risiken der Krise, sorgen sich um Ihre Bürgerinnen und Bürger, die unter den finanziellen Folgen der Inflation leiden, und müssen Kürzungen in Ihrem Haushalt planen. Projekte, Ideen und Visionen, die Sie für Ihre Stadt oder Ihre Gemeinde umsetzen wollten, scheinen wie Seifenblasen zu zerplatzen, versprochene Maßnahmen müssen aufgeschoben werden.
Täglich müssen Sie gerade Entscheidungen treffen, die Sie lieber nicht entschieden hätten. Ein Jugendzentrum müssen Sie schließen, ein Schwimmbad kann nicht mehr beheizt oder eine geplante Baumaßnahme nicht vollendet werden, weil der Dienstleister kein Material geliefert bekommt. Die Energiekrise schließt sich den Wehen der Corona-Pandemie an – eine Erholung der Finanzlage scheint nicht in Sicht.
Krise? Keine Panik!
Auch wenn die wenigsten Kommunen bis 2025 schwarze Zahlen schreiben werden, lohnt sich der Blick darüber hinaus. Die Oberbürgermeister, die keine Panik, sondern Ruhe und Optimismus ausstrahlen, werden 2023 zu den Gewinnern der Krise gehören. Denn Ihre Bürger sind es leid, nur negative Nachrichten zu vernehmen. Furcht und trübe Gedanken können weder Unternehmerinnen noch Arbeitnehmer motivieren.
Warnung und Angst müssen der Hoffnung und dem Mut weichen, Neugier und Toleranz sollten wieder Werte sein, die zum Aufbau der Gesellschaft führen können. Nur ein engagierter Bürgermeister, eine kreative Kämmerin und eine starke kommunale Verwaltung kann hier Vorbild sein und Zeichen setzen. Nun heißt es: Resilienz aufbauen, Wege finden, um den Wandel voranzutreiben.
6 Chancen für Kommunen
Unsere Redaktion Klimaschutz Kommune solidarisiert sich daher in diesem Leitartikel mit dem Chefredakteur, von KOMMUNAL, Christian Erhardt und seinem Ruf für 2023 als „Jahr des Optimismus“. Erhardt betont: „Die eigentliche Gefahr ist, dass die Folgen der Warnung schlimmer sind als der Schaden, vor dem wir warnen“.
In diesem Sinne haben wir 6 Chancen für alle kommunalen Entscheidenden hier zusammengetragen und möchten Ihnen Mut machen, die Zukunft beherzt anzugehen.
Chance 1: Antizyklisch handeln
Abwarten und die Schäfchen im Trockenen halten gilt vielen als die beste Strategie, um durch eine Krise zu kommen. Das ist nachvollziehbar angesichts einer unsicheren Haushaltslage. Doch gerade in schwierigen Zeiten können sich Innovationen lohnen und die Weichen für zukünftige Erfolge legen – getreu dem Motto „Den Mutigen gehört die Welt!“.
Neue Radwege und Ladestationen für E-Autos errichten, das alte Schuldach sanieren, Kitas bauen, öffentliche Gebäude modernisieren etc. – Investitionen dieser Art verschaffen Kommunen einen klaren Standortvorteil und machen sie stark für die Zukunft.
Chance 2: Mehreinnahmen nutzen
Was für die Bürgerinnen und Bürger eine Belastung darstellt, ist für Städte und Gemeinden zunächst ein Gewinn: Die Inflation treibt die Preise in die Höhe und beschert Kommunen damit Mehreinnahmen in Form von steigenden Gebühren. Sie bekommen rund 2 % des gesamten Umsatzsteueraufkommens.
Auch höhere Einnahmen aus Verkäufen, Mieten, Pachten und eigenen Betrieben dürften in den kommenden Monaten mehr Geld in die Kommunalkasse spülen, genauso wie die absehbare Erhöhung von Beiträgen und Gebühren in unterschiedlichen Bereichen. Kommunen profitieren außerdem von aktuell positiven Tendenzen in der Lohnentwicklung. Ihr Anteil an der Lohn- und Einkommenssteuer liegt bei 15 %.
Diese Mehreinnahmen können mutige Kommunen gerade in Krisenzeiten klug nutzen, um zukunftsweisende Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung oder den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zu tätigen, notwendige Bauprojekte anzugehen und Maßnahmen zur energieeffizienten Gebäudesanierung voranzutreiben.
Chance 3: Fördermittel beantragen
Das Geld ist vielerorts knapp, doch wo ein Wille ist, ist meistens auch ein Weg. Und dieser kann zu einem der zahlreichen Fördertöpfe von Bund, Ländern und EU führen. Das Potential ist groß, wie Marc-Oliver Krüger, Inhaber der Deutschen Fördermittelakademie, weiß. Im Interview mit KOMMUNAL sagte der Experte: „Rund 60 bis 80 % der Maßnahmen im kommunalen Haushalt wären förderfähig.“
Zugegeben: Der Weg durch den Fördermitteldschungel ist bisweilen recht undurchsichtig. Um sich einen Überblick über die derzeit knapp 900 Förderprogramme für Kommunen zu verschaffen, empfiehlt Krüger deshalb, die Plattform Förderdatenbank regelmäßig nach relevanten Programmen zu durchforsten. Auch ein Newsletter-Abo der Landesministerien, die Fördermittel vergeben, lohnt sich. Hier gibt es Informationen zu aktuellen Fördermöglichkeiten.
Vor allem beim Thema Städtebau können Kommunen umfassende Förderungen in Anspruch nehmen. Auch gibt es immer mehr Förderprogramme im Umwelt- und Energiesektor, wie bspw. die Kommunalrichtlinie, welche sehr vielschichtige Möglichkeiten bietet.
Chance 4: Synergien schaffen
Synergien entstehen nicht nur, wenn zwei Unternehmen fusionieren. Auch auf kommunaler Ebene können Synergien ganz unterschiedlicher Art genutzt werden, wie es beispielsweise die Stadt Jena vormacht. Hier wird das kommunal betriebene Freizeitbad mit der Abwärme des nahegelegenen Kraftwerks beheizt. Auch in Landsberg am Lech wird Abwärme aus der Stromerzeugung in einer Biogasanlage genutzt, um das Schwimmbad zu beheizen. Zum Transport der Wärme an den Zielort hat ein Privatunternehmen mobile Speicher entwickelt.
Die Verwendung von sonst ungenutzter Abwärme aus Kraftwerken und Industrieanlagen zum Heizen öffentlicher Gebäude kann einen wichtigen Beitrag zur kommunalen Energiewende leisten, Kommunen finanziell entlasten und sie ein Stück weit unabhängiger von ausländischen Gaslieferungen machen. Über die Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (Modul 4 Energie- und ressourcenbezogene Optimierung von Anlagen und Prozessen) können kommunale Unternehmen einen Zuschuss für Maßnahmen zur Abwärmenutzung beantragen.
Chance 5: Partnerschaften eingehen
In Krisenzeiten müssen alte Denkmuster aufgebrochen und neue Wege beschritten werden. Hierzu gehört sicher auch, das alte Vorurteil abzulegen, die öffentliche Hand müsse unabhängig von privatwirtschaftlichen Einflüssen alle Belange der Daseinsvorsorge im Alleingang erledigen. Dass dies in der Realität längst nicht mehr der Fall ist, sondern es zahlreiche Verbindungen von Öffentlichem und Privaten gibt, belegen viele Beispiele – im Großen wie im Kleinen.
Auf kommunaler Ebene ist es beispielsweise die Stadt Frankfurt, die auf eine jahrelange, sehr erfolgreiche Partnerschaft zwischen Kommune und privatem Unternehmen verweisen kann. Hier profitieren nicht nur die Bürgerinnen und Bürger von einem modernen Abfallmanagement und verkehrssicheren Straßen, auch der städtische Haushalt generiert Mehreinnahmen, die wiederum für Zukunftsinvestitionen genutzt werden können.
Kooperationsmodelle gibt es viele, hier muss die Kommune keineswegs das Zepter an den privaten Partner übergeben. Neben einer finanziellen Entlastung kann eine Öffentlich-Private Partnerschaft dann vor allem dazu beitragen, öffentliche Prozesse zu straffen, Termine einzuhalten und Know-how zu nutzen.
Chance 6: Preiserhöhungen hinterfragen
Auch in Zeiten, in denen bestimmte Maßnahmen und Preiserhöhungen als alternativlos gelten, sollten kommunale Entscheiderinnen und Entscheider kritisch bleiben. Sie sind es, die den besten Draht zu den Bürgerinnen und Bürgern haben und deren Alltag und Sorgen aus erster Hand kennen. Sie wissen, was vor Ort machbar ist und was nicht. Und nicht jede Preiserhöhung ist gerechtfertigt.
Hier gibt es vor allem im Handel, dem Gastgewerbe, der Land- und Forstwirtschaft und dem Baugewerbe einige schwarze Schafe, die unverhältnismäßige Preissteigerungen dazu nutzen, ihre Gewinne auszuweiten, wie das ifo Institut in einer aktuellen Studie herausgefunden hat. Denn allein höhere Preise für Energie und Vorleistungen würden das Ausmaß der Inflation in Deutschland nicht erklären, so die Fachleute.
Für Vertreterinnen und Vertreter aus Städten und Gemeinden heißt das: Auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sollten Preiserhöhungen nicht als inflationsgegeben hingenommen, sondern hinterfragt werden. Und dann eben der günstigeren Alternative der Vorzug gegeben werden.
Raus aus der Dauerkrise!
Es muss nicht immer der große Wurf sein, der zum Erfolg führt. In unsicheren Zeiten können auch kleine Schritte und kurzfristige Maßnahmen einen positiven Effekt haben und den Bürgerinnen und Bürgern signalisieren: Wir stellen uns als Kommune den aktuellen Herausforderungen und finden Wege, diese selbstbewusst und hoffnungsfroh zu meistern. Nur mit solchen Gedanken können wir es aus der Dauerkrise schaffen. Bleiben Sie optimistisch!