Das Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro ist formal beschlossen. 100 Milliarden davon sollen in dieKommunen fließen – und dort werden sie auch dringend benötigt. In Städten und Gemeinden gilt es, einen Investitionsstau in Höhe von aktuell 186 Milliarden Euro abzubauen.
Von 100 großen Städten befänden sich 95 Prozent in einer dramatischen Haushaltslage, teilweise seien ausgeglichene Haushalte gar nicht mehr möglich, sagte Berlins Finanzsenator Stefan Evers Ende März gegenüber der WirtschaftsWoche. Das Sondervermögen eröffne neue Perspektiven. Doch es gibt noch viele Fragezeichen rund um die Verteilung der Gelder. „Niemand weiß bisher, was Länder und Kommunen konkret erwartet“, so Evers.
Mit welcher Summe Kommunen im Einzelnen rechnen können, ist die eine Sache. Die andere betrifft die tatsächliche Umsetzung der dann möglichen Vorhaben vor Ort. In einer aktuellen Studie rufen die Leipziger Rechtsanwaltsgesellschaft KPMG Law und das Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge (KOWID) der Universität Leipzig zum schnellen Handeln auf.
Die kommunale Verwaltung müsse Kapazitäten schaffen, um die über die Länder bereitgestellten Mittel zu erhalten und zielgerichtet einzusetzen, heißt es in einem gemeinsamen Paper. Zudem müsse sie interne Strukturen einrichten, umPlanung, Vergabe und Bau zu beschleunigen. „Was heute die Ausnahme ist, muss die Regel werden für die Schaffung einer essenziellen Infrastruktur“, so die Studienautoren.
Erfolgreiche Projekte brauchen klare Strukturen und Zuständigkeiten
Natürlich müsse die Politik hierfür auch einige rechtliche Rahmenbedingungen ändern, allen voran Bürokratie abbauen und Unternehmen entlasten, die für den Ausbau und die Modernisierung von Infrastruktur nötig seien. Die Änderung des Rechtsrahmens sei aber nicht der Schlüssel für den Erfolg des Investitionsprogramms, erklären die Autoren der Studie. Sie schlagen sieben Instrumente vor, mit denen die öffentliche Verwaltung Strukturen und Prozesse straffen und so Beschaffung, Planung und Realisierung von Vorhaben beschleunigen kann – innerhalb der aktuellen Rechtsprechung.
Im ersten Schritt gelte es, eine Projektorganisationsstruktur zu etablieren, in der es eine klare Projektverantwortung gäbe. Das schaffe zwar keine Unabhängigkeit, wie es bisher im Modell der getrennten Zuständigkeiten der Fall war, sorge aber für eine flexible, kreative und individuelle Problemlösung sowie schnelle Entscheidungen. Für eilige Projekte reiche bisweilen auch die Gründung einer Task Force bzw. Arbeitsgruppe.
Im nächsten Schritt müssten Planungsverfahren deutlich beschleunigt werden. Da seien von politischer Seite in der jüngsten Vergangenheit mit verschiedenen Planungsbeschleunigungsgesetzen bereits Erleichterungen geschaffen worden. So besteht mit dem 2023 beschlossenen Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung eine Grundlage für einen effizienteren Ausbau von Infrastruktur, was beispielsweise die Modernisierung von Straßen, Brücken und Schienenwegen betrifft. Auch die Nutzung digitaler Lösungen und künstlicher Intelligenz könne den Verwaltungsaufwand in Kommunen reduzieren und damit Prozesse beschleunigen.
Als weiteres Instrument in diesem Zusammenhang schlagen KPMG Law und KOWID vor, ausführende Bauunternehmen in die Planung von Bauvorhaben mit einzubeziehen. Indem die Organisation des Bauablaufs auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Unternehmen eingehe, eröffne sich viel Potenzial für Innovation, Kosteneinsparung, Nachhaltigkeit und Beschleunigung, sind sich die Expertinnen und Experten sicher.
Sondervermögen sinnvoll einsetzen mit partnerschaftlichen Verträgen
Im nächsten Punkt empfehlen die Studienverfasser, Bauleistungen an einen Generalunternehmer (GU) zu übergeben, anstatt diese an verschiedene Gewerke zu übertragen wie bislang üblich. Letztere Praktik leiste zwar einen volkswirtschaftlichen Beitrag zum Schutz des mittelständischen Marktes, sei jedoch ein Hindernis für die schnelle Realisierung essenzieller Infrastruktur. Nichtsdestotrotz könne auch bei der GU-Vergabe darauf geachtet werden, entsprechende Projekte mittelstandsfreundlich und partnerschaftlich zu gestalten.
Weiteres Beschleunigungspotenzial bestehe darin, bei der Vergabe von Aufträgen für eine hohe Transparenz, große Einfachheit, stringente Terminplanung und Aufgabenverteilung zu sorgen. Aus rechtlicher Perspektive summierten sich die Mindestfristen in Vergabeverfahren auf maximal 40 bzw. 65 Tage. Bei einem effizienten Projektmanagement könnten selbst komplexe Vergabeverfahren innerhalb von drei bis vier Monaten abgeschlossen werden.
Auch partnerschaftliche Verträge trügen zu einer schnelleren Realisierung von Projekten bei. „Der Faktor Mensch ist wesentlich für eine gute Zusammenarbeit“, heißt es im Paper. Damit alle Beteiligten an einem Strang zögen, seien ein umfassender Dialog sowie Transparenz nötig – es dürfe kein Informationsgefälle geben. Auch sei es ratsam, unterschiedliche Ziele der jeweiligen Partner beispielsweise durch die Schaffung von Vergütungsanreizen zusammenzubringen. Das könne etwa eine Beschleunigungsprämie sein.
Als siebtes und letztes Instrument nennen die Studienautoren Förderprogramme. So könnten sich Kommunen und Länder auch dafür entscheiden, die finanziellen Mittel für Projekte im Rahmen von Förderprogrammen weiterzureichen.
Hier finden Sie weitere Informationen zu den sieben Instrumenten, um Kommunen zu stärken und die Realisierung von Projekten zu beschleunigen .