Ein Sommertraum im ÖPNV: Von Juni bis August können Fahrgäste den Nahverkehr und Regionalzüge für nur 9 Euro im Monat nutzen. Deutschlandweit. Mit dieser recht spontanen Aktion will die Bundesregierung ihre Bürger durch den Umstieg auf öffentlichen Verkehr zum Energiesparen bewegen und die Zahl der dauerhaften Nutzer und Nutzerinnen erhöhen. „Wir haben jetzt eine einmalige Aktion, die einen Feldversuch darstellt“, so Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im Deutschlandfunk.
Zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs stellt der Bund den Ländern dabei insgesamt 3,7 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Hiervon sind 2,5 Milliarden Euro vorgesehen, um die Mehrkosten durch das vergünstigte Ticket auszugleichen. Damit seien 100 % der Einnahmeausfälle erstattet, so der Bundesverkehrsminister. Diese Rechnung basiere auf den Einnahmeerwartungen der Länder aus den zu erwartenden Ticketverkäufen. Die konkrete Umsetzung der Maßnahme erfolgt dann durch Länder und Kommunen selbst.
Betreiber haben Bedenken
So weit, so gut? Was die Bürger freut, sorgt für Unmut bei Kommunen und privaten Betreibern des öffentlichen Verkehrs.
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, hält das ermäßigte Ticket grundsätzlich für eine gute Idee, um „im Sinne der Klimaziele mehr Menschen für Bus und Bahn zu gewinnen“. Die Summe von 3,7 Milliarden Euro reiche aber nicht, um das ermäßigte Ticket zu kompensieren. „Die städtischen Verkehrsunternehmen schleppen spürbare Einnahmeverluste durch die Corona-Pandemie im Defizitrucksack“, schildert Dedy das Problem. Hinzu kämen die steigenden Energiepreise, die die Nahverkehrsunternehmen mit jeder Tankfüllung und an jedem Betriebstag belasteten.
Auch Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen Oliver Wolff ist skeptisch. In einer Pressemitteilung sagte er, es sei völlig offen, welche Kosten tatsächlich auf die Branche zukommen würden. Er unterstütze daher die Forderung der Verkehrsministerkonferenz, dass auch etwaige Mehrkosten, die den Verkehrsunternehmen aus dieser Aktion entstünden, durch den Bund ausgeglichen werden müssten. „Schließlich war es auch der Bund, der diese Maßnahme beschlossen hat“, so Wolff.
Bedenken hat auch Martin Becker-Rethmann, CEO des größten privaten Mobilitätsanbieters Transdev Deutschland. Grundsätzlich sei der Impuls, den öffentlichen Nahverkehr zum Thema zu machen und ihn zu fördern, gut, so Becker-Rethmann im Interview mit Klimaschutz Kommune. Für ihn stelle sich aber die Frage: „Ist das 9-Euro-Ticket auch nachhaltig? Und wie kann die womöglich kurzfristig geschaffene Attraktivität und Erkenntnisse daraus für die Zukunft genutzt werden?“
9-Euro-Tickt als „Riesenchance“
Von Bedenken will Bundesverkehrsminister Wissing allerdings nichts wissen: „Wir sollten das als Riesenchance sehen“, sagte er gegenüber dem Deutschlandfunk. Seit Jahren werde darüber diskutiert, dass mehr für den ÖPNV getan werden müsse und nun würde der Bund Milliarden in die Hand nehmen. Marco Trips, Präsident des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, sähe das Geld an anderer Stelle besser eingesetzt, beispielsweise für eine bessere Vertaktung im ländlichen Raum, wie er gegenüber dem NDR sagte. Insgesamt hält er das 9-Euro-Ticket für einen „ziemlich blödsinnigen Schnellschuss mit Blick auf Wählerstimmen“.
Wissing aber bleibt optimistisch: „Am Ende können wir die Daten analysieren und wissen genau, was wir verbessern müssen, damit Menschen auf den ÖPNV umsteigen.“