Mehr Tempo 30 in Kommunen: Das könnte vielerorts bald Realität werden. Im Juni hatte das Bundeskabinett eine Reform des Straßenverkehrsgesetzes beschlossen. Diese sieht mehr Freiheiten für Kommunen bei der Verkehrsgestaltung vor, u. a. bei der Einrichtung neuer Busspuren, autofreier Straßen, Radwege und Tempo-30-Zonen. Hintergrund für die Reform ist im Wesentlichen ein Versprechen im Koalitionsvertrag. Hier heißt es wörtlich: „Wir werden Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen.“ Der Gesetzesentwurf zum novellierten Straßenverkehrsgesetz soll bis Ende des Jahres im Bundesrat verabschiedet werden.
Kommunale Initiative fordert ortsbezogene Verkehrspolitik
Die Reform als wichtiger Schritt zur Verkehrswende wird vor allem seitens der Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“ begrüßt. Dieses von den Städten Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm gegründete kommunale Bündnis setzt sich seit 2021 gegenüber dem Bund für mehr Entscheidungsfreiheit bei einer stadtverträglichen Verkehrsgeschwindigkeit ein. Zum aktuellen Gesetzesentwurf sagte Sprecherin Frauke Burgdorff, Beigeordnete für Stadtentwicklung, Bau und Mobilität in Aachen, gegenüber dem Spiegel: „Die Tür ist endlich auf. Wenn die Reform des Straßenverkehrsgesetzes wie angekündigt umgesetzt wird, kommen wir einem Hauptziel der Initiative einen gewaltigen Schritt näher.“
Die Initiative wird aktuell von 914 Städten, Gemeinden und Landkreisen unterstützt. Sie wollen nach eigenen Angaben „selbst darüber entscheiden dürfen, wann und wo welche Geschwindigkeiten angeordnet werden – zielgerichtet, flexibel und ortsbezogen“. Hierzu gehört insbesondere eine Drosselung des innerstädtischen Verkehrs auf Tempo 30. Das Umweltbundesamt benennt mehrere Gründe, warum Kommunen zunehmend Tempo-30-Zonen auch an Hauptverkehrsstraßen einführen: Diese würden zu einer höheren Verkehrssicherheit, besserem Lärmschutz, Luftreinhaltung, Förderung von Fuß- und Radverkehr sowie einer höhere Aufenthaltsqualität beitragen. In einer Broschüre zum Thema bestätigt das Umweltbundesamt: „Nach jetziger Erkenntnislage haben die bestehenden Tempo-30-Regelungen an Hauptverkehrsstraßen überwiegend positive Wirkungen.“
Wissing: „Flächendeckend Tempo 30 ist vom Tisch“
Bisher durften Kommunen Tempo 30 nur an besonders gefährlichen Stellen sowie vor Schulen und Altenheimen anordnen – immer unter der Prämisse eines sicheren und flüssigen Verkehrs. Mit der Gesetzesnovelle eröffnen sich nun mehr Spielräume. Bundesverkehrsminister Volker Wissing betonte jedoch auch: „Es bleibt innerorts bei einer Richtgeschwindigkeit von 50 km/h. Flächendeckend Tempo 30 ist damit vom Tisch.“ Auch der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte dazu: „Es gibt viele große Durchgangsstraßen, die für Pendler, aber auch für Handwerker und Lieferanten wichtig sind. Hier würde ein generelles Tempolimit möglicherweise dazu führen, dass der Verkehr sich in die Wohngebiete verlagert und somit zu zusätzlichen Belastungen führt.“
Inwieweit diese Bedenken eine reale Relevanz haben, muss sicher noch untersucht werden. Eine Auswertung des Umweltbundesamts von Verkehrsdaten aus bisherigen Tempo-30-Anordnungen hat keine nennenswerte Zunahme von Schleichverkehr gezeigt. Um die Attraktivität der Hauptstraßen beizubehalten, sollte die Planung eines Tempolimits aber immer im Netzzusammenhang und gemeinsam mit der Qualität des Verkehrsflusses gedacht werden, so die generelle Empfehlung. Wichtiger für die subjektive Wahrnehmung und damit die Akzeptanz von Tempo 30 sei vielmehr die Homogenität des Verkehrsflusses. Der könne Messungen zufolge bei Tempo 30 besser sein als bei Tempo 50.