Der Personalmangel im öffentlichen Dienst hat sich in Deutschland zu einer der drängendsten Herausforderungen der letzten Jahre entwickelt. Besonders die Kommunen spüren die Folgen dieser Entwicklung massiv. „Die Daseinsvorsorge steht an ihrer Belastungsgrenze“, warnt Andre Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB). Derzeit sind mehr als 100.000 Stellen in den Kommunen unbesetzt, weil geeignetes Personal fehlt. Der Blick in die Zukunft gibt jedoch noch mehr Anlass zur Sorge: „In den kommenden zehn Jahren werden fast 500.000 der derzeit rund 1,65 Millionen Beschäftigten in den Ruhestand gehen“, prognostiziert Berghegger. Die Folge: Bis 2030 könnten den Gemeinden rund 230.000 Mitarbeitende fehlen.
Ursachen für Fachkräftemangel vielschichtig
Ein wesentlicher Faktor ist der demografische Wandel: Zahlreiche Beschäftigte gehen in den Ruhestand, während es an qualifiziertem Nachwuchs mangelt. Gleichzeitig konkurriert der öffentliche Dienst mit der Privatwirtschaft, die häufig attraktivere Gehaltsstrukturen und bessere Arbeitsbedingungen bietet. Darüber hinaus wächst der Aufgabenbereich des öffentlichen Dienstes stetig, – sei es durch die fortschreitende Digitalisierung, neue gesetzliche Vorgaben oder gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimaschutz – ohne dass das Personal entsprechend aufgestockt wird. Das Institut der Deutschen Wirtschaft führt auch das Bevölkerungswachstum sowie Reformen in der Sozial- und Steuerpolitik als Ursachen für den steigenden Verwaltungsaufwand an.
Engpässe in Verwaltung, Bildung und Infrastruktur
Besonders stark trifft der Personalmangel zentrale Bereiche wie die Kommunalverwaltung, Schulen, Kindertagesstätten, Polizei und Steuerverwaltung. Die Auswirkungen sind bereits deutlich spürbar: Verlängerte Bearbeitungszeiten führen zu erheblichen Verzögerungen bei Dienstleistungen wie Bauanträgen, Sozialhilfe oder Bürgeranfragen. Schulen und Kitas kämpfen mit Betreuungsengpässen, während die Infrastruktur leidet, weil Fachkräfte für Planung und Wartung fehlen. Besonders in ländlichen Regionen ist die Situation angespannt, da Abwanderung und Überalterung den Mangel weiter verschärfen. Diese Entwicklungen gefährden nicht nur die Daseinsvorsorge, sondern untergraben auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit ihrer Kommunen.
Digitalisierung im öffentlichen Dienst: Schweden als Vorreiter
Ein vielversprechender Lösungsansatz könnte in der Digitalisierung liegen. Andre Berghegger sieht großes Potenzial im Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) und kritisiert die zögerlichen Fortschritte in Deutschland: „Wenn wir die Digitalisierung weiterhin so schleppend vorantreiben, verspielen wir mutwillig unsere Zukunftschancen“, betont er. Technologische Innovationen könnten helfen, den Personalmangel zumindest teilweise auszugleichen. Eine McKinsey-Studie schätzt, dass durch den Einsatz von KI bis zu 165.000 Stellen im öffentlichen Dienst besetzt werden könnten.
Ein Blick ins Ausland zeigt, dass digitale Lösungen bereits erfolgreich eingesetzt werden. In Schweden bspw. konnte der Personalmangel in kommunalen Verwaltungen durch digitale Angebote und interkommunale Zusammenarbeit deutlich reduziert werden. Über 3.000 E-Services ermöglichen es den Bürgern und Bürgerinnen, Behördengänge online zu erledigen, und nahezu jede Behörde bietet eine eigene App zur Interaktion an. Die Zusammenarbeit zwischen Kommunen ermöglichte es, Ressourcen effizient zu nutzen und digitale Lösungen gemeinsam zu entwickeln, was zu einer bürgernahen und serviceorientierten Verwaltung führte.
Innovation und Zusammenarbeit als Schlüssel
Die Bewältigung des Fachkräftemangels in den Kommunen erfordert innovative Ansätze und verstärkte Zusammenarbeit. Technologische Innovationen wie Künstliche Intelligenz können Routineaufgaben übernehmen und Arbeitsprozesse effizienter gestalten. Gleichzeitig müssen Kommunen attraktive Arbeitsbedingungen schaffen – etwa durch flexible Arbeitszeiten und Weiterbildungsmöglichkeiten – um qualifiziertes Personal langfristig zu binden.
Auch die Kooperation mit der Privatwirtschaft spielt bei der Bewältigung der Krise eine Rolle. Partnerschaften in Bereichen wie Abfallwirtschaft, Infrastruktur, Digitalisierung und Energieversorgung könnten nicht nur zur Entlastung der Verwaltungen beitragen, sondern auch finanzielle Stabilität für die kommunalen Haushalte gewährleisten und eigenen sich zumindest teilweise als Lösung für den Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst. Wir berichteten bereits in einem unserer Leitartikel darüber.
Zu dieser Einschätzung kommt auch PricewaterhouseCoopers (PWC) in der Studie „Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst – Zehn Handlungsempfehlungen als Impuls für Entscheider:innen“. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen sieht vor allem Beschaffung, Liegenschaftsmanagement und IT-Betrieb als mögliche Bereiche, in denen ÖPPs die öffentliche Hand entlasten könnten. Dabei gelte es jedoch die zu übernehmenden Aufgaben „klar von verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Verantwortlichkeiten abzugrenzen“.