Die Gewinnerin des Deutschen Nachhaltigkeitspreises und erste Zero Waste City Deutschlands Kiel geht in Abfallbelangen wieder einmal als gutes Beispiel voran. Seit Juni laufen in der Landeshauptstadt gleich zwei neue Projekte, die Innovationen zur Abfallbekämpfung im öffentlichen Raum testen. Zum einen kommen seitdem 20 sogenannte Kippster – oder auch Kippen-Orakel – zum Einsatz. Diese bestehen aus einem Ja- und einem Nein-Aschenbecher, über die die Rauchenden über eine bestimmte Frage abstimmen können, indem sie ihre Kippen entweder in dem einen oder in dem anderen entsorgen. Zum anderen nutzt der Abfallwirtschaftsbetrieb Kiel (ABK) in einem dreimonatigen Pilotprojekt das KI-gestützte Messsystem CORTEXIA, um die Sauberkeit und verschiedenen Abfallfraktionen auf Kiels Straßen zu untersuchen.
16.000 bis 20.000 Kippen bereits im Kippster
Die aktuelle Kippster-Frage „Warst du schon in der Förde baden?“ soll demnächst gegen eine neue ersetzt werden. Was im Juni bei 18 Grad noch weitgehend verneint wurde, tendierte mit zunehmend wärmeren Temperaturen immer mehr gen Ja. Unabhängig von der Antwort zeitigte der Einsatz der Kippster mit ihrem Reiz zur Beantwortung einen sehr positiven Effekt: Pro Kippen-Orakel wurden zwischen 800 und 1.000 Kippen ordnungsgemäß entsorgt. In Summe macht das 16.000 bis 20.000 Zigarettenstummel, von denen ein Großteil vermutlich sonst auf der Straße gelandet wäre. Aufgrund des großen Effekts plant die Stadt nun, die Verwendung der Spezialaschenbecher weiter auszubauen.
Effizientere Verteilung durch CORTEXIA
Um unter anderem die Effizienz der Verteilung der „fragwürdigen“ Aschenbecher im Stadtgebiet zu untersuchen, wurde eine Kehrmaschine mit CORTEXIA-Messsystem losgeschickt. Das KI-System erkennt per Kamera im Vorbeifahren über 20 verschiedene Abfallarten und zeichnet auf, wo diese wann und in welcher Menge auftreten. Das ermöglicht beispielsweise, Heatmaps zu erstellen, die die Hotspots der unterschiedlichen Abfallfraktionen sichtbar machen – auch die von Zigarettenkippen. Auf Grundlage dieser präzisen Daten wurden mittlerweile zwei Kippster bereits an andere Stellen umgesetzt. Da die mit dem System bestückte Kehrmaschine während der Testphase nur im Stadtzentrum (im Juni) und in Gaarden (seit Juli) unterwegs ist, dürfte das gesamte Optimierungspotential vermutlich noch größer sein.
ABK verlängert Pilotphase mit CORTEXIA
Die Pilotphase mit CORTEXIA sollte ursprünglich drei Monate dauern und am 20. September 2023 enden. Inzwischen hat man sich jedoch mit REMONDIS Digital (dem Betreiber des Messsystems) auf eine Verlängerung um zweieinhalb Monate verständigt. Laut Jens Krause, Abteilungsleiter Straßenreinigung beim ABK, benötige man noch mehr Daten, um endgültig entscheiden zu können, ob ein dauerhafter Einsatz des Systems für die Stadt sinnvoll ist. Dabei geht es insbesondere um solche Erhebungen, die – über einen längeren Zeitraum durchgeführt – Aufschluss über temporäre Schwankungen im Abfallaufkommen in der Stadt geben, z. B. hinsichtlich Tourismus und Kreuzfahrtverkehr.