Altgeräte entsorgen auf dem Wertstoffhof Gehkah@Envato-Elements
Abfall 1. September 2022

Wertstoffhof bleibt zentrale Sammelstelle für Altgeräte

Seit dem 1. Juli können Bürger und Bürgerinnen ihre elektronischen Altgeräte auch im Supermarkt abgeben. Kommunale Rückgabestellen und Wertstoffhöfe verlieren damit keineswegs an Bedeutung. Sie teilen sich die Produktverantwortung bei der Rücknahme nach wie vor mit den Herstellern. Das aktuelle System läuft aber mehr schlecht als recht, findet Sebastian Schormann, Mitglied im Arbeitskreis Elektro des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e. V. (BDE). Im Interview erklärt er, wie es besser geht und welche Anforderungen es an Sammlung und Entsorgung von Altgeräten gibt.

Lieber Herr Schormann, was bedeutet geteilte Produktverantwortung?

Geteilte Produktverantwortung heißt: Kommunen übernehmen die Aufgabe der Sammlung und Erfassung und die Hersteller übernehmen die gesammelten Mengen – auch die Altgeräte – und entsorgen diese dann. Das Problem an der Sache ist die Qualität von Sammlung und Erfassung, die oftmals nicht besonders gut ist. Und das wiederum liegt am fehlenden Geld der Kommunen.

Denn um eine gewisse Erfassungsqualität zu haben und die Mitarbeiter auf den Wertstoffhöfen dahingehend richtig zu schulen (z. B. im Umgang mit ausgedienten Lithium-Ionen-Batterien), braucht es einfach Geld. Das kommt­ hier in Deutschland nicht vom Hersteller – wie es z. B. in anderen Ländern der Fall ist –, sondern wird über die Abfallgebühren der Bürgerinnen und Bürger finanziert. Und die sind nicht sehr hoch. Das könnte man alles ein bisschen anders machen.

Was schlagen Sie da vor?

Die ear (stiftung elektro-altgeräte register) weiß beispielsweise genau, was pro Kommune gesammelt wurde. Hier könnte man z. B. eine Art Bonus-Malus-System etablieren: Die Kommune wird für die Erbringung ihrer Aufgabe bezahlt und für die Nicht-Erbringung eben nicht, bei überdurchschnittlicher Erfassung kann es auch eine Belohnung geben. Als objektiver Parameter könnte dann z. B. die durchschnittliche Beladung der Container ausschlaggebend sein. Diese sind nämlich in manchen Fällen nur zur Hälfte voll, so dass doppelt so oft gefahren werden muss, um die eigentliche Zielmenge zu bewegen. Das ist auch nicht im Sinne der . Die aktuelle Gesetzgebung gibt eigentlich auch eine Mindestabholmenge vor, es gibt aber keine Sanktionen, wenn diese nicht erfüllt wird.

Warum übernehmen die Hersteller Sammlung und Erfassung nicht gleich selbst?

Die Wahrheit ist, dass die Hersteller niemals in der Lage wären, ein anderes Sammelsystem aufzubauen. Wenn ich einen kommunalen betreibe und habe da 20 Container stehen, dann stelle ich für die elektronischen Altgeräte eben noch ein paar dazu – da ist der Mehraufwand minimal. Für einen Hersteller, dessen eigentliche Produktionsstandorte nicht dafür geeignet sind, Publikumsverkehr aufzunehmen – und die häufig noch nicht mal in Deutschland sind –, ist der Aufbau einer Sammelstelle mit deutlich höheren Kosten verbunden. Hier sitzen die Kommunen am längeren Hebel.

Ist eine Verbesserung des aktuellen Systems in Sichtweite?

Politisch wird sich da in Deutschland erstmal nichts bewegen. Es sei denn, der Druck aus Brüssel wird so groß, weil wir die Sammelmengen deutlich verfehlen.

Altgeräte: Rückgabe im Lebensmittelhandel möglich

Seit dem 1. Juli können Bürger und Bürgerinnen ihre Altgeräte auch im Lebensmittelladen abgeben. Zur Rücknahme sind alle Läden ab einer Größe von 800 Quadratmetern verpflichtet. Lösen die Supermärkte jetzt den kommunalen Wertstoffhof ab?

Diese Neuregelung ist aus Bürgersicht natürlich sehr komfortabel. Gerade in größeren Städten haben die Leute oftmals kein Auto und Wertstoffhöfe liegen häufig eher außerhalb, auch die Öffnungszeiten sind sehr unterschiedlich – von bürgerfreundlich bis bürgerfeindlich. Das hat bislang dazu geführt, dass Kleingeräte gern auch einfach im Restmüll entsorgt werden. Das führt wiederum dazu, dass in Deutschland ungefähr ein Kilogramm pro Einwohner und Jahr im Restmüll landet, dort wo er keinesfalls hingehört.

Gerade bei Smartphones und Akkus ist das ein gefährliches Thema: Immer mehr Anlagen brennen ab, bei denen eigentlich gar keine Lithium-Batterien ankommen dürften. Mit der Rückgabemöglichkeit über den Lebensmitteleinzelhandel können sich die Bürgerinnen und Bürger zumindest bei Kleingeräten den Weg zum Wertstoffhof sparen. Größere Altgeräte müssen – wenn sie nicht durch ein neues gleichwertiges Gerät im Laden ersetzt werden – nach wie vor dort abgegeben werden.

Was meinen Sie, sind die Supermärkte gut gerüstet für ihre neue Aufgabe?

Das ist schwer zu sagen. Ein Supermarkt hat wenig Platz, jeder Quadratmeter ist verplant. Hinzu kommt die bereits beschriebene Brandgefahr. Die meisten Betreiber sind bei dem Thema sehr zurückhaltend, weil sie noch nicht abschätzen können, wie groß die tatsächlichen Rücklaufmengen sein werden. Je nachdem, ob diese neue Möglichkeit zur Rückgabe gut angenommen wird, müssten sie unserer Einschätzung nach noch einmal umdisponieren. Den Wertstoffhof ersetzen werden sie definitiv nicht.

6 Gruppen für eine saubere Verwertung

Wie müssen Altgeräte erfasst werden, damit eine saubere Verwertung möglich ist?

Von Gesetzes wegen gibt es hier sechs Gruppen. Diese werden in unterschiedlichen Behältern gesammelt und auch auf verschiedenen Wegen verwertet und entsorgt.

Gruppe eins umfasst die Wärmeüberträger, das sind klassischerweise Kühlgeräte und Klimaanlagen – alles, was ein Kühlkreislauf hat, der nicht mit Wasser gefüllt ist. Gruppe zwei sind die Bildschirmgeräte mit einer Fläche ab 100 Quadratzentimetern. Hierunter fallen beispielsweise iPad und Fernseher. Immer noch im großen Stil kommen Bildröhrengeräte zurück, die gewichtstechnisch oftmals über die Hälfte des Rücklaufs ausmachen. Bei dieser Fernsehergeneration spielt dann auch Quecksilber eine Rolle, das freigesetzt werden kann. Deswegen machen viele andere Länder an dieser Stelle eine separate Erfassung.

Das heißt, jedes Gerät, das auf dem Wertstoffhof ankommt, wird einzeln erfasst?

Nicht zwingend. Es ist sehr unterschiedlich, wie Wertstoffhöfe das organisieren. Viele lassen den Bürgerinnen und Bürgern mehr oder weniger freie Hand und zeigen nur den jeweiligen Container an. Dadurch gelangen auch mal Geräte in den falschen Behälter. Dann gibt es Wertstoffhöfe, die machen eine Nachsortierung und packen die gravierendsten Fehlwürfe noch einmal um. Die ear stellt Kommunen übrigens kostenlos Informationsmaterial zur Verfügung, wie sie ihre Abfallkategorien kennzeichnen können.

Gibt es weitere Geräte in dieser Kategorie?

In Gruppe zwei befinden sich auch batteriehaltige Bildschirmgeräte. Die dürfen nicht in die sogenannte lose Schüttung, wo normale Fernseher und Computermonitore abgeladen werden. Hierbei können Beschädigungen auftreten, die für Tablets, Laptops und Co. gefährlich sind. Deshalb müssen sie gemäß gefahrgutrechtlicher Anforderungen in kleineren Transporteinheiten, z. B. in Gitterboxen mit Inlays, gesammelt werden.

Was ist mit anderen Geräten, die gefährliche Stoffe wie Quecksilber enthalten, z. B. Lampen und Leuchtstoffröhren?

Die fallen in Gruppe drei. Hierzu gehören auch Energiespar- und LED-Lampen. Diese kleinen Einheiten werden in kleineren, teilweise sehr unterschiedlichen Behältern gesammelt: Für beschädigte Lampen gibt es Spannringfässer, die dann versiegelt werden, es gibt Gitterboxen mit Inlays oder spezielle Metallboxen, um Bruch zu vermeiden.

Dann haben wir Gruppe vier, die Großgeräte. Das sind alle Geräte mit einer Kantenlänge größer fünfzig Zentimeter. Hier unterscheidet man drei verschiedene Transporteinheiten. Das ist einmal die weiße Ware, wie Spülmaschine, Trockner, Waschmaschine, Herd, Backofen. Auf Grundlage europäischer Vorgaben fallen in diese Kategorie aber auch all jene Geräte, die keine Kühlgeräte, keine Bildschirme und keine Lampen, aber größer als fünfzig Zentimeter sind.

Das heißt: Wenn ich einen Staubsauger habe, der 51 Zentimeter lang ist, dann ist dieser als Großgerät zu klassifizieren. Ein Staubsauger mit 49 Zentimeter Länge gehört dagegen zu den Kleingeräten. Das sorgt auf den Wertstoffhöfen natürlich für Probleme. Wer weiß schon, ob sein Staubsauger 51 oder 49 Zentimeter lang ist, wenn er vor dem Container steht? Für die Verwertung macht das übrigens keinen Unterschied, denn ein Staubsauger wird immer gleich behandelt. Das ist für das nicht so elegant. Andere Länder haben diese Vorgabe auch nicht umgesetzt.

Dann haben wir wieder eine Einheit für batteriehaltige Großgeräte. Die dritte Transporteinheit sind Nachtspeicherheizgeräte und Wärmespeicheröfen, die auch heute noch regional sehr unterschiedlich stark zurückkommen. Im Rahmen der Energiewende gibt es auch teilweise wieder viele Neubauten oder Gebäuderenovierungen, bei denen Nachtspeicher neu eingesetzt werden, d. h. der Markt besteht weiterhin. Die älteren Geräte werden separat auf Paletten gesammelt und müssen entsprechend besonderer Vorgaben verpackt werden, um beispielsweise die Freisetzung von Asbest zu verhindern. Auch die chromhaltigen Speichersteine haben durchaus Gefährdungspotential.

Dann haben wir noch Gruppe fünf und sechs…

Gruppe fünf sind Kleingeräte bis 50 Zentimeter: Kaffeemaschine, Toaster, Fön, Staubsauger. Hierzu gehören auch der normale PC und die HiFi-Anlage, sofern sie kleiner als 50 Zentimeter sind. Und zu guter Letzt haben wir noch die Gruppe sechs: Photovoltaikmodule. Da gibt es immer wieder Diskussionen über das richtige Behältnis. Teilweise werden die unterschiedlich großen Module auf Paletten gesammelt. Hier ist der perfekte Behälter noch nicht gefunden.

Was für gefährliche Elemente finden sich in Altgeräten? Mal abgesehen von den bereits genannten Lithium-Ionen, Quecksilber und Asbest.

Bei den Kühlgeräten enthalten die meisten noch FCKW, sowohl im Kältekreislauf als auch in der Isolierung. Hier ist es also ganz wichtig, dass diese den richtigen Entsorgungsweg gehen. Bei den Bildröhrengeräten ist Blei ein Thema, das bei Zerstörung in die Umgebung gelangen kann. Was bei Bildschirmen eine Rolle spielt, sind bromierte Flammschutzhemmer. Die sorgen im Normalbetrieb dafür, dass sich Kunststoffe nicht verformen oder anfangen, zu brennen. In den Großgeräten können schadstoffhaltige Kondensatoren enthalten sein, gerade in der älteren Gerätegeneration – Stichwort PCB. Teilweise gibt es auch Isolationsmaterial in Backöfen, von dem auch eine gewisse Gefährdung ausgehen kann.

Im Bereich der kleinen Geräte haben wir ein buntes Sammelsurium, das reicht von Lithium-Ionen über Quecksilber bis hin zum Tonerstaub beim Drucker. Hin und wieder werden auch Geräte mit strahlenden Bestandteilen auf dem Wertstoffhof entsorgt, obwohl diese Geräte nicht unter das ElektroG fallen.

Wertstoffhof als Rohstofflager

Und welche Wertstoffe stecken im Elektroschrott?

Ein wichtiges Element ist in vielen Bereichen Stahl. Vor allem bei Kühlgeräten und Großgeräten können saubere Stahlfraktionen gewonnen und zur Wiederaufbereitung an Stahlwerke gegeben werden. Dann spielen natürlich auch Kunststoffe eine Rolle. Diese werden im Rahmen der Vorbehandlungsprozesse separiert. Fraglich ist jedoch immer, welche Kunststoffe überhaupt noch recycelt werden können und welche nicht. Kupfer kann aus entsprechenden Kabeln oder zerkleinerten Elektromotoren gewonnen und weiterverwertet werden. Auch Aluminium und natürlich Edelmetalle, die beispielsweise in Leiterplatten eingebracht sind, sind ein Thema. Hier haben wir Gold, Silber und auch Palladium. Diese Metalle sollen natürlich möglichst hochwertig zurückgewonnen werden.

Wie hoch ist der Anteil von recycelten Stoffen und wie viel muss noch verbrannt werden?

Wie hoch der Recyclinganteil in einer Gerätegruppe ist, hängt teilweise von gesetzlich festgelegten Grenzwerten ab. Beispiel Kunststoff: Hier kann es sein, dass ein Teil der 10 bis 20 %, die ich heute ins Recycling gebe, von jetzt auf gleich der energetischen Verwertung zugeführt werden muss. Dadurch wird die Verwertungsquote schlechter, obwohl sich eigentlich nichts am Abfallaufkommen geändert hat. In Teilgruppen ist es auch sehr schwierig, die Vorgaben einzuhalten. Aber nicht, weil die Anlagen nicht gut sind, sondern weil sich die Materialzusammensetzung geändert hat, in Materialien, die schlecht zu recyceln sind.

Im Rahmen des Recyclingprozesses können bestimmte Stoffe zwar gewonnen und weiterverarbeitet werden, aber eben nicht alles. Das ist technisch aktuell – und auch in absehbarer Zeit – einfach nicht möglich.

Vielen Dank für das Gespräch!

Trinkbrunnen und Begrünung in der Schadowstraße in Düsseldorf.

Sebastian Schormann

  • Mitglied im Arbeitskreis Elektro des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e. V. (BDE); engagiert sich besonders für den Themenbereich „Herstellerverantwortung“ und „Altgeräte-Rücknahme“
  • 12 Jahre Berufserfahrung bei REMONDIS Elektrorecycling und als Geschäftsführer von WEEE Return; Tätigkeiten im Vertrieb, Key Account und Projektmanagement
  • Bachelor of Arts im Bereich Business Administration an der BA Hessischen Berufsakademie in Bochum
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