Sehr geehrter Herr Hasenkamp, was genau sind die Aufgaben vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU)?
Der Verband kommunaler Unternehmen ist die Interessenvertretung der kommunalen Versorgungs- und Entsorgungswirtschaft in Deutschland. Über 1.500 Mitgliedsunternehmen sind im VKU organisiert. Die sind vor allem in der Energieversorgung, der Wasser- und Abwasserwirtschaft, der Abfallwirtschaft und Stadtsauberkeit sowie im Bereich Telekommunikation tätig.
Konkret im Bereich der Abfallwirtschaft begleitet der VKU die Politik- und Rechtsentwicklung. Hier kommentiert der Verband auf Landes-, Bundes- und Europaebene beispielsweise neue Gesetzes- und Verordnungsentwürfe, die für die Branche relevant sind. Außerdem berät er seine Mitgliedsunternehmen fachlich wie rechtlich.
Was sind derzeit die wichtigsten Themen, die den VKU und seine Mitgliedsunternehmen bewegen bzw. herausfordern?
Im Bereich der Abfallwirtschaft ist das die „nachhaltige Abfallentsorgung“. So soll etwa die Abfallsammlung über eine Mindestquote an Abfallfahrzeugen mit alternativen Antrieben, wie vollelektrische Fahrzeuge oder Brennstoffzellenfahrzeuge, klimafreundlicher werden. Ein anderer Bereich betrifft die Sammelquoten für bestimmte Wertstoffe, wie Elektroaltgeräte. Die müssen entsprechend den rechtlichen Vorgaben weiter gesteigert werden. Hierfür identifizieren wir u. a. durch Umfragen bei den Mitgliedsunternehmen Best practice-Beispiele für eine möglichst effiziente Sammlung.
Die steigenden Kosten der Abfallentsorgung sind eine weitere Herausforderung: Zum einen aufgrund der derzeitigen Preissteigerungen allgemein; zum anderen aufgrund politisch gesetzter Preissignale. Hierzu gehört das Brennstoffemissionshandelsgesetz, das die Abfallverbrennung mit Kosten belastet. Auch der Fachkräftemangel ist ein wichtiges Thema.
Mit Fortbildungsangeboten gegen Fachkräftemangel
In welchen Bereichen spüren Kommunen den Fachkräftemangel besonders stark?
Der Fachkräftemangel ist in allen Bereichen spürbar. Im operativen Bereich fehlen Kraftfahrzeugführerinnen und -führer, Werkstattpersonal sowie Fachkräfte für Kreislaufwirtschaft. Im administrativen Bereich sind Fachkräfte wie Controller oder Informatiker sowie Führungskräfte rar.
Welche Maßnahmen ergreifen Kommunen hier, um Lösungen zu schaffen?
In der Ver- und Entsorgungswirtschaft wird derzeit das Thema der Arbeitgeberattraktivität sowie die Bindung von Beschäftigten immer wichtiger. Viele kommunale Betriebe bilden ihr Personal zumindest teilweise selbst aus. So werden etwa Kraftfahrerinnen und -fahrer oder Fachkräfte für Kreislaufwirtschaft häufig intern ausgebildet und nach Abschluss übernommen. Dies trägt auch zu einer Bindung des Personals an das jeweilige Unternehmen bei.
Dieser Weg wird auch weiter wichtig bleiben. In verschiedenen Regionen gibt es aktuell u. a. einen Mangel an Fachkräften für die Schadstoffannahme. Diese erfordert eine chemiespezifische Ausbildung. Entsprechend ausgebildete Personen interessieren sich aber häufig nicht für einen Einsatz auf Wertstoffhöfen oder in Schadstoffmobilen. Deshalb setzt sich der VKU dafür ein, dass diese meist erfahrenen gewerblichen Mitarbeitenden durch eine geeignete intensive Weiterbildung bzgl. des sicheren Umgangs mit Schad-und Gefahrstoffen zu Fachkräften für die Schadstoffannahme fortgebildet werden.
Alternative Antriebe für mehr Nachhaltigkeit
Seit 2021 gilt das „Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge“ für die öffentliche Auftragsvergabe. Hier sind erstmals verbindliche Mindestziele für die Beschaffung von emissionsarmen und -freien Pkw sowie leichten und schweren Nutzfahrzeugen formuliert. Wie setzen Sie dieses um – intern und gegenüber Dienstleistern bei Beschaffungsvorgängen?
Die kommunalen Abfallwirtschaftsbetriebe betrifft diese Regelung besonderes bei den Abfallsammelfahrzeugen. Diese gelten als schwere Nutzfahrzeuge. Im ersten Zeitraum von 2021 bis 2025 müssen zehn Prozent der hier neu beschafften Fahrzeuge „sauber“ sein. Das bedeutet, sie fahren mit alternativen Kraftstoffen wie Strom, Wasserstoff, Erdgas, synthetischen oder biogenen Kraftstoffen.
Dementsprechend müssen die Bedingungen in den Vergabeunterlagen beim Erwerb neuer Fahrzeuge für den kommunalen Fuhrpark gestaltet werden. Im Übrigen gilt die Vorgabe auch, wenn etwa die Abfallsammlung an Dritte vergeben wird. Dann muss der Dritte nachweisen, dass er die Quote im Rahmen des Auftrags einhält.
Welche Maßnahmen bezüglich Nachhaltigkeit sind in der Mitgliedschaft in den nächsten Jahren geplant?
Hier gibt es unterschiedliche Ansätze. Einerseits soll das Emissionsniveau der Fahrzeuge verbessert werden. Andererseits richten wir unseren Fokus darauf, den Bereich der Wiederverwendung auszuweiten. Das betrifft die Rückführung von Altgegenständen in den Wirtschaftskreislauf, beispielsweise über Gebrauchtwarenkaufhäuser und über Online-Angebote im Bereich Sperrabfall, Elektroaltgeräte, Accessoires etc. Alle diese Maßnahmen tragen dazu bei, Abfall zu vermeiden und Kreislaufwirtschaft zu fördern.
Darüber hinaus engagieren sich die kommunalen Unternehmen mit geeigneten Erfassungssystemen und öffentlichkeitswirksamen Kampagnen intensiv für die Steigerung der Wertstoffmengen. Das betrifft unter anderem den Bereich Bioabfall und Elektro- und Elektronikaltgeräte.
Ideen für Transformation des Vergaberechts
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) will das Vergaberecht transformieren. Betroffene Organisationen, Unternehmen und Verbände konnten in einer Konsultation eigene Ideen und Einschätzungen hierzu einbringen. Hat sich der VKU hieran beteiligt? Was sind für Sie die wichtigsten Punkte zur Verbesserung und Vereinfachung von Beschaffungen?
Der VKU hat sich an der Konsultation beteiligt und dabei folgende wesentlichen Aspekte angeführt: Der VKU unterstützt das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel, die öffentlichen Vergabeverfahren zu vereinfachen, zu professionalisieren, zu digitalisieren und zu beschleunigen. Ebenfalls halten wir es für richtig, die öffentliche Beschaffung und Vergabe wirtschaftlich, sozial, ökologisch, mittelstandsfreundlich und innovativ auszurichten.
Eine Stärkung der vorgenannten Aspekte darf aber nicht im Konflikt mit dem eigentlichen Zweck von Vergabeverfahren stehen: der erfolgreichen Beschaffung von Auftraggebern. Etwaige Weiterentwicklungen von Vergabekriterien müssen somit folgende Grundsätze einhalten:
- Vergabeverfahren werden vereinfacht.
- Potentielle Bieter werden ermutigt, ein Angebot abzugeben – und nicht durch neue Vorgaben abgeschreckt.
- Die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung der öffentlichen Hand wird gesteigert – und nicht in Folge eines Rückgangs der Angebote gefährdet.
- Weitergehende soziale oder ökologische Kosten dürfen die betreffenden Auftraggeber nicht wirtschaftlich belasten.
Wir empfehlen dringend, die Berücksichtigung sozialer, ökologischer und innovativer Kriterien optional auszugestalten – und nicht obligatorisch. So können die ambitionierten Ziele erreicht werden, ohne weiteren Aufwand für Bieter sowie Auftraggeber zu verursachen.
Denn letztendlich können die jeweiligen Auftraggeber am besten einschätzen, ob bei einem bestimmten Beschaffungsvorgang entsprechende soziale, ökologische und innovative Ziele mit angemessenem Aufwand erreicht werden können. Obligatorische Vorgaben gehören dagegen in die Fachgesetze außerhalb des Vergaberechts im engeren Sinne. Die Stellungnahme des VKU ist in voller Länge auf der Internetseite des Ministeriums abrufbar.
Vielen Dank für das Gespräch!