Lieber Herr Scheffler, was sind die wesentlichen Geschäftsfelder der FES?
Die FES ist verantwortlich für die kommunale Abfallentsorgung und Straßenreinigung in Frankfurt am Main und Umlandkommunen. Als ÖPP haben wir seit 1998 außerdem ein umfangreiches gewerbliches Geschäft mit dem Schwerpunkt auf Entsorgung und Reinigung aufgebaut. Unser Angebot reicht bis hin zu Containerdiensten und Entsorgung von Sonderabfällen wie flüssigen Abfällen und Fäkalien. Zudem betreiben wir eine Vielzahl von Entsorgungsanlagen. Damit entsprechen wir den Vorstellungen, die die Stadt an die öffentlich-private Partnerschaft(ÖPP) mit dem Entsorgungsunternehmen REMONDIS hat: Die kommunalen Abfälle, die wir in Frankfurt sammeln, werden auch vor Ort behandelt, beispielsweise in unserem Müllheizkraftwerk (MHKW).
Wie sehen die Eigentumsverhältnisse bei der FES genau aus?
Die Stadt hält 51 Prozent der FES und REMONDIS 49 Prozent. Trotz Minderheitsbeteiligung hat REMONDIS die unternehmerische Führung inne. Da hält sich die Stadt Frankfurt raus und überlässt das Tagesgeschäft dem Partner, was auch im Sinne einer ÖPP ist. Unsere ÖPP besteht mittlerweile seit 25 Jahren und ist zwischenzeitlich erneuert worden, da die Versorgungsverträge turnusgemäß ausgelaufen waren. In einem Bieterwettbewerb hatte die Stadt den 49 Prozent-Anteil neu ausgeschrieben – und REMONDIS letztlich den Zuschlag bekommen. Aus Sicht des Entsorgungsunternehmens hat unsere ÖPP damals wie heute Modellcharakter. Der besondere Punkt an der Verlängerung ist, dass man mit der EU-Kommission im Vorfeld abgestimmt hatte, den Wettbewerb um die Dienstleistungsaufträge durch einen Wettbewerb um die private Beteiligung an der Gesellschaft zu ersetzen.
Ein weiterer bemerkenswerter Punkt an dieser Ausschreibung ist, dass die Stadt nicht nur den Bieterpreis für den 49 Prozent-Anteil zum Kriterium für die Angebotsbewertung gemacht hat. Auch qualitative Kriterien waren ausschlaggebend, wie Beiträge des privaten Partners zur Klimaneutralität, zur Luftreinhaltung und zum Lärmschutz sowie allgemeine Beiträge zur Weiterentwicklung des Unternehmens, wie die Einbindung ins bundesweite Stoffstrommanagement. Digitalisierung war ebenfalls ein ganz wichtiges Thema: Im Konsortialvertrag haben beide Gesellschafter vereinbart, dass die FES innerhalb der deutschen Entsorgungsbranche Vorreiter in der Digitalisierung werden soll.
Welche digitalen Technologien nutzt die FES, um ihren Service effizienter zu machen?
Alle Fahrzeuge, die wir einsetzen, sind mit elektronischen Devices ausgestattet. Diese zeichnen auf, wo das Fahrzeug hinfährt und wann beispielsweise der Besen einer Kehrmaschine im Einsatz ist. So wissen wir immer, wo wir wann waren und was wir da gemacht haben. Auch die Papierkorbleerungen werden digital erfasst. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass wir hierdurch zum ersten Mal ein vollständiges Kataster aller Papierkörbe und Sinkkästen in Frankfurt haben.
Im Augenblick läuft bei Ihnen auch eine Pilotphase mit dem KI-basierten System CORTEXIA…
Das ist richtig. Wir haben schon 1998, damals als eines der ersten Unternehmen in Deutschland, zusammen mit einem Beratungsinstitut in Westfalen ein System für eine pseudoobjektive Bewertung der Reinigungsqualität von Straßenentwickelt. Das könnte man als Vorstufe des KI-basierten Tools bezeichnen. Bei dem System CORTEXIA werden mittels Kamera und KI-Software im Vorbeifahren Bilder der Umgebung gemacht und herumliegende Abfälle wieZigarettenkippen, Ablagerungen oder Hundehaufen erfasst und gezählt. Auf dieser Basis bekommen wir in Echtzeit einen Überblick über den Reinigungserfolg und den Sauberkeitsgrad von Straßenabschnitten in der ganzen Stadt. Aktuell sind fünf Kehrmaschinen mit diesem System ausgestattet. Mit unseren Abfallsammelfahrzeugen sind wir zudem mindestens einmal in der Woche in jeder Straße in Frankfurt unterwegs und haben insofern immer aktuelle Zahlen zur Hand.
Alternative Antriebe bei der FES
Mit dem Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz bzw. der Clean Vehicles Directive sind Kommunen und kommunale Unternehmen dazu angehalten, auch den Fahrzeugpool auf „sauber“ umzustellen. Für welche alternativen Antriebe hat sich die FES entschieden?
Wir haben uns relativ früh auf die vollelektrischen Fahrzeuge konzentriert und verschiedene Hersteller getestet – sowohl Firmen, die neue Fahrzeuge bauen, als auch solche, die Fahrzeuge umbauen. Unser Haus- und Hofhersteller Mercedes hat uns dann den vollelektrischen eEconic angeboten. Den haben wir auch beschafft und nutzen inzwischen acht Fahrzeuge, weitere sind bereits bestellt. Wie wirtschaftlich das letztlich ist, werden wir jetzt erproben. Es geht ja das Gerücht um, dass die Instandhaltung elektrischer Fahrzeuge kostengünstiger ist, als die von Dieselfahrzeugen.
Wie sieht Ihre Ladeinfrastruktur aus?
Für den privaten Mobilitätsanbieter Transdev, der ein Linienbündel im Frankfurter Norden mit 13 vollelektrischen Bussen betreibt, haben wir eine Ladeinfrastruktur aufgebaut. Hierbei wird der Strom aus unserem nahegelegenen Müllheizkraftwerk vertankt. Das Ganze war von Anfang an so ausgelegt, dass wir auch unsere Abfallsammelfahrzeuge dort mitbetanken können. Das hat aber auch nur funktioniert, weil wir einen großen Stromerzeuger direkt vor Ort haben. Denn die Strommengen, die nachts für die Busse und Abfallsammelfahrzeuge benötigt werden, sind enorm. Hier war es eine gute Idee, schon früh in die alternative Energieerzeugung zu investieren.
Wie sieht die Erzeugung alternativer Energien konkret bei Ihnen aus?
In unserem MHKW in der Nordweststadt haben wir schon immer einen halbgrünen Strom produziert. Auch unsere Bioabfallbehandlungsanlage hat am Anfang viele Jahre lang Strom produziert, der bei der Verbrennung von Biogas entstanden ist. Die Anlage versorgt sich vollkommen selbst mit Strom und Wärme. 2016 haben wir einen zweiten Fermenter gebaut, um zusätzlich noch Bioabfälle aus dem Landkreis Offenbach verarbeiten zu können. Bei der Gelegenheit haben wir dann entschieden, das Gas zu Biomethan aufzubereiten und nicht einfach nur zu verbrennen. Wir verstromen nur so viel Gas, wie wir brauchen, um mit den Generatoren die Prozesswärme zu erzeugen. In diesem Jahr werden wir 25.000 Megawattstunden Gas ins Netz einspeisen.
Nachhaltige Abfallwirtschaft durch Innovationen
In puncto Nachhaltigkeit sind Sie gut aufgestellt – nicht nur im Bereich Mobilität und Energie. Seit 2021 bietet die FES den kostenlosen Altkleiderservice Klamoddekurier an. Wie läuft das bei Ihnen hier in Frankfurt genau?
Wie jede andere Kommune muss auch Frankfurt bis 2025 ein flächendeckendes System für die Altkleidersammlung eingeführt haben. Die Stadt hat aber noch nicht entschieden, wie das genau aussehen soll. Der Klamoddekurier ist ein Modellversuch, der wegen des großen Erfolgs um ein Jahr verlängert wurde. Wir haben diesen Service, also die Direktabholung von Altkleidern mit Elektrofahrrädern, nicht selbst erfunden – Vorbild hierfür ist der Textiltiger in Hamburg. Bürgerinnen und Bürger bestellen den Kurier in einer App oder im Internet, können dann den Termin buchen und auf Basis der Terminbuchung werden die Touren täglich automatisch geplant. Wir haben mit diesem Projekt so viel Aufmerksamkeit erzeugt, wie mit keinem anderen. Ob sich die Stadt letztlich aber für den Klamoddekurier als Sammelsystem entscheidet, wissen wir nicht.
Frankfurt möchte Zero Waste City werden. Um dieses Vorhaben zu unterstützen, hat die FES ein Zero Waste Lab ins Leben gerufen. Was wird hier genau gemacht und welche Ergebnisse gibt es nach einem Jahr Arbeit?
Das Zero Waste Lab ist eine Art Plattform, um alle Initiativen und Gruppierungen zum Thema Zero Waste in der Stadt zu bündeln und damit effizienter zu machen. Wir haben dieses Lab vor einem Jahr im Auftrag der Stadt Frankfurt ins Leben gerufen. Es bietet die Möglichkeit, Vorschläge zum Thema, Abfallvermeidung oder Wiederverwendung einzureichen. Die Ideen werden von einem Expertengremium bewertet und auf Umsetzbarkeit überprüft. Aktuell gibt es vier Vorschläge, die für realisierbar befunden wurden und nun als Projekt in der Umsetzung sind. Die Bandbreite reicht von neuen biotechnischen Verfahren bei der Abfallsortierung bis zur spielerischen Anreizgebung mittels App. Unter den Vorschlägen ist auch ein Tausch-Lokal, das auf den Wiederverwendungsgedanken einzahlt, und eine Ausstellung übers Reparieren.
ÖPP als Faktor für wirtschaftlichen Erfolg der FES
Sie haben es bereits erwähnt: Die FES ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Frankfurt und des Entsorgungsunternehmens REMONDIS. Inwiefern profitieren Sie von der Zusammenarbeit mit dem privaten Partner?
Neben dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit im Unternehmen profitieren wir massiv davon, dass uns der privater Partner mit fachlichem Know-how beim klassischen Entsorgungsgeschäft unterstützt. Um nur ein aktuelles Beispiel zu nennen: Für die Aufbereitung von Verbrennungsschlacken betreiben wir eine entsprechende Anlage, die wir erneuern mussten. Bei dem Vorhaben, diese auf den neuesten technologischen Stand zu bringen, hatten wir mit der Planungsgruppe in Lünen einen fantastischen Brainpool an der Seite. Die kennen sich bestens aus und beraten uns in allen Belangen kompetent und umfassend.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit auf Stadtratsebene?
Ich habe den Eindruck, dass diese ÖPP einfach zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Auch im Rahmen der Vertragsverlängerung gab es keine große Diskussion. Die Fraktion der Linken prangert zwar schon immer an, dass diese ÖPP nur der Gewinnmaximierung des privaten Partners diene. Denen scheint aber nicht bewusst zu sein, dass die guten Ergebnisse der FES in den vergangenen Jahren deshalb zustande gekommen sind, weil der private Partner seit 1998 auf Wirtschaftlichkeit achtet. In der SPD hat es auch Vertreter gegeben, die eine Rekommunalisierung ins Spiel gebracht haben. Hier hat unser Betriebsrat aber klar gemacht, dass die Mitarbeitenden der FES keine Rekommunalisierung wollen, sondern das bestehende System gut finden.
Wie wird das Thema ÖPP in der Öffentlichkeit kommuniziert und wie wird es von der Presse aufbereitet?
Bisher hat es keine große Kontroverse in der Frankfurter Öffentlichkeit zu dieser ÖPP gegeben. Das Thema wurde nie grundsätzlich in Frage gestellt. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass die öffentliche Zufriedenheit mit der Abfallsammlung und der Straßenreinigung hier sehr hoch ist. „Never change a running system“, sagen sich Politik und auch die Medien. Die stabilen Gebühren spielen in diesem Kontext sicher auch eine wesentliche Rolle.
Vielen Dank für das Gespräch!