Lieber Herr Mähler, als Klimaschutzmanager engagieren Sie sich für weniger CO2 und mehr Grün in Würzburg. Wie genau sieht Ihre Arbeit dabei aus?
Vielseitig und abwechslungsreich – damit lässt sich das ganze wohl am besten zusammenfassen. Zu meinen Aufgaben gehören unter anderem Öffentlichkeitsarbeit und Beratung. Das heißt, dass ich viel Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern habe. Dazu kommt das Anschieben verschiedenster Klimaschutzprojekte, sowohl stadtintern als auch mit externen Partnern. Eine meiner Lieblingsaufgaben ist die Abwicklung der Förderung für Dach- und Fassadenbegrünung. Einen kleinen Teil beizutragen, die Stadt ein wenig grüner zu machen, kommt meiner Naturverbundenheit sehr entgegen. Vor allem da man diese Ergebnisse direkt sehen und greifen kann, während man die Ergebnisse anderer Klimaschutzprojekte – eingesparte Treibhausgasemissionen – erst über Umwege, wie der Erstellung einer Treibhausgasbilanz, fassen kann. Aber gerade auch diese Arbeit und das Sichtbarmachen der erzielten Fortschritte haben natürlich ihren Reiz!
Bereits 2012 hat die Stadt Würzburg ein Klimaschutzkonzept vorgelegt. Was konnte von den darin formulierten Zielen bis heute umgesetzt werden?
Mit dem Klimaschutzkonzept 2012 hat die Stadt Würzburg erstmalig eine umfassende strategische Grundlage für den kommunalen Klimaschutz geschaffen. Dazu gehörte auch ein umfassendes Handlungsprogramm mit dem Ziel, die gesamtstädtischen Treibhausgasemissionen bis 2020 zu halbieren. Im Fokus standen vor allem die Gebäude in der Stadt, eine nachhaltige Mobilität, die Förderung erneuerbarer Energien und die Wirtschaft. Seit Beschluss des Konzeptes wurden in allen Bereichen einige Erfolge erzielt, z. B. beim Ausbau der Photovoltaik. Besonders gefreut hat mich, dass wir einige sogenannte Bürgersolaranlagen errichten konnten. Dabei investieren Bürgerinnen und Bürger in PV-Anlagen auf städtischen Gebäuden und können sich so an der Energiewende beteiligen, auch ohne ein eigenes Dach zu besitzen.
Am 20. Januar hat der Stadtrat ein neu aufgestelltes Klimaschutzkonzept beschlossen. Was ist bei der Neuauflage anders?
Das neue Klimaschutzkonzept spannt einen viel weiteren Rahmen sowohl zeitlich als auch fachlich. Anstoß für die Erstellung des neuen Konzeptes war das sogenannte Klimaversprechen mit dem Ziel der Klimaneutralität, das der Stadtrat im Jahr 2019 beschlossen hat.
Das neue Klimaschutzkonzept zeigt den Weg auf, mit welchen Maßnahmen diese Zielsetzung bis 2045 zu erreichen ist. Neben der Energie- und Treibhausgasbilanz, der Darstellung von Potentialen und Szenarien, ist im Konzept ein umfassendes Maßnahmenset Dreh- und Angelpunkt. Insgesamt 94 wegweisende Handlungsaufträge zeigen für die verschiedensten Bereiche, wie beispielsweise Energie, Mobilität oder Wirtschaft Möglichkeiten auf, womit die Treibhausgasemissionen möglichst stark zu senken sind. Das neue Klimaschutzkonzept geht dabei noch einige Schritte weiter als das alte. Zum Beispiel wurden die Handlungsfelder Konsum und Abfall, Bildung und Kultur sowie Kommunikation, Beteiligung und Soziales neu mit aufgenommen.
Wie kann Klimaschutz sozialverträglich gestaltet werden?
In vielen Köpfen steckt oftmals ein falsches Bild vom Klimaschutz, der häufig mit Kosten in Verbindung gebracht wird. Doch bei vielen Maßnahmen ist das nicht der Fall. Bei unserer Arbeit legen wir einen Schwerpunkt auf Beratung und vermitteln anbieter- und herstellerneutrale Informationen etwa zum Energiesparen, Photovoltaik oder zur Gebäudesanierung. Neben der Beratung unterstützen wir auch aktiv Investitionen der Bürgerinnen und Bürger. Die Stadt gibt zum Beispiel finanzielle Zuschüsse für Energieberatungen durch Experten, Investitionen in Dach- und Fassadenbegrünung und hat mehrere Jahre, vor allem junge Familien, beim Verzicht aufs Auto durch die Anschaffung von Lastenrädern finanziell unterstützt.
In der Konzeptentwicklung hat die Stadt unterschiedliche Akteure einbezogen, u. a. die Initiative „Klimaentscheid Würzburg“. Diese hatte sich im März vergangenen Jahres noch mit einer Unterschriftensammlung für einen Bürgerentscheid in Sachen Klimaschutz stark gemacht. Ihre Forderung: Klimaneutralität für Würzburg bis 2030. Nachdem die Stadt der Initiative eine Zusammenarbeit angeboten hatte, stellten die Aktivisten die Sammlung von Unterschriften ein. Welche Impulse hat die Initiative im weiteren Prozess gesetzt? Und wie sieht die Zusammenarbeit heute aus?
Ein ganz wesentliches Ziel für die Erstellung des Klimaschutzkonzeptes war eine möglichst umfassende und breite Beteiligung der Bürgerschaft, was auch sehr gut gelungen ist. Besonders in Zeiten von Corona ist das keine Selbstverständlichkeit. Neben der Beteiligung von Fachakteuren und Vertreterinnen aus der Politik wurden auch die Bürgerinnen und Bürger über eine Online-Befragung und einen Klimaschutzkongress sowie eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit in die Erstellung miteinbezogen.
Die angesprochene Initiative „Klimaentscheid“ startete etwa zur gleichen Zeit wie die Erarbeitung des integrierten Klimaschutzkonzepts. Frühjahr 2021 verständigte sich die Stadt Würzburg mit den Initiatoren des Klimaentscheids auf eine Zusammenarbeit. Ihre Vertreterinnen und Vertreter beteiligten sich an den Fach-Workshops zur Erarbeitung und konnten hier eigene Maßnahmenvorschläge in das Klimaschutzkonzept einbringen. Zudem wurde die Initiative als neues Mitglied im Würzburger Klimabeirat aufgenommen.
Im Konzept sind neun Handlungsfelder (Stadtverwaltung; Energieversorgung; Wohnen; Wirtschaft; Mobilität; Konsum und Abfall; Kompensation, Klimapartnerschaften und Senken; Bildung und Kultur; Kommunikation, Beteiligung, Soziales) formuliert. Welche Kooperationen helfen der Stadt Würzburg dabei, die beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen in den einzelnen Handlungsfeldern umzusetzen?
Schon seit einigen Jahren gibt es eine Kooperationsvereinbarung zwischen Landkreis und Stadt Würzburg in Sachen Klimaschutz. Von gemeinsamen Informationsveranstaltungen und Beratungsangeboten bis hin zur abgestimmten Planung und Verbesserung des ÖPNV-Angebotes und Radewegenetzes gibt es zahlreiche gemeinsame Baustellen. Eine Schlüsselrolle hat außerdem die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV). Als Energieversorger und Betreiber des Fernwärmenetzes ist die WVV ein wichtiger Partner bei größeren Projekten, wie der Entwicklung energetischer Quartiereskonzepte und bei kleineren, wie z. B. den Bürger-PV-Anlagen. Auch in Sachen Verkehr steuert die WVV mit dem Ausbau des Straßenbahnnetzes und der Umstellung der Busflotte auf E-Fahrzeuge einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung des Konzeptes bei.
Da bei den Privathaushalten gerade der Bereich Wohnen für einen großen Teil der Emissionen verantwortlich ist, spielt die Stadtbau GmbH ebenfalls eine wichtige Rolle als Impulsgeber. Diese hat eine eigene Klimastrategie entwickelt und dient damit als Vorbild für andere Wohnbauträger.
Nicht minder wichtig, aber viel kleinteiliger und vielfältiger sind die Kooperationen in anderen Bereichen etwa bei Bildung und Kultur, Konsum und Abfall. Hier sind es zahlreiche Gruppen, wie ehrenamtliche Organisationen oder engagierte Bürgerinnen und Bürger in Arbeitskreisen der Agenda 21, die die verschiedensten Beiträge leisten, um Würzburg nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten.
Die Stadtverwaltung soll schon bis 2030 klimaneutral werden. Wie soll das konkret gelingen?
Das Handlungsfeld Stadtverwaltung ist ein ganz zentrales, denn unsere Aufgabe ist es nicht nur den organisatorischen Rahmen dafür zu schaffen, dass die Umsetzung des Konzeptes mit der gesamten Stadtgesellschaft gelingt, sondern ebenso ein Vorbild zu sein. Das sehr ambitionierte Ziel, selbst klimaneutral zu werden, soll über einen breiten Maßnahmenmix erreicht werden. Zentrale Bausteine sind das Aufstellen einer Startbilanz für die Betrachtungsebene der Stadtverwaltung nach dem Greenhouse Gas Protocol und das Festlegen eines „Würzburger Energiestandards“ (WES) als Leitlinie für die städtischen Liegenschaften, was kürzlich erfolgt ist. Die Aufgabe des klimaneutralen Bestands soll nach dem Worst-First-Prinzip angegangen werden. Die nachhaltige Beschaffung und Vergabe von Gütern und Dienstleistungen, der Ausbau der Photovoltaik auf kommunalen Dächern, ein klimaneutraler Fuhrpark sowie die klimaneutrale Gestaltung der Arbeitswege für die Beschäftigten sind weitere wichtige Elemente.
Bei der Erarbeitung des neu aufgestellten Klimaschutzkonzepts wurde Würzburg finanziell vom Freistaat Bayern unterstützt. Auf welche Mittel können Kommunen bei der Umsetzung von Klimaschutz noch zugreifen?
Über den Bund. Im Rahmen der sogenannten Kommunalrichtlinie lassen sich sowohl Klimaschutzkonzepte als auch Personal oder die Umsetzung von Projekten fördern. Projektträger ist die ZUG (Zukunft – Umwelt – Gesellschaft gGmbH).
Vielen Dank für das Gespräch!