Je älter unsere Gesellschaft wird, desto größer wird auch ihr Medikamentenverbrauch. Mit letzterem steigt gleichwohl die Menge an Arzneimittelrückständen im Abwasser. Zahlen des Umweltbundesamts zufolge wurden in Deutschland in der Umwelt zuletzt bereits – und zwar zumeist in Flüssen, Bächen und Seen – mindestens 414 Arzneimittelwirkstoffe bzw. deren Metabolite (Zwischenprodukte in der Verstoffwechselung) oder Transformationsprodukte nachgewiesen. Das Entfernen dieser schädlichen Stoffe ist mit nicht unerheblichen Reinigungskosten verbunden. Ein vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Auftrag gegebenes Gutachten ging daher jetzt der Frage der Umsetzbarkeit einer vom BDEW selbst vorgeschlagenen „Fonds-Lösung zur Finanzierung der Spurenstoff-Elimination in Kläranlagen“ nach.
Notwendigkeit einer verursachergerechten Finanzierung
Das Gutachten führt auf, dass in einem Beispiel-Untersuchungsgebiet in Nordrhein-Westfalen 51 von 151 analysierten Spurenstoffen noch über die Kläranlage in die Gewässer gelangten, wobei die zehn häufigsten Stoffe zugleich 95 Prozent der Schädlichkeit ausmachten. Als Gegenmaßnahme bedürfe es der flächendeckenden Einführung einer vierten Reinigungsstufe in sämtlichen Kläranlagen der Größenklasse 3 bis 5 in Deutschland (3.009 an der Zahl). Die Studienautoren gehen davon aus, dass ein Viertel dieser Kläranlagen entsprechend ausgebaut werden müsste. Die Kosten für diesen Ausbau, der nur schrittweise erfolgen kann, schätzen sie auf rund 5,85 Milliarden Euro in einem Zeitraum von 30 Jahren. Dies unterstreiche, so die Gutachter, „die Notwendigkeit einer verursachergerechten Finanzierung zum Schutz der Gewässer vor Spurenstoffeinträgen“.
Das Gutachten veranschaulicht das Fonds-Modell anhand des Beispiels von Diclofenac. Das Arzneimittel macht in Deutschland geschätzt zwischen 20 und 25 Prozent der relativen Gefährlichkeit in Gewässern aus. Der Jahresumsatz von Arzneimitteln mit dem Einzelwirkstoff betrug 2019 wiederum 242 Millionen Euro. In einem Betrachtungszeitraum von 30 Jahren läge demnach der Finanzierungsanteil aller Inverkehrbringer diclofenachaltiger Medikamente ungefähr zwischen 1,17 und 1,46 Milliarden Euro. Der Anteil am Umsatz läge damit, bezogen auf die 2019er Zahlen, zwischen 16,1 und 20,2 Prozent.
Ökologisch und ökonomisch effiziente Lösung
Dem BDEW zufolge unterstreiche die Studie, dass das Fonds-Modell „eine ökologisch und ökonomisch effiziente Lösung“ sei, „die Herstellern Anreize bietet, Einträge zu vermeiden oder Innovationen voranzubringen, um Rückstände in die Umwelt zu verringern“. Wirksame Anreize zur Verminderung von Einträgen gäbe es nur, wenn „die Hersteller für die von Ihnen verursachte Verschmutzung zahlen müssen“. Nichtsdestotrotz seien allerdings auch Konsumenten, ärztliches Fachpersonal und Apotheken gefragt, um unerwünschte Arzneimitteleinträge in die Umwelt zu vermeiden. Laut dem Verband sollten letztere etwa auf angemessene Verpackungsgrößen achten. Konsumenten sind wiederum zur sachgemäßen Entsorgung ihrer Medikamente über Restmüll oder Sondermüll angehalten.
Vorsorge- und Verursacherprinzip
Der BDEW erklärt zudem, dass es für eine vollumfängliche Vermeidung von Arzneimitteleinträgen eines ganzheitlichen Ansatzes bedürfe, der alle Akteure entlang der Verbrauchskette mit einschließe. Konkret brauche es eine Umsetzung des Vorsorge- und Verursacherprinzips. „Stoffeinträge wie etwa Arzneimittel, Mikroplastik und Pestizide“, so der Verband, „müssen bereits an der Quelle so weit wie möglich vermieden und Minderungsmaßnahmen von der Herstellung bis zur Anwendung über die gesamte Akteurskette identifiziert werden“.