Hitze, Dürre und Starkregen sind in Deutschland längst keine Ausnahmeerscheinungen mehr. Doch Kommunen sind schlecht aufgestellt, um diesen Wetterextremen jetzt und in Zukunft zu begegnen. Von 329 Landkreisen und kreisfreien Städten haben nur rund 25 Prozent ein Konzept zur Anpassung an den Klimawandel, 22 Prozent planen ein solches und etwas mehr als die Hälfte haben bis dato keinen Plan, wie sie den klimatischen Veränderungen begegnen sollen. Das hat eine Befragung von NDR Data, WDR Quarks, BR Data und CORRECTIV ergeben.
„Es ist erschreckend, wie viele Kreise und Städte sich noch gar nicht mit dem Thema beschäftigt haben“, sagt Anja Bierwirth, Expertin für Stadtwandel am Wuppertal Institut, gegenüber CORRECTIV. „Bislang sind Städte, wie wir sie jetzt haben, absolute Hotspots für die Folgen des Klimawandels.“ Dicht bebaute und stark versiegelte Flächen in bewohnten Gebieten mit wenig bis kaum Pflanzenwuchs werden mehr und mehr zum Problem für Mensch und Umwelt. Wasser kann hier nicht versickern, bei Hitze gibt es kaum Abkühlung, hitzebedingte Sterbefälle nehmen seit Jahren zu.
Hitzetage in Deutschland auf Rekordniveau
Der Sommer 2023 hat gerade Halbzeit, doch schon jetzt ist die Bilanz des Deutschen Wetterdienstes ernüchternd: Der Juni war zu warm, zu sonnig und es gab zu wenig Regen in der Fläche. Der Juli bescherte uns bereits einige Hitzetage. Das sind Tage, an denen das Thermometer auf mindestens 30 Grad Celsius klettert. Seit den 1950er-Jahren hat sich deren Anzahl pro Jahr verdreifacht. Die Stadt Speyer in Rheinland-Pfalz ist mit 19,6 Hitzetagen jährlich Spitzenreiterin hierzulande. Auch im Landkreis Karlsruhe wurden zwischen 1993 und 2022 im Schnitt 17 Tage mit Temperaturen von mindestens 30 Grad Celsius gemessen. Durchschnittlich 9,8 Hitzetage pro Jahr gibt es mittlerweile in Deutschland. Die Folge sind Trockenheit und Dürre.
Angesichts anhaltender Trockenheit und niedriger Grundwasserstände haben in den vergangenen Wochen immer mehr Kommunen einen vorsichtigen Umgang mit Wasser angemahnt. In Sachsen-Anhalt und Niedersachsen wurde die Entnahme von Wasser vielerorts gar stark eingeschränkt, so im Altmarkkreis Salzwedel, in der Region Hannover und im Landkreis Gifhorn. Wasserverbände fordern dazu auf, für die Bewässerung von Grünanlagen und Gärten sowie das Befüllen von Pools kein Trinkwasser zu nutzen. Für den Fall, dass dieses in Zukunft knapp wird und rationiert werden muss, erarbeitet der Berliner Senat aktuell einen Notfallplan – Berlin-Brandenburg zählt zu trockensten Regionen Deutschlands.
Die Mehrheit der Landkreise und kreisfreien Städte sind sich im Klaren darüber, dass die Auswirkungen des Klimawandels gefährlich und teuer werden, so das Ergebnis der Umfrage. Neun von zehn rechnen mit einer Zunahme von extremen Wetterereignissen. Rund die Hälfte sieht einen Mangel an Wasser voraus. Auf die Herausforderungen des Klimawandels wird jedoch mehr reagiert als bewusst vorgesorgt.
Stadtgrün gegen Hitze und Dürre
Jan Paul, Sprecher der Initiative „Grün in die Stadt“ und Vizepräsident des Bundesverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V., sieht das Hauptproblem der Städte in deren Versiegelung. Er fordert deshalb mehr Grün und setzt Parkanlagen, Alleen, Dach- und Fassadenbegrünung sowie Stadtwälder gleich mit Strom-, Wasser- und Abwasserversorgung. „Städtische Grünflächen kühlen die nähere Umgebung ab und beugen Hitzeinseln vor, mildern die Folgen von Starkregenereignissen, binden aktiv CO2 und regulieren insgesamt somit das städtische Mikroklima“, sagt er im Interview mit Treffpunkt Kommune.
Bereits heute würden 79 Prozent der Menschen in Deutschland die Rekordtemperaturen im Sommer als stark bis teilweise belastend wahrnehmen, so Paul. „Da wird klar, wie wichtig Investitionen in städtisches Grün auch mit Blick auf die kommenden Jahre und Jahrzehnte sind.“ Der Grünexperte empfiehlt Kommunen, mithilfe von blau-grüner Infrastruktur eine Netto-Null-Versiegelung anzustreben. Stadtgrün müsse als zentraler Baustein für urbane Lebensqualität und als Lösungsansatz für die Abmilderung von Klimafolgen konsequent mitgedacht und nicht nur als unnötige Kostenstelle betrachtet werden.