Wie sieht eine lebenswerte Zukunft in Kommunen aus, und welche Wege schlagen wir ein, um sie zu erreichen? Diese Fragen beschäftigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der F.A.Z.-Konferenz „Stadt von morgen“ am 20. und 21. November. Im Berliner Allianz Forum erörterten Entscheiderinnen und Entscheider aus Kommunalpolitik, Stadtwerken und Wohnungsbaugesellschaften, Bund und Ländern sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und kommunalen Spitzenverbänden „Perspektiven und Lösungen für die Transformation der Stadt“.
Im Fokus standen die Themenfelder Digitalisierung, Energie und Ressourcen, Mobilität, moderne Finanzierung sowie Wohnen und Infrastruktur. Dass die Ausgangslage für einen gelingenden Wandel nicht gerade rosig ist, liegt aufgrund der finanziellen Schieflage vieler Kommunen auf der Hand. So startete auch der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel den ersten Kongresstag mit einem Impuls zur Transformation als städtische Aufgabe, zu der sicher auch eine Neuausrichtung der Kommunalfinanzen gehört.
Klimaschutz bleibt für Kommunen wichtig
Wie prekär die Lage in Deutschland ist, stellte Jens Südekum in seiner Keynote am zweiten Tag heraus: „Wir sind in einer handfesten Wirtschaftskrise“, so der Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Dabei verwies er auf die aktuelle Wachstumsprognose des Internationalen Währungsfonds, nach der die deutsche Wirtschaft im G7-Vergleich Schlusslicht ist.
Als wesentliche Gründe für das schlechte Ranking Deutschlands nannte er den demografischen Wandel sowie öffentliche Investitionen. Während andere europäische Länder in Zukunftsvorhaben investierten, betrüge der Investitionsrückstand deutscher Kommunen rund 186 Milliarden Euro, so Südekum. Die Schuldenbremse bezeichnete er als „Elefant im Raum“. Als Lösung schlug er vor, in Kapital wie Maschinen und Technologien zu investieren sowie die Erwerbsbeteiligung und damit verbunden die Zuwanderung am Arbeitsmarkt zu erhöhen. Außerdem brauche es mehr Kapital aus dem privatwirtschaftlichen Bereich.
Trotz einer gewissen Ernüchterung auf Bundesebene sprach Südekum auch dem Klimaschutz eine hohe Relevanz zu. Bürgerinnen und Bürger wüssten um die Brisanz des Klimawandels und erwarteten alternative Lösungen, für deren Umsetzung letztlich die Kommunen zuständig seien. Ein wichtiges Stichwort zu diesem Aspekt war die Wärmewende, die deutschlandweit eher schleppend vorangeht, wie auch eine Online-Abstimmung im Plenum zutage brachte. Ein Grund dafür sind u. a. fehlende rechtliche Rahmenbedingungen auf Länderebene, wusste beispielsweise Birthe Wagner, Projektleiterin des Stabsbereichs Oberbürgermeister, aus der Stadt Bamberg zu berichten. Ein großes Fragezeichen steht vielerorts auch hinter der Finanzierung der lokalen Wärmewende. Hier plädierte der Fachanwalt für Vergaberecht Dietrich Drömann dafür, privatwirtschaftliche Investitionen als Chance für die Transformation in Kommunen zu nutzen.
Lösungen für die Transformation vor Ort
Die Herausforderungen sind zahlreich, aber ebenso vielfältig sind die Lösungsansätze. „Uns ist es gelungen, die Region aus einem chemisch geprägten Standort breiter aufzustellen“, sagte der Bürgermeister der Stadt Guben Fred Mahro im Panel zur „Politik der Transformation vor Ort“. Durch die Ansiedlung internationaler Unternehmen wie den Snackhersteller BiFi, trotzt die Stadt in der Niederlausitz dem Strukturwandel. In nächster Zeit will Fred Mahro gemeinsam mit seinen Kollegen aus den Nachbarkommunen insgesamt 90 Millionen Euro in regionale Belange investieren. Hierfür erhält die Region auch Fördermittel vom Bund. Ein wichtiger Punkt bei der Umsetzung von Projekten ist für Mahro dabei die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger. Er ist überzeugt: „Investitionen, die gelingen, schaffen Vertrauen in die Transformation.“
In der Stadt Aachen indes fehlt es Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen an Eigenständigkeit, um Wandlungsprozesse effektiv anstoßen zu können. „Wir sind nicht die Erfüllungsgehilfen vom Bund, sondern Gestalter unserer Kommune“, sagte Keupen. Die Städte bräuchten Konjunkturpakete, die sie selbstständig verwalten könnten, mit Luft zum Gestalten und weniger Bürokratie, so ihre Forderung im Panel. Ihr mache Transformation in Aachen aktuell keinen Spaß, da das Geld aus Fördertöpfen nicht ankomme. Keupens Ansicht nach müsse privates Invest mit öffentlicher Investition verzahnt werden, und Städte müssten die Freiheit bekommen, mehr unternehmerisch zu denken. Für die letztendliche Umsetzung von Projekten brauche es dann aber auch motivierte Bürgerinnen und Bürger, schloss sich Keupen dem Plädoyer ihres Kollegen an.
Transformation ist kein Lösungs-, sondern Akzeptanzproblem
Was es bedeutet, die Bürgerschaft mitzunehmen, erklärte Martin Aarts im Panel „Transformation überzeugendumsetzen“. Er ist Berater im Bereich der Stadtentwicklung und leitete viele Jahre lang das Stadtplanungsamt der Stadt Rotterdam, wo er einen wesentlichen Beitrag zur Transformation Rotterdams hin zu einer grünen Oase leistete. Um in Straßenzügen Grünflächen zu installieren, zog das Projektteam seinerzeit von Haushalt zu Haushalt, um den Menschen das Vorhaben und dessen Vorteile zu erklären – und das nicht nur einmal. Akzeptanz schaffen ist auch die Herangehensweise von Ute Fischer-Gäde, Senatorin für Stadtplanung, Bau, Klimaschutz und Mobilität in der Hansestadt Rostock, um eine erfolgreiche Transformation zu ermöglichen.
Sie ist überzeugt: „Wir haben kein Lösungsproblem, sondern ein Akzeptanzproblem.“ Lösungen gebe es in Deutschland zur Genüge – hier sei vor allem mit den Hochschulen viel Potenzial vorhanden. Es mangele jedoch an Geld und eben der Bereitschaft innerhalb der Bevölkerung, sich auf Veränderungen einzulassen. Um letzterem bestmöglich beizukommen, müssten die Verantwortlichen in den Kommunen bei der Planung und Umsetzung von Vorhaben die verschiedenen Belange der Menschen umfassend im Blick behalten. In Rostock gibt es dafür das Stadtbauhaus. Hier stellt die Stadt regelmäßig geplante Projekte vor und geht in den Austausch mit der Bürgerschaft. „Partizipation ist das A und O“, so Fischer-Gäde.
Zum Abschluss der Veranstaltung diskutierten im Panel „Neue Finanzierungsformen für nachhaltige Projekte“ Bastian Hammer, Abteilungsdirektor Steuern und Altersvorsorge beim BVI – Deutscher Fondsverband, Marc Hansmann, Vorstand der enercity AG und Kristian Kassebohm, Geschäftsführer von REMONDIS Wasser & Energie. Auch wenn die Diskutanten unterschiedliche Ansätze bezüglich innovativer Finanzierungsformen hatten, betonten alle dennoch die Wichtigkeit nachhaltiger Investitionen und effektiver Partnerschaften. Diese könnten projektbasiert oder als öffentlich-private Partnerschaften angelegt sein. Einigkeit herrschte auch darüber, dass nur generationsübergreifende Lösungen den
Gestaltungsraum und die notwendige Stabilität für eine nachhaltige kommunale Daseinsvorsorge schaffen könnten.
Vertrauen in Veränderung braucht Zeit und Transparenz
Mangelndes Geld und fehlende Akzeptanz – das sind aktuell die zwei großen Baustellen, die eine gelingende Transformation in Kommunen erschweren, wie in den vielen Vorträgen und Diskussionen während der zweitägigen Veranstaltung nochmals herausgestellt wurde. Dennoch gibt es Perspektiven und Ideen, wie Transformation gelingen kann. Best-Practice-Beispiele, wie die Stadt Guden, zeigen außerdem kreative Lösungsansätze, um auch in strukturell geschwächten Regionen Wandel zu ermöglichen. Um sowohl bei Bürgerinnen und Bürgern als auch Investitionspartnern das notwendige Vertrauen in Innovations- und Wandlungsprozesse zu schaffen, plädierte Thomas Madreiter, Planungsdirektor der Stadt Wien, entgegen des allgemeinen Trends zur Beschleunigung dafür, frei nach Konfuzius wichtigen Vorhaben die notwendige Reifezeit zu geben: „Wenn man es eilig hat, muss man langsam gehen.“