Ab dem Jahr 2029 sind Betreiber von Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von 100.000 Einwohnerwerten verpflichtet, Phosphor aus dem Klärschlamm zurückzugewinnen, der u.a. zur Düngemittelherstellung dient. Ab 2032 gilt diese Vorgabe bereits ab einer Ausbaugröße von 50.000 EW. Doch daran ist vielerorts (noch) nicht zu denken: Wie die Umweltministerkonferenz im Dezember 2023 feststellte, gibt es bislang nur vereinzelt Pläne für den Bau entsprechender Rückgewinnungsanlagen. Um die gesetzlich verankerte Pflicht zum Phosphorrecycling auch in der praktischen Umsetzung voranzutreiben, haben das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie dreizehn Bundesländer, Verbände und Unternehmen im August eine Erklärung veröffentlicht. Hierin verpflichten sie sich, die technischen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen für Phosphorrecycling in Deutschland deutlich zu verbessern. Umweltstaatssekretärin Christiane Rohleder betonte in einer Pressemeldung, wie wichtig die Rückgewinnung von Phosphor in Zukunft sein wird: „Phosphor ist ein kritischer Rohstoff, auf den Chemieindustrie und Landwirtschaft dringend angewiesen sind. Wenn wir künftig den in Deutschland vorhandenen Phosphor noch besser aus Klärschlamm zurückgewinnen, werden wir unabhängiger von Importen, sparen Ressourcen und schonen weltweit die Umwelt, die heute unter dem Abbau primären Phosphors leidet.“
Phosphorrecycling: 4 Lösungsansätze für den schnellen Ausbau
Zu den Unterzeichnenden gehören neben dem BMUV und BMEL die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen, der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft, der Bundesverband Boden, die Deutsche Phosphor-Plattform, die Interessengemeinschaft Deutsche Deponiebetreiber, COMPO Expert, EEW Energy from Waste und EuPhoRe.
In der gemeinsamen Erklärung formulieren sie vier Lösungsansätze, um den Ausbau der Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm zu intensivieren. Zum ersten sollen die Anlagenkapazitäten so ausgebaut werden, dass bis 2029 eine Verbrennung von jährlich 1,7 Millionen Tonnen Klärschlamm-Trockenmasse zur schadstoffarmen Phosphor-Rückgewinnung möglich ist. Hierzu sind alle von der Regelung betroffenen Kläranlagenbetreiberinnen und -betreiber im zweiten Schritt dazu angehalten, den Bau von Anlagen sofort zu planen und umzusetzen. Drittens wollen die Verantwortlichen klären, inwieweit die Kosten der Phosphorrückgewinnung auf die Abwassergebühren vor 2029 umgelegt und die erforderlichen Investitionen durch Ausschreibungen zur Verwertung von Klärschlamm gesichert werden können.
Offene Fragen bezüglich technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Aspekte bestehen noch beim vierten Lösungsansatz. Dieser sieht vor, dass die in den Klärtürmen anfallenden Rückstände aus der Klärschlammverbrennung – faserige Reste aus Abfällen wie Watte und Feuchttücher – nur in Ausnahmefällen verwendet werden dürfen.
Um diese verschiedenen Aufgaben zu koordinieren und die gemeinsamen Ziele nicht aus den Augen zu verlieren, wollen die Unterzeichnenden in engem Austausch bleiben und dafür eine Arbeitsgruppe zur „Sicherstellung der schadstoffarmen Phosphorrückgewinnung bis 2029“ gründen, die aus Mitgliedern der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA), Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) und dem Arbeitskreis III (kommunale Angelegenheiten) der Innenministerkonferenz besteht. Zudem setzen sich die an der Erklärung beteiligten Ministerien, Länder, Verbände und Unternehmen dafür ein, auf Länderebene jährlich über die Entwicklung zum Ausbau der Phosphorrückgewinnung zu informieren. 2026 und 2028 soll es außerdem fortführende Gespräche geben, um die Umsetzung der Erklärung weiter zu begleiten und zu überprüfen.
Initiative bemängelt Qualität der Recyclingverfahren
Die „Initiative Sauberer Phosphor 2029“, zu der u. a. das Umweltbundesamt (UBA) gehört, hatte sich kritisch zur „Gemeinsamen Erklärung zum Ausbau der Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm“ geäußert. Der dort skizzierte Weg werfe erhebliche Bedenken hinsichtlich der Umweltverträglichkeit und des Schutzes von Boden und Gewässern auf, so der Wasserver- und Abwasserentsorger Gelsenwasser, der ebenso der Initiative angehört, im Nachrichtenportal EUWID Recycling. Der vom BMU initiierte Branchendialog zur Phosphorrückgewinnung konzentriere sich nur auf die nationale Gesetzgebung und lasse das europäische Düngerecht außen vor, so die Kritik. Außerdem habe der Dialog deutlich gemacht, dass die Ansprüche an die Qualität möglicher Endprodukte unter den Akteurinnen und Akteuren sehr unterschiedlich seien. „Recyclingverfahren, die Schadstoffe nicht ausreichend entfernen, sind für uns nicht akzeptabel“,stellte die Initiative klar.
Anlässlich der gemeinsamen Erklärung von Bund, Ländern und Wirtschaft sprach der Deutsche Bauernverband (DBV) seine Unterstützung für die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm oder Klärschlammverbrennungsasche aus. DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken räumte gleichwohl ein, dass eine hohe Qualität hinsichtlich etwaiger Schadstoffgehalte und Pflanzenverfügbarkeit des Phosphors für die Bauern Grundvoraussetzung dafür sei, diesen auch zu nutzen. EUWID Recycling sagte er, es müsse Einigkeit darüber bestehen, dass Dünger aus recyceltem Phosphor aus Klärschlämmen oder Klärschlammaschen nur dann zum Einsatz kommen werden, wenn der Einsatz für Böden und Verbraucher unbedenklich ist und diese preislich marktfähig sind.
Weitere Infos zum aktuellen Umsetzungsstand der Phosphorrückgewinnung in den Bundesländern finden Sie hier.