Schweden gilt in vielerlei Hinsicht als Vorreiternation. Vor allem in puncto Nachhaltigkeit hat das skandinavische Land schon viele Vorhaben erfolgreich umgesetzt und ist auf dem besten Weg zur Klimaneutralität. Seit 1990 konnte Schweden seine Netto-Treibhausgasemissionen um 80 Prozent reduzieren – der durchschnittliche Rückgang in der EU beträgt 30 Prozent. Gleichzeitig hat sich das Wirtschaftswachstum im Land verdoppelt. Wie geht das? „Zunächst einmal hat Schweden hervorragende Voraussetzungen, das erste Land der Welt zu werden, das ohne fossile Brennstoffe auskommt, mit einem großen Anteil an Wasserkraft, einer langen Küste, Waldreserven und vielem mehr“, so Johan Mörnstam, CEO von E.ON Schweden im Interview der E.ON Stiftung.
Diese Möglichkeiten hat das Land frühzeitig erkannt und genutzt. Seit den 1970ern investiert Schweden in erneuerbare Energiequellen. 2023 lag deren Anteil an der Nettostromerzeugung bei rund 65 %. Ein Großteil der Energie wird dabei aus Speicherwasser (42,5%) und Windkraft an Land (22 %) gewonnen. Der Anteil von Energie aus Solar liegt laut Statista bei 0,7%. Immerhin noch rund 30 % des Strombedarfs decken die Schweden aus Kernkraft, der Rest kommt aus fossilen Quellen.
Auch effiziente Fernwärmesysteme hat das Land frühzeitig etabliert. Statt einzelner Heizgeräte wurden große zentrale Heizungen gebaut, welche über eine unterirdische Infrastruktur und ein wärmegedämmtes Rohrsystem mit Häusern und industriellen Anlagen verbunden sind. In Ein- und Zweifamilienhäusern sind mittlerweile überwiegend Wärmepumpen im Einsatz. Während Schweden früher auf Öl und Kohle gesetzt hat, kommen nun 97 Prozent der Wärme aus der Abfallverbrennung und aus Biokraftstoffen.
Hoher CO2-Preis als Anreiz für Umstellung auf erneuerbare Energien
Um solche Systemlösungen zu entwickeln, Risiken einzugehen und große langfristige Investitionen zu tätigen, brauche man eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierung, Privatsektor und lokaler Verwaltung, so die Expertin für Klima- und nachhaltige Entwicklungspolitik Åsa Persson im Deutschlandfunk. Sie berät die schwedische Regierung in Fragen rund um das Klima und bewertet deren Leistungen. „Schweden als kaltes Land hatte einen echten Anreiz, ein energieeffizientes Heizsystem einzurichten, um die Bevölkerung zu versorgen“, sagt Persson. Doch nicht nur die klimatischen Verhältnisse im Land haben einen genügend hohen Anreiz für umwälzende Veränderungen gegeben. Ein zentraler Faktor, um die Energie- und Wärmewende in Gang zu bringen, war einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) 2019 zufolge auch die Einführung der schwedischen CO2-Steuer für Industrie und Einzelpersonen.
Mit Einführung der Steuer 1991 betrug der Preis für eine Tonne ausgestoßenes CO2 umgerechnet 24 Euro. Heute zahlen Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger umgerechnet 114 Euro pro Tonne CO2. Neben der Schweiz und Liechtenstein gehört Schweden innerhalb der OECD-Länder damit zu den Spitzenreitern, was die Höhe der CO2-Bepreisung anbelangt. Zum Rückgang der Emissionen haben, den Studienautoren zufolge, aber auch der vermehrte Einsatz von Biokraftstoffen sowie deren Befreiung von der Besteuerung seit 2010 beigetragen. Hinzu kommt eine breite Akzeptanz für die Umwelt- und Klimapolitik in der schwedischen Bevölkerung und auch Einigkeit innerhalb der Parteien. So verständigten sich 2017 sieben von acht Parteien darauf, die gesamten Treibhausgasemissionen Schwedens bis 2045 auf Netto-Null zu reduzieren.
Lokale Roadmap Malmö verbindet Kommune und Industrie
Netto-Null-Emissionen: Das geht nur mit der Wirtschaft zusammen. In der 2018 gegründeten Initiative LFM30 (Lokal Färdplan Malmö 2030; Local Roadmap Malmö 2030) verfolgen die Stadt Malmö und Akteure der dort ansässigen Industrie eine lokale Roadmap für eine klimaneutrale Gebäude- und Bauindustrie. Bis 2030 will die Initiative die Bereiche Gebäude, Bau und Immobilienverwaltung innerhalb der Stadt klimafreundlich und nachhaltig gestalten – diese sind derzeit für 20 Prozent der Treibhausgasemissionen in Malmö verantwortlich. Das Malmöer Projekt hat Strahlkraft: „Die Zusammenarbeit im Rahmen von LFM30 in Malmö ist zu einem Katalysator geworden, der die Transition in ganz Schweden vorantreibt“, betont Maja Manner, Vorstandsmitglied der Initiative und Projektkoordinatorin.
Bei künftigen Bauvorhaben will die Initiative den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden und den verwendeten Materialien in den Fokus nehmen (Stichwort: Urban Mining). Das soll zu einer positiven Entwicklung der Region beitragen und ein wettbewerbsorientiertes Geschäftsumfeld schaffen. Um das zu erreichen, ist eine starke Verknüpfung auf lokaler Ebene entscheidend. Seit ihrer Gründung ist die Initiative auf nun mehr als 200 Mitglieder angewachsen. Landesweit haben sich außerdem eine Vielzahl an Pilotprojekten und Kooperationen gebildet, die sich ebenfalls gemeinsam zur CO2-Reduktion in Stadtgebieten verpflichtet haben – um 50 Prozent bis 2025. Für Manja Manner ist es vor allem die Fähigkeit, Branchenexpertise in Forschung, Entwicklung und Innovation zu bündeln, die dazu beiträgt,Ergebnisse effizienter zu erzielen.