Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind die beides große Einflussfaktoren, die die Gesellschaft und Wirtschaft seit einigen Jahren besonders prägen. Mit dem neuen digitalen Produktpass (DPP) werden die beiden Faktoren zusammengebracht und ermöglichen den Konsumentinnen und Konsumenten wie den Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette Einblicke in den Produktlebenszyklus. Expertinnen und Experten sprechen bereits jetzt davon, dass der DPP einen entscheidenden Beitrag für eine ganzheitliche Kreislaufwirtschaft leisten könnte.
Digitaler Produktpass als Beschleuniger für die Kreislaufwirtschaft
2019 veröffentlichte die Europäische Kommission das Strategiepapier zum „European Green Deal“, in dem Anforderungen, Maßnahmen sowie Ziele für den Übergang der EU von einer Linearwirtschaft hin zur Kreislaufwirtschaft zusammengefasst wurden. Mithilfe dieser Anforderungen sollen gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Sektoren gemeinsam den Ressourcenverbrauch reduzieren, nachhaltige Strukturen etablieren und gleichzeitig die gesteckten Klimaziele der Agenda 2030 erreichen. Diese Pläne wurden im März 2022 mit der Ökodesign-Verordnung konkretisiert, welche unterschiedliche Maßnahmen und Werkzeuge – beispielsweise die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien – inkludiert. Ein weiteres, entscheidendes Werkzeug ist der Digitale Produktpass, welcher bei Produkten mit Ökodesign-Anforderungen zur Norm werden soll.
Die EU-Mitgliedstaaten einigten sich Mitte Mai dieses Jahres, dass zukünftig nur noch Produkte zugelassen werden dürfen, die recycelbar, langlebig, reparierbar und wiederverwendbar sind sowie den Vorschriften für nachhaltige Produkte entsprechen. Langfristig sollen zwar alle Produkte einen solchen Produktpass erhalten, der Fokus liegt in Deutschland aber vorerst auf ressourcen- und energieintensiven Produkten, zu denen beispielsweise Kommunikations- und Elektrogeräte sowie -fahrzeuge gehören. Möglich wäre nach Informationen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz auch, den Produktpass auf Branchen mit einem besonders hohen Ressourcenverbrauch auszuweiten – das schließt beispielsweise die Baubranche ein. Je nach Branche bzw. Produktgruppe sind unterschiedliche Einführungsdaten festgelegt, für die Hersteller von Elektrofahrzeugen und Industriebatterien wird der DPP beispielsweise ab 2026 verpflichtend sein.
Digitaler Produktpass als Beipackzettel der Kreislaufwirtschaft
Der DPP ist ein digitaler Datensatz, in welchem Informationen zu den unterschiedlichen Komponenten des Produktes, zu Materialien und eventuell enthaltenden chemischen Substanzen gespeichert werden. Ergänzt wird dies mit Daten zur fachgerechten Entsorgung, für die Reparatur sowie zur Beschaffung von Ersatzteilen. Mit der Schaffung einer gemeinsamen, EU-weiten Datenbank werden alle umweltrelevanten Daten standardisiert und in vergleichbaren Formaten strukturiert, womit alle Akteurinnen und Akteure der Wertschöpfungskette gemeinsam auf eine voll umfassende Kreislaufwirtschaft hinarbeiten.
Um die Politik bei der Entwicklung von Normen und Standards des DPP zu unterstützen, hat sich Mitte Juli 2023 ein Gemeinschaftsausschuss „Digitaler Produktpass“ des Deutschen Institut für Normierung sowie der Deutschen Kommission Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik gebildet. In diesem treffen Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Kommunen und Zivilgesellschaft zusammen. Im Fokus steht die Unterstützung weiterer Entwicklungen des Digitalen Produktpasses sowie des dazugehörigen Ökosystems und die Förderung europäischer und internationaler Interoperabilität.
Die Politik möchte mit dem DPP eine zentrale Sammelstelle für alle relevanten Produktinformationen schaffen, um den Marktbeteiligten größtmögliche Transparenz zu gewährleisten. Wie diese Datenbank zukünftig zugänglich sein wird, steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest – wahrscheinlich wird diese aber per App abrufbar sein. Offen ist aktuell auch, welche Daten schlussendlich im Rahmen einer solchen Datenbank gesammelt werden sollen. Dies muss erst noch in einem europäischen Gesetzgebungsverfahren näher definieren. Trotzdem gilt der DPP schon jetzt als verlässliche sowie nachhaltige Basis für Konsumenteninformation und -entscheidungen – wie ein Beipackzettel für die Kreislaufwirtschaft.
Forderungen an die Politik für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft
Der DPP gilt als Meilenstein für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Allerdings muss die Politik jetzt auch deren Umsetzung überwachen, die Unternehmen bei der Etablierung dieser Strukturen anleiten und unterstützen. So fordert die Umweltorganisation Germanwatch die Politik auf, die herstellenden Unternehmen zur Bereitstellung der Informationen im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu verpflichten, den DPP so energieeffizient, ressourcenschonend und transparent wie möglich umzusetzen, um die Informationen allen an der Wertschöpfung beteiligten Akteurinnen und Akteuren zugänglich zu machen.
Zusätzlich sollen Hersteller animiert werden, die Wertschöpfungskette ihres Produktes dauerhaft nachhaltiger zu gestalten. Nur so könne das wirkliche Potenzial des Digitalen Produktpasses ausgeschöpft werden. Der DPP sollte aber nicht nur als Pflicht, sondern vor allem auch als Möglichkeit wahrgenommen werden, die Bemühungen eines Unternehmens im Sinne einer ökologischen und menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht umzusetzen. Der Pass dient damit als eine Art Kontrollinstanz, die beispielsweise Greenwashing verhindern sowie bürokratische Hürden abbauen könnte.