Das Wasser, das wir täglich fast wie selbstverständlich nutzen, hat eine lange Reise hinter sich. Es durchläuft aufwändige Reinigungsprozesse, bevor wir es bedenkenlos aus der Leitung trinken oder mit sauberem Wasser unsere Wäsche waschen können. Über 96 Prozent des Abwassers aus privaten Haushalten und öffentlichen Einrichtungen wird in Deutschland wiederaufbereitet. Das ist so viel wie in keinem anderen europäischen Land. Insgesamt produzieren Haushalte, Gewerbe und Industrie hierzulande über fünf Milliarden Kubikmeter Schmutzwasser im Jahr, die in die knapp 10.000 Kläranlagen fließen. Dazu kommen rund drei Milliarden Kubikmeter Regenwasser und erhebliche Mengen an Fremdwasser.
Wie gelangt nun das Abwasser von Waschbecken, Spülmaschine oder Badewanne in die Klärwerke – und was passiert dort damit?
Wohin fließt das Abwasser?
Zuerst fließt das Wasser in die Abwasserkanäle; die würden in Deutschland mit ihrer Länge von 540.723 Kilometern übrigens mehr als 13 Mal um den Globus reichen. Von dort wird das Wasser zu den kommunalen Kläranlagen transportiert, die nahezu alle über drei Reinigungsstufen verfügen. Die erste Stufe, die mechanische Abwasserreinigung, entzieht dem Abwasser etwa 30 Prozent der zugeführten Schmutzstoffe. Zuerst werden grobe Abfälle, wie Äste, Fäkalien und Hygieneartikel, durch einen Rechen entfernt.
Danach gelangt das Abwasser in einen Sand- und Fettfang, in dem sich grobe Stoffe wie Sand oder Kies am Boden absetzen. Im anschließenden Vorklärbecken wird die Fließgeschwindigkeit verringert, um feine Schwebstoffe zu entfernen, die als Primärschlamm in die Schlammbehandlung gegeben werden. Für Leichtstoffe (z. B. Fette, Mineralöle), die an der Wasseroberfläche treiben, erfolgt das Ablassen in einen besonderen Behälter.
Die biologische Stufe kümmert sich um das Entfernen der verbliebenen, überwiegend gelösten Inhaltsstoffe. Sie beruht dabei auf einem natürlichen Vorgang: Im Belebtschlammbecken werden günstige Lebensbedingungen für Mikroorganismen geschaffen. Diese ernähren sich von den Schmutzstoffen im Abwasser und bauen sie in den eigenen Organismus ein. Auch die Aufnahme von Schadstoffen wie Schwermetallen ist möglich. Nach den ersten beiden Reinigungsstufen ist das Abwasser bereits zu etwa 90 Prozent gereinigt.
Der letzte Schritt ist die weitergehende Abwasserreinigung. Hier kommen zusätzliche Verfahren zum Einsatz, um chemische Stoffe wie Phosphor oder Stickstoff zu entfernen. Phosphatreiches Wasser beispielsweise wird aus dem Nachklärbecken in ein Flockungsbecken geleitet. Durch die Zugabe von sogenannten Fällmitteln entsteht eine wasserunlösliche Verbindung. Der Restschmutz setzt sich in einem Nachklärbecken als Schlamm ab und wird dem Faulturm zugeführt. Nach dieser ausgiebigen Reinigung kann das Wasser nun in Gewässer und somit in den natürlichen Wasserkreislauf eingeleitet werden.
Verunreinigungen im Leitungswasser
Allerdings ist es nicht möglich, alle Schadstoffe vollständig herauszufiltern: Mikroverunreinigungen und Nanomaterialien, wie Biozide, Arzneimittelrückstände, Kosmetika, Reinigungsmittel sowie Haushalts- und Industriechemikalien, können trotz des dreistufigen Reinigungsprozesses in die Flüsse und Seen gelangen.
Eine Studie aus dem Jahr 2019 hat sogar in mehreren deutschen Fast-Food-Restaurants Rückstände von Gadolinium in Softdrinks nachgewiesen. Die werden dort mit Sirup und Leitungswasser zubereitet. Das Seltenerdmetall dient als Kontrastmittel in der Magnetresonanztomographie (MRT) und wird von Patienten und Patientinnen nach der Untersuchung mit dem Urin ausgeschieden. So findet es mit dem Abwasser seinen Weg in die Kläranlagen, die es nicht entfernen können. Die gemessene Konzentration ist laut den Forschenden nicht gesundheitsgefährdend. Jedoch gibt sie einen Hinweis darauf, dass sich höchstwahrscheinlich auch andere Chemikalien in unserem Trinkwasser befinden.
Recycling von Wasser ist möglich
Welches Potential in der Abwasserbehandlung steckt, zeigt ein Blick ins Ausland: Der Wasserversorger von Singapur recycelt Abwasser und gewinnt daraus hochreines Trinkwasser mit dem Markennamen „New Water“. Etwa 30 Prozent des Wasserbedarfs werden in der Metropole über recyceltes Abwasser gedeckt – aufgrund der vorherrschenden Wasserknappheit ein wichtiger Schritt. In Deutschland wird das geklärte Wasser durch die Einleitung in Gewässer dem Wasserkreislauf wieder zugeführt. Allerdings wird es nicht direkt weitergenutzt. Recycling von Abwasser geschieht lediglich in der Industrie, beispielsweise bei der Papierherstellung.
Angesichts des Klimawandels ist es nach Ansicht von Wissenschaftlern jedoch sinnvoll, das Abwasser in Zukunft wie im Müllsystem zu trennen und als Ressource zu behandeln. Eine Wiederverwendung ermöglicht es zudem, Schadstoffe und Keime zu entfernen und den Wasserverbrauch sowie den Schmutzwasserabfall zu verringern. In immer mehr Wohnhäusern und Hotels werden mittlerweile Grauwasseranlagen eingebaut. Diese trennen das verbrauchte Wasser vom restlichen Abwasser. Das sogenannte Grauwasser wird anschließend in einer Wasserrecycling-Anlage aufbereitet, sodass es wiederverwendet werden kann.
Abwasser desinfizieren mit UV-Licht
Die Schadstoffe im Abwasser, wie Arzneimittelrückstände oder Antibiotika aus der Tierzucht, gehören zu den größten Herausforderungen der Abwasserbehandlung in den kommenden Jahren. Gelangen die Spurenstoffe in den Wasserkreislauf, stellen sie eine große Gefahr für die Umwelt und Gesundheit dar. Bisher reicht die herkömmliche Klärtechnik nicht aus, um sie zu entfernen.
Auf der einen Seite existieren zwar bereits Technologien, wie spezielle Membranen oder Oxidationsverfahren zum Entfernen solcher Substanzen. Andererseits fehlen bislang gesetzliche Grenzwerte für die Anlagenbetreiber. Doch es gibt auch, im wahrsten Sinne des Wortes, einen Lichtblick: Denn einzelne Klärwerke in Deutschland desinfizieren das Abwasser mit UV-Licht, das Keime innerhalb von Sekunden effektiv abtötet. Da hierbei kein Einsatz von Chemikalien notwendig ist, gilt diese Methode als besonders umweltfreundlich.