Katrin Kühne

Das Klima verändert sich und mit ihm auch die Lebensbedingungen der Menschen. Vor allem das Thema Wasser und Wasserversorgung beschäftigt Städte und Gemeinden. In den vergangenen Jahren haben wir alle Erfahrungen gemacht: mit Hitze und Trockenheit auf der einen und Starkregen auf der anderen Seite. Erinnert sei hier beispielsweise an die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal, die im vergangenen Jahr Menschenleben gekostet hat. „Das Thema ist ein ernstes“, leitete Moderatorin Angela Elis den Kongresstag ein. „So selbstverständlich, wie das Wasser heute aus der Leitung kommt, wird es in Zukunft vermutlich nicht sein.“

Wasserversorgung: Alle Kräfte mobilisieren

Beim 6. WasserDialog, der in diesem Jahr in Leipzig stattfand, ging es um die Fragen: Wie können wir mit diesem ernsten Thema umgehen? Was sind Lösungen, um die Wasserversorgung auch in Zukunft sicherzustellen? Das Forum bot viel Raum für den Austausch von Ideen und Expertise zwischen Akteurinnen und Akteuren aus Kommunen, Verbänden, kommunalen Unternehmen und Fachexpertinnen und -experten der Wasserwirtschaft. Dass das Thema in dieser Breite diskutiert werden muss, machte Wolfram Günther, sächsischer Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft in der ersten Keynote klar: „Es ist keine rein wasserwirtschaftliche Aufgabe mehr.“ Alle Kräfte müssten mobilisiert werden.

Die Herausforderungen seien vielfältig, betonte Wolfram Günther. Zum einen verändere sich das Dargebot von Wasser durch den Klimawandel. Zum anderen gäbe es auch eine Veränderung der Bevölkerungszahl in unterschiedlichen Regionen. Hier müssten etablierte Strukturen neu gedacht und angepasst werden. Im Rahmen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie hat sich der Freistaat Sachsen einige Ziele gesteckt. Eines der wichtigsten: die Renaturierung von Gewässern. Denn ein guter ökologischer Zustand von Flüssen und Seen sei die Antwort auf viele Fragen unserer Zeit, so der Staatsminister mit Blick auf Themen wie Schwammstadt, Schaffung von CO2-Senken und Sicherung der Wasserversorgung. Aktuell seien aber nur 6 bis 7 % der Oberflächengewässer in Sachsen in einem guten Zustand. Es gibt also einiges zu tun.

Starkregen begegnen mit Gefahrenkarte

Bei der Frage, wo wir bei der Bewältigung der großen Zukunftsaufgaben aktuell stehen, bekannte Günther: „Wir sind noch in der strategischen Diskussion.“ Dies kam einigen Teilnehmenden der Veranstaltung zu langsam vor. Vor allem angesichts der Tatsache, dass wir uns derzeit im sechsten Massensterben innerhalb der Erdentwicklung befinden, wie Wissenschaftsjournalist Thomas Ranft in der nächsten Keynote eindrücklich verdeutlichte. Doch: „Große Veränderungen brauchen Zeit“, betonte Ranft, Experte für Klimawandel, Wetter und Nachhaltigkeit. Und ergänzte noch: „Alles, was wir tun, macht es besser.“

In der anschließenden Podiumsdiskussion ging es um den Erfahrungsaustausch und Möglichkeiten für Kommunen, sich beim Thema Wasser fit zu machen und Wasserversorgung zu sichern. Vor allem Überschwemmungen und starke Regenfälle beschäftigten die Diskutanten. Hubertus Milke, Bauingenieur, Professor und Rektor der HTWK Leipzig und Experte für Wasserwirtschaft, wies hier darauf hin, dass jedes neue Bauvorhaben vor dem Hintergrund von Starkregen gedacht werden müsse. Um das Risiko für einzelne Gebiete besser abzuschätzen, könnten Kommunen auf Starkregen- und Hochwassergefahrenkarten zurückgreifen.

Vielfältige Impulse für Kommunen

Nach der Mittagspause konnten die Teilnehmenden tiefer in eines von drei Themen eintauchen: „Klimawandel, Energiekrise, Investitionsstau – wie lässt sich kommunale Handlungsfähigkeit sichern?“, „Ökologische Herausforderungen – ist unsere Wasser-Infrastruktur noch zeitgemäß?“ und „Klima-Positivität in der Wasserwirtschaft – eine Utopie?“ Mit Impulsvorträgen und Diskussionsrunden wurden wichtige Fragen angesprochen und Lösungen entwickelt. Getragen wurden die Dialogforen von spannenden Speakerinnen und Speakern, u. a. vom Deutschen Städte- und Gemeindebund, dem Netzwerk Junge Bürgermeister*innen und vom Potsdam Institute for Climate Impact Research.

Zum Abschluss der Veranstaltung gab es noch einen Impuls der besonderen Art. Micha Fritz, Mitbegründer von Viva con Agua, Social Entrepreneur und kreativer Aktivist, verdeutlichte den Teilnehmenden, wie man die Welt positiv beeinflussen kann: mit Wasser, Kunst und Klopapier.

Sie bedecken weltweit nur drei Prozent der Landflächen, speichern aber doppelt so viel CO2 wie alle Wälder der Erde zusammen: Moore. Sie stellen wichtige Ökosysteme dar, die maßgeblich zur Biodiversität unseres Planeten beitragen. Diesen bedeutsamen Feuchtgebieten haben nun die Heinrich-Böll-Stiftung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Michael Succow Stiftung den Mooratlas 2023 gewidmet.

Neben einem „Loblied“ auf die Moore ist dieses Werk auch eine Warnung an alle und ein Appell an die Politik. Denn ihre fortschreitende Zerstörung wird katastrophale Folgen auf das Leben und das Klima haben, wenn hier nicht entschieden entgegengewirkt wird.

Die Trockenlegung der Moore verursacht in Deutschland aktuell mehr als sieben Prozent aller CO2-Emissionen. Von den 500 Millionen Hektar globaler Moorfläche sind bereits mehr als zehn Prozent entwässert. In Mitteleuropa sind es gar 90 Prozent, während zugleich auch die Entwässerung in anderen Weltregionen zu einem erheblichen Teil auf die Nachfrage in Europa zurückgeht. Durch Land- und Forstwirtschaft und den Hunger nach Rohstoffen, wie Holz, Zellstoff oder Palmöl, werden weltweit jedes Jahr zusätzlich 500.000 Hektar zerstört. Damit schwinden die darin enthaltenen Torfschichten zehnmal schneller, als sie in gesunden Mooren wachsen.

Mooratlas: Intakte Moore schützen

Intakte Moore sind als Kohlenstoffsenken im Kampf gegen den Klimawandel unerlässlich. Daher sehen die Autorinnen und Autoren des Mooratlas 2023 angesichts der prekären Lage der Feuchtgebiete dringenden Handlungsbedarf. So bedürfe es einer globalen Wiedervernässung von zwei Millionen Hektar Moorland pro Jahr – 500.000 davon allein in der EU und 50.000 in Deutschland. Darüber hinaus gelte es, intakte Moore zu schützen. Der Atlas nennt als effektive und überprüfbare Maßnahmen hierzu etwa eine Reduzierung des Verbrauchs von Rohstoffen aus entwässerten Moorregenwäldern und eine Lieferkettenverfolgung mit zertifiziertem Moorschutz. Eine weitere Schutzmaßnahme bestünde in rechtsverbindlichen internationalen Abkommen zum Schutz und zur Wiederherstellung von Mooren.

Nationale Moorschutzstrategie

Als wichtiger erster Schritt für die Rettung der Moore werden im Atlas die Nationale Moorschutzstrategie und das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) der Bundesregierung positiv hervorgehoben. Die Reduzierung der jährlichen CO2-Emissionen aus Moorböden um lediglich fünf Millionen Tonnen greife jedoch in Anbetracht der 53 Millionen Tonnen an Treibhausgasen, die in Deutschland durch die Entwässerung der Moore entstehen, entschieden zu kurz.

Die Autorinnen und Autoren plädieren daher für konkrete und transparente Rahmenbedingungen zur Anerkennung und Unterstützung innovativer Produkte wie nachhaltiger Biomasse aus Paludikultur, der nassen Bewirtschaftung von Mooren. Als wichtiges Steuerungsinstrument für die Moornutzung nennen sie etwa die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP).

Paludikultur-Flächen sind demnach für die Förderperiode von 2023 bis 2027 grundsätzlich förderfähig. Zugleich sollte stets auch die Bevölkerung in Wiedervernässungsprojekte frühzeitig eingebunden werden. Auf diese Weisen werden z. B. regionale Kooperationsstrukturen für die Verknüpfung von Themen wie Landwirtschaft, Produktentwicklung und -vermarktung sowie Tourismus und Naturschutz geschaffen.

Grüne Parks statt graue Parkplätze, mit Wärmepumpen betriebene Eventhallen und mit Photovoltaik überdachte Fahrradwege. Zur Begrüßung der Teilnehmenden des 12. Kongresses Klimaneutrale Kommune in Freiburg im Breisgau entwarf Moderator Damian Wimmer von der Energieagentur Freiburg das Bild einer lebenswerten und grünen Stadt. Wie diese Vision in die Realität gebracht werden kann, war Thema in zahlreichen Vorträgen, Praxisforen und Diskussionsrunden. Dabei waren sich die Referentinnen und Referenten wie auch Zuhörende einig: Kommunen spielen bei der Umsetzung der Klimawende eine gewichtige Rolle. Die Voraussetzung hierfür brachte die Vorsitzende des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW, Kerstin Andreae, im Vortrag zu Herausforderungen und Chancen der Energiewirtschaft in der Zeitenwende auf den Punkt: „Es braucht eine Gelingenshaltung bis in jede Amtsstube.“

„Klimaschutz muss Pflichtaufgabe werden“

Welche Handlungsspielräume Städte und Gemeinden in der Bewältigung dieser „Menschheitsaufgabe“ haben, skizzierte die Freiburger Bürgermeisterin Christine Buchheit im ersten Vortrag vor großem Plenum. Zum ersten könne eine Kommune etwas in ihrem unmittelbaren Aktionsradius bewirken, beispielsweise durch ein systematisches Energiemanagement. Des Weiteren habe sie Gestaltungsmacht beim Aufbau einer Infrastruktur, die Klimaneutralität ermögliche, und bei der Umsetzung regulatorischer Maßnahmen, wie der Parkraumbewirtschaftung. Als viertes Handlungsfeld nannte Buchheit Informieren und Beratung von Bürgerinnen und Bürgern.

Freiburg selbst geht beim Thema Klimaneutralität mit gutem Beispiel voran: Statt 2045 will die Stadt schon 2035 CO2-neutral sein. „Das ist so gut wie morgen“, so Buchheit zu dem ambitionierten Vorhaben. Bei allen Möglichkeiten verwies sie jedoch auch auf die Tatsache, dass kommunaler Klimaschutz bislang auf Freiwilligkeit beruhe und aufgrund fehlender Ressourcen vielerorts „unter die Räder gerate“. Ihre Forderung lautete deshalb: Klimaschutz müsse kommunale Pflichtaufgabe werden, getragen durch spezielle finanzielle Mittel vom Bund und einem Förderansatz mit festem Budget.

Wie Klimaschutz und explizit die Energiewende und Wärmewende auf kommunaler Ebene nun realisiert werden kann, wurde sehr konkret in den folgenden Praxisforen diskutiert. Hier stellten verschiedene Unternehmen aus der Energiewirtschaft Innovationen, Projekte und Anwendungsfelder vor. Im Anschluss standen sie am runden Tisch Rede und Antwort. Vertreterinnen und Vertreter aus Städten und Gemeinden erhielten viele inspirierende Ideen für eine klimaneutrale Stadtentwicklung. Hierzu gehörten beispielsweise Flächenpooling für den Ausbau von Windenergie, einen mit Solarzellen überdachten Radweg, der gerade als erster seiner Art in Freiburg entsteht, und Strategien für einen Bürgerdialog bei der Steuerung von Freiflächen-Photovoltaik.

Neue Ideen für klimaneutrale Kommunen

Auch nachhaltige Mobilität war Thema während der zweitägigen Veranstaltungen. Hier wurde z. B. der Frage nachgegangen: Wie bringt man Sharingangebote aufs Land? Oder: Wem soll der öffentliche Raum zur Verfügung gestellt werden? Stichwort: Parkraummanagement. Das spült nicht nur Geld in die Stadtkasse. Angesichts größer werdender und emissionsintensiver PKWs kann dies auch ein kommunales Klimaschutzinstrument sein, erläuterte die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg. 

Über die Fördermöglichkeiten für nachhaltige Mobilität klärte schließlich das Regierungspräsidium Freiburg auf. Kommunen wurde hier auf unterhaltsame Weise Mut gemacht, Förderungen in Anspruch zu nehmen.

Klimaanpassung und soziale Gerechtigkeit

In der Abschlussrunde richtete Miriam Dross vom Umweltbundesamt den Blick noch einmal auf das Thema Klimaanpassung. Insbesondere warnte sie vor Hitze als größtem Risiko im Zuge des Klimawandels. So habe es einen signifikanten Anstieg hitzebedingter Sterbefälle in den vergangenen Jahren gegeben, wie die Referentin zu berichten wusste. Um dem beizukommen, müssten Kommunen vor allem an drei Stellschrauben drehen: Mobilität, grüne und blaue Infrastruktur sowie Wohnen. Hier sei vor allem auch der Aspekt der sozialen Gerechtigkeit zu berücksichtigen. Einer UBA-Studie zufolge erreichten z. B. 1 Drittel aller Kinder nicht innerhalb von zehn Minuten eine öffentliche Grünfläche, so Dross. Da bestehe noch Verbesserungsbedarf auf Seiten der Städte und Gemeinden.

Verbesserungsbedarf gibt es auch auf Bundesebene, was die bereits beschriebene Forderung nach Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe angeht. Die griff Daniel Philipp vom Bundesverband Klimaschutz in seinem Vortrag nochmals auf und präsentierte Zahlen, die nachdenklich stimmten: Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes 2021 hätten circa 10.000 von 11.270 Kommunen kein Klimaschutzmanagement. „Hier kommt das Modell von Freiwilligkeit und Förderung beim kommunalen Klimaschutz an seine Grenzen“, so Philipp. 

Zwar verbiete der Föderalismus dem Bund die Aufgabenzuweisung an die Kommunen, doch könne man z. B. über eine vergleichsweise kleine Änderung den Klimaschutz im Grundgesetz verankern. Ein Vorstoß hierzu käme von der Klima-Allianz, berichtete der Klimaschutzmanager. Der habe jedoch – zumindest kurzfristig – wenig Aussicht auf Erfolg. Grund für Pessimismus sieht Philipps aber nicht: „Wir schaffen das, wenn wir mit allen Kräften zusammenarbeiten.“

Mehr alternative Antriebe auf Deutschlands Straßen: Laut dem Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung soll ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr bis 2030 elektrisch oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe erfolgen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die „Richtlinie über die Förderung von leichten und schweren Nutzfahrzeugen mit klimaschonenden, alternativen Antrieben und dazugehöriger Tank- und Ladeinfrastruktur“ (KsNI) erlassen.

Die Förderrichtlinie wurde Mitte 2021 erstmalig von der Europäischen Kommission genehmigt und galt bislang mit einer Laufzeit bis Ende 2024. Nun wurde das Förderprogramm um zwei weitere Jahre verlängert.

Fördergelder für Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur

Die finanziellen Mittel werden im Rahmen des Programms durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) zur Verfügung gestellt. Gefördert wird die Anschaffung von Nutz-, Sonder- und umgerüsteten Dieselfahrzeugen mit alternativen Antrieben wie Batterie und Brennstoffzelle sowie Plug-In-Hybride und hybride Oberleitungsantriebe. Die Fördermittel für alternative Antriebe liegen bis 2025 bei etwa 1,3 Milliarden Euro. Insgesamt werden 80 Prozent der Investitionsmehrausgaben bei der Fahrzeuganschaffung gefördert.

Zum anderen bezuschusst das BMDV 80 Prozent der zuwendungsfähigen projektbezogenen Gesamtausgaben für die Beschaffung betriebsnotwendiger Tank- und Ladeinfrastruktur mit 6,3 Milliarden Euro. Ebenfalls förderfähig ist die Erstellung von Machbarkeitsstudien. Die Bezuschussung für diese liegt bei 50 Prozent.

Planungssicherheit für alternative Antriebe

Förderfähig sind sowohl Privatunternehmen als auch kommunale Unternehmen, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie eingetragene Vereine. Gleichsam können Leasing- und Mietgeber eine Förderung in Anspruch nehmen. Durch die Verlängerung bis 2026 erhalten potenzielle Nutzer der Förderung wie auch Hersteller im Fahrzeug- oder Tank- bzw. Ladeinfrastruktur-Sektor Planungssicherheit für die kommenden Jahre.

Neben der Verlängerung wird zugleich der Höchstbetrag pro Antragsteller, Fördergegenstand und Kalenderjahr von zuvor 15 Millionen Euro auf 25 Millionen Euro aufgestockt. Das Gesamtbudget von 1,3 bzw. 6,3 Milliarden Euro bleibt jedoch gleich.

Fünfmal mehr Anträge für Förderung

Seit ihrem Start im August 2021 wird die Förderung immer häufiger in Anspruch genommen. So betrug das Antragsvolumen beim ersten Förderaufruf noch ca. 300 Millionen Euro. Beim zweiten Förderaufruf gingen bereits Anträge mit dem fünffachen Volumen beim BMDV ein.

Da Kunststoffverpackungen und -abfallbeutel sowie andere Kunststoffprodukte sich nur sehr langsam zersetzen, stellen sie eine große Belastung für die Umwelt dar. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher setzen daher in ihrem Wunsch, umweltbewusst zu handeln, auf kompostierbare Produkte aus Bioplastik. Dass diese jedoch offenbar nicht unbedingt das halten, was sie versprechen, hat nun ein Experiment der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ergeben.

Die ernüchternde Bilanz: Kein einziges Produkt konnte bei der Kompostierung wirklich vollständig zersetzt werden. Die DUH fordert daher ein Verbot für die Bewerbung angeblicher Kompostierbarkeit und hat eine entsprechende Protestmail-Aktion gestartet, die sich an Bundesumweltministerin Steffi Lemke richtet.

Produkte aus Bioplastik nicht kompostierbar

Das Experiment wurde in einer Kompostierungsanlage im Rhein-Sieg-Kreis unter Anwesenheit verschiedener Pressevertreterinnen und -vertreter durchgeführt. Getestet wurden verschiedene, handelsübliche Verpackungen aus Bioplastik, indem sie für drei Wochen in die industrielle Rotte gegeben wurden. Darunter waren Riegelverpackungen, Wegwerfteller, To-go-Becher und Kaffeekapseln sowie Bioplastikprodukte wie Abfallsammelbeutel, Schuhe und Einwegrasierer.

Alle getesteten Verpackungen und Produkte verfügten über Aufdrucke wie „kompostierbar“ oder „biologisch abbaubar“. Doch keines der Testobjekte konnte dieser Deklaration wirklich gerecht werden. Ein Großteil überstand die Behandlung in der Anlage praktisch unverändert. Der Rest zerfiel lediglich in Stücke, die allerdings zu einer Beeinträchtigung der Kompostqualität führen könnten.

Kompostierbares Plastik ist Werbelüge

Die DUH wertet dieses Ergebnis als eindeutigen Beweis dafür, dass es sich bei der deklarierten Kompostierbarkeit um eine Werbelüge handelt. Sie weist auf die fatalen Folgen hin, die solche Falschbehauptungen haben könnten. „Statt umweltbewussten Konsum zu ermöglichen, führen Werbeaussagen zur Kompostierbarkeit von Bioplastikprodukten zu falschen Annahmen über deren Umweltverträglichkeit und Entsorgung“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.

DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft Thomas Fischer sieht folgende möglichen Gefahren: eine Belastung landwirtschaftlicher Flächen durch Plastikpartikel, eine beeinträchtigte Bioabfall-Kompostierung sowie eine Vermüllung der Umwelt. Hinzu käme ein geringerer Anreiz für die Nutzung nachweislich umweltfreundlicherer Alternativen.

Herstellung von Bioplastik nicht umweltfreundlich

In einer Pressemitteilung zum Experiment weist der gemeinnützige Verein noch auf ein weiteres Problem mit Bioplastik hin: Auch die Herstellung der vermeintlich nachhaltigeren Plastikalternative ist keineswegs umweltfreundlich. So würden zur Produktion häufig unökologisch kultivierte Nutzpflanzen aus Monokulturen eingesetzt. Weniger Abfall fällt am Ende nicht an.

Fast sämtliche Bioplastikprodukte dürfen nicht in der Biotonne entsorgt werden. Dort landen sie jedoch aufgrund der falschen Angaben zu ihrer Kompostierbarkeit häufig. Das falsch entsorgte Bioplastik muss anschließend aus dem Kompost aussortiert werden und wird letztendlich verbrannt.

Im Rahmen der „Grünen Woche“ fand am 25. und 26. Januar unter dem diesjährigen Titel „Land.Kann.Klima“ das Zukunftsforum Ländliche Entwicklung in Berlin statt. An der zweitägigen Veranstaltung nahmen mehr als 3.000 Vertreter und Vertreterinnen aus Kommunal- und Bundespolitik, Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft vor Ort oder an den Bildschirmen teil.

Ländliche Regionen: „Die besten Ideen entstehen vor Ort“

Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eröffnete den Kongress „Land.Kann.Klima“ am 25. Januar mit den Worten: „Der ländliche Raum entscheidet darüber, ob Energie- und Klimawende gelingen.“ Mit dem Regionalbudget und weiteren EU- und Bundesförderprogrammen sollen ländliche Regionen unterstützt werden, um sich bei der Klimaanpassung und der Energiewende resilient und zukunftsfähig aufzustellen. Dabei sei es wichtig, so Özdemir, dem ländlichen Raum in seinen Besonderheiten und Stärken und nicht analog zu städtischen Kommunen zur Seite zu stehen: Vorausschauende Flächenplanung, Hochwasserschutz und Aktivierung der Wälder seien wichtige Themen dieser Zeit. 

Aber die besten Ideen würden vor Ort und durch aktive Bürger und Bürgerinnen entstehen, so der Minister. Innovation und Erfindergeist seien auf dem Land zuhause, quasi als Ideenschmiede für Dorfentwicklung, Moorstrategie oder Forstaufbau. Kommunen sollten perspektivisch von den Erträgen aus erneuerbaren Energien partizipieren können. Auch von Irland könne man bei der Gestaltung von ländlichen Regionen viel lernen, so Özdemir mit Blick zu seiner irischen Kollegin Heather Humphreys, Ministerin für Soziale Sicherheit, Kommunen und ländliche Entwicklung, die als Vertreterin des Partnerlandes vom Zukunftsforum nach Berlin gereist war. 

Kreislaufwirtschaft als zentraler Schlüssel für Klimaschutz

Neben der politischen Eröffnungsveranstaltung, bei der auch Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), sich optimistisch zum regionalen Engagement äußerte, wurden in Zusammenarbeit mit Verbänden und Institutionen im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung 32 Fachforen angeboten und rege besucht. Dabei zog sich das Thema Kreislaufwirtschaft neben dem Einsatz erneuerbarer Energien durch alle Vorträge wie ein roter Faden, denn die beiden Schwerpunkte seien ein zentraler Schlüssel für den Klimaschutz, so die Experten auf den Podien. 

Der Zukunftskongress ist das größte und bedeutendste nationale Forum für Fragen ländlicher Entwicklung in Deutschland. Es wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) jährlich im Januar und stets im Rahmen der Internationalen Grünen Woche ausgerichtet. Mit dem Zukunftsforum bietet das BMEL den Akteuren der Ländlichen Entwicklung seit 15 Jahren eine Plattform ihre Ideen, Erfahrungen und Wissen mit anderen zu teilen und zu diskutieren.

Ressourcenschonung sieht anders aus: Kaum ein Wirtschaftszweig verschlingt so viele Ressourcen wie das Bauwesen. Momentan entfallen allein auf die Herstellung von Zement und Beton jährlich mit 236 Mio. Tonnen rund ein Fünftel der in Deutschland eingesetzten Primärrohstoffe, darunter insbesondere mineralische wie Kalkstein, Kies und Sand. Das ist in zweierlei Hinsicht problematisch: Zum einen handelt es sich um wertvolle, endliche Ressourcen, die zunehmend knapper werden. Zum anderen erfordert die Zementherstellung einen immens hohen Energieeinsatz und ist damit global für etwa acht Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Eine neue Studie des Verbands Deutscher Zementwerke (VDZ) eruiert nun Wege, um diesen enormen Ressourceneinsatz bis 2050 drastisch zu reduzieren.

Ressourcenschonung mit rezyklierten Rohstoffen

Die Studie „Ressourcen der Zukunft für Zement und Beton – Potenziale und Handlungsstrategien“ kommt zu dem Ergebnis, dass bis 2050 eine Reduzierung der verwendeten Primärrohstoffe um etwa 96,8 Mio. Tonnen (ca. 41 Prozent) möglich sei. Der Schlüssel hierzu liege in erster Linie in einer extensiven Verwendung rezyklierter Rohstoffe, die durch den Rückbau bestehender Bauwerke wiedergewonnen werden. So lässt sich etwa recycelte Gesteinskörnung zur Herstellung von Recyclingbeton verwenden. Brechsand kann wiederum zur Produktion von Zement und Klinkern genutzt werden.

Nachhaltiges Stoffstrommanagement

Um diese bereits verbauten Sekundärrohstoffe in diesem Umfang wirklich nutzen zu können, seien laut der Studie noch eine Reihe weiterer Maßnahmen erforderlich. So sei etwa ein nachhaltiges Stoffstrommanagement im Sinne eines Urban Mining (der „systematischen Bewirtschaftung des anthropogenen Rohstofflagers“) vonnöten, mit dessen Hilfe Materialien systematisch erfasst und wieder in den Kreislauf gebracht werden könnten. Zugleich bedürfe es eines politischen Instrumentenmix durch die öffentliche Hand, um ein durchgängiges Angebot an Recyclingbaustoffen sowie die Nachfrage nach ressourcenschonendem Bauen zu fördern.

Gesamte Wertschöpfungskette am Bau gefragt

Neben dem technischen und politischen Rahmen müsse das Ziel Ressourcenschonung außerdem entlang der gesamten Wertschöpfungskette Bau und im Schulterschluss der Branche angegangen werden. Demnach komme laut dem VDZ der „Kommunikation zwischen Zement- und Betonherstellern, Planern, Architekten, Bauherren sowie Bau- und Recyclingindustrie eine herausragende Bedeutung zu“.

Mit dem Ende 2019 erlassenen Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) wurde ab 2021 ein nationaler Handel mit Zertifikaten für (Treibhausgas-) Emissionen aus Brennstoffen eingeführt – die CO2-Bepreisung. In erster Linie betrifft diese sogenannte Hauptbrennstoffe, die für die Wärmegewinnung oder den Verkehr eingesetzt werden, wie Diesel, Benzin, Kerosin, Erdgas, Flüssiggas oder Heizöl. Zu diesen sollten laut einem Beschluss der Bundesregierung vom 13. Juli 2022 ab 2023 auch Kohle und für die Verbrennung vorgesehener Abfall gezählt werden. Nach einer Überarbeitung des Entwurfs „eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes“ wurde das Inkrafttreten zumindest für Abfälle vom Bundestag nun noch einmal um ein Jahr verschoben.

Durch die Miteinbeziehung von Kohle und Abfall will die Regierungskoalition das gesamte nationale Emissionsbudget abbilden und klimaschädliche Anreize in diesen Bereichen unterbinden. Im Abfallsektor soll darüber hinaus mit der Regelung die stoffliche Verwertung gegenüber der thermischen bevorteilt und somit die wirtschaftliche Situation der Recyclingwirtschaft verbessert werden.

CO2-Bepreisung: Umstrittene Regelung

Dass Siedlungsabfälle überhaupt als Brennstoff betrachtet werden, für deren Emissionen bezahlt werden soll, ist unter Sachverständigen höchst umstritten. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) u. a. sieht in den daraus folgenden höheren Entsorgungskosten mitunter eine Belastung für Geringverdiener. Da die Abfallgebühren einen besonders großen Anteil an deren verfügbarem Einkommen hätten, würden sie von einer Erhöhung überproportional belastet. Auch könnten Mieterinnen und Mieter im Gegensatz zu Eigenheimbesitzern (die direkten Einfluss auf die Trennung ihres Abfalls haben) den höheren Gebühren kaum ausweichen, da diese nach Quadratmetern über die Nebenkostenabrechnung umgelegt würden.

Zweifel an Lenkungswirkung

Unter den Branchenverbänden bestehen zudem Zweifel an der Lenkungswirkung der Maßnahme für eine Reduzierung der CO2-Emissionen. Der geschäftsführende Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE), Peter Kurth, erklärte bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie Mitte Oktober 2022: „Preise haben keine Auswirkung auf die Menge, die verbrannt wird.“ Vielmehr drohe, dass mehr Müll ins Ausland verbracht und dort (billiger) verbrannt würde.

Preiserwartungen lenken Emissionen

Dr. Felix Matthes, Forschungskoordinator im Bereich Energie- und Klimapolitik beim Öko-Institut, argumentierte dagegen, dass nicht die höheren Preise an sich, sondern die Ankündigungswirkung ausschlaggebend sei. Was Emissionen lenke, seien demnach Preiserwartungen für die Zukunft, nicht aktuelle Preise. Die Wirkung der Ankündigung, dass die Regelung nun 2024 in Kraft treten soll, war indes für die Verbände um VKU und BDE eher eine enttäuschende. Sie hatten sich für einen mindestens zweijährigen Aufschub eingesetzt.

Deutschlands Kommunen sind für den Ernstfall nicht gut aufgestellt. Sollte es in den kommenden Monaten zu einem längeren Stromausfall, einem Blackout, kommen, würde in vielen Städten und Gemeinden nichts mehr gehen. Das ist das Ergebnis einer Recherche des ARD-Politikmagazins „Report Mainz“. Dieses hatte von September bis Anfang Oktober bundesweit über 400 kreisfreie Städte und Landkreise sowie Berliner Bezirke angefragt. Mehr als 200 Städte und Gemeinden beteiligten sich an der Befragung, darunter große Städte wie Mainz, Heilbronn oder Braunschweig und bevölkerungsreiche Landkreise wie Wittenberg, Heinsberg, Harz oder Landshut.

Kommunen haben keinen Plan für Blackout

„Gibt es in der Verwaltung einen Einsatzplan Stromausfall, auf den im Notfall alle Beteiligten unmittelbar zugreifen können?“ Diese Frage beantworteten 101 Kommune mit „Nein“. 78 Kommunen gaben an, keinen Notbrunnen im eigenen Zuständigkeitsbereich zu haben. Der wird notwendig, sollte die Trinkwasserversorgung in Folge eines lang anhaltenden Stromausfalls zusammenbrechen. Denn ohne Strom funktionieren die Pumpen in den Wasserwerken nicht. Auch sogenannte Katastrophen-Leuchttürme als Anlaufstelle für die Bevölkerung, sich im Katastrophenfall zu informieren, aufzuwärmen und Notfälle zu melden, gibt es laut Umfrage in 67 Kommunen nicht.

„Kein Wasser, keine Heizung, kein Strom. Wenn sich das regional um ein, zwei Stunden handelt, ist es nicht schlimm. Aber bei 24 Stunden haben wir schon ein Riesenproblem“, so Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds. Gegenüber dem Magazin „Report Mainz“ sagte er: „Eigentlich müssten die Länder sich auf einen Masterplan für zivilen Katastrophenschutz verständigen.“ Dieser müsse zusammen mit den Kommunen umgesetzt werden. Zudem müsse man sich mehr „um Hilfe von Seiten des Bundes bemühen“, forderte Landsberg weiter.

Katastrophenschutz: Keine einheitliche Regelung

Für den Katastrophenschutz sind in Deutschland eigentlich die Bundesländer zuständig. Die Verantwortung für die Bevölkerung vor Ort haben sie jedoch an die Kommunen übertragen. Wie der Schutz im konkreten Fall dann aussieht, entscheiden oftmals die jeweiligen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Genau das sieht Katastrophenforscher Martin Voss sehr kritisch: Wenn „jedes Dörfchen sein eigenes Süppchen kocht und jeder Bürgermeister seine ortsbezogene Politik macht“, sei es oft dem Zufall überlassen, ob vor Ort eine entsprechende Infrastruktur sei. Er fordert deshalb eine bundesweit einheitliche Regelung für Stromausfälle.

Experteneinschätzung: Blackout nicht wahrscheinlicher als sonst

Wie realistisch ist ein länger anhaltender Stromausfall? Unstrittig ist: In diesem Jahr gibt es einige Risiken, wie unterversorgte Gaskraftwerke und ein erhöhter Strombedarf zum Heizen. Doch diese seien alle vorher absehbar, so Christian Rehtanz, Professor für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der Technischen Universität Dortmund. Die Wahrscheinlichkeit für einen Blackout sei „nicht nennenswert höher als sonst“.

Auch eine aktuelle Risikoanalyse der Bundesregierung schätzt die Lage als nicht besonders bedrohlich ein: „Großflächige langanhaltende Stromausfälle – sogenannte Blackouts – hat es in Deutschland bisher nicht gegeben. Diese bleiben auch weiterhin sehr unwahrscheinlich“, ist auf der Seite der Bundesregierung nachzulesen. Zwar könnten kurze Stromausfälle immer wieder auftreten. Diese seien jedoch regional begrenzt und dauerten i. d. R. nur wenige Minuten oder Stunden an.

Das Klimaticket kommt: Der Nachfolger des 9-Euro-Tickets nimmt konkrete Formen an. Auf der Verkehrsministerkonferenz (VMK) Mitte Oktober in Bremerhaven einigten sich die Vertreter der Länder sowie des Bundes auf die Einführung eines 49-Euro-Tickets. Das könnte bereits ab 1. Januar 2023 erhältlich sein. Angesichts dieser Einigung sprach Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der wahrscheinlich „größten Reform für den ÖPNV überhaupt“. „Ich freue mich, dass der Weg frei ist für ein einfaches, deutschlandweit gültiges papierloses Ticket“, so Wissing zum Abschluss der Konferenz.

Länder fordern stabilere Grundfinanzierung

Ganz frei ist der Weg allerdings noch nicht. Denn auch wenn die Länder ihre Beteiligung an den Kosten von insgesamt 3 Milliarden Euro pro Jahr zugesichert haben, stehen in punkto Finanzierung noch einige Fragezeichen im Raum. Der Bund will 1,5 Milliarden Euro beisteuern, allerdings nur unter der Bedingung, dass die Länder mindestens den gleichen Betrag aufbringen. Die Länder hingegen wünschen sich bei der Finanzierung der explodierenden Energiepreise stärkere Unterstützung durch den Bund. Zudem fordern sie eine sofortige und dauerhafte Erhöhung der Regionalisierungsmittel um 1,5 Milliarden Euro, um den ÖPNV insgesamt stabiler aufstellen zu können.

Ohne Erhöhung dieser Grundfinanzierung drohten Angebotskürzungen, warnte der Verband deutscher Verkehrsunternehmen. „Wir laufen Gefahr, dass wir massiv und flächendeckend Angebote einstellen müssen, weil sie wegen Kostensteigerungen nicht mehr finanzierbar sind“, so Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. Auch Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, verwies auf die prekäre Situation des öffentlichen Nahverkehrs: „Der ÖPNV ist schon lange extrem unterfinanziert.“ Das neue Ticket dürfe wichtige Investitionen in den Nahverkehr nicht ausbremsen, so Dedy gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Klimaticket: Nicht nur der Preis macht ÖPNV attraktiv

Es sind auch diese wichtigen Investitionen, wie Ausbau und Erneuerung von Verkehrswegen und Zugangsanlagen, die den ÖPNV attraktiver machen und damit mehr Leute zum Umstieg motivieren. Politik und Experten gehen zwar davon aus, dass schon der günstige Preis und das bundesweit einheitliche System vor allem bei Pendlerinnen und Pendlern sowie Gelegenheitsfahrerinnen und Gelegenheitsfahrern gut ankommt. Die Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau in Bremen und Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Maike Schaefer, gibt jedoch zu Bedenken: „Ein kostengünstiges deutschlandweit gültiges Ticket hat keinen finanziellen Entlastungseffekt für Menschen oder für die Verkehrswende und damit für das Klima, wenn die Länder künftig mangels Finanzmitteln Strecken schließen und Leistungen abbestellen müssten.“

Inwieweit der Bund nun auf die Forderung der Länder nach einer dauerhaften Erhöhung der Regionalisierungsmittel eingeht, ist noch unklar. An dem Ziel, ein deutschlandweit gültiges und günstiges Ticket so schnell wie möglich einzuführen, halten indes beide Seiten auch weiterhin fest.

Gerade jetzt, in schwierigeren Zeiten innerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge, herrscht unter vielen Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Tagung „Fördermittellandschaft im Wandel“ Unsicherheit über abrufbare öffentliche Mittel. Denn „die Fördermittellandschaft unterliegt einem starken Wandel hin zu unternehmerischen Werten und Wettbewerb“, so Katja Müller vom Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. (KOWID) und Gastgeberin der Veranstaltung.

Herausforderungen für Kommunen bei Förderungsbeantragung

Für viele Bereiche der technischen, sozialen, aber auch kulturellen Infrastrukturentwicklung und -instandhaltung sind für eine erfolgreiche Umsetzung Fördermittel unerlässlich. Nicht zuletzt auch zur Sicherstellung der Finanzierung entsprechender Maßnahmen. Doch allein die Frage: „Was wird wie für meine Kommune gefördert und von wem?“ stellt viele Städte und Gemeinden vor eine Herausforderung. Recherchen und Prüfungen sind notwendig, Anpassungen von Projekten und Einhalten von Fristen – die Kommunen stehen vor diversen Hürden, sei es mit Blick auf die Auswahl geeigneter Programme oder die dafür erforderlichen finanziellen, personellen oder zeitlichen Ressourcen. Die Veränderung verschiedener Rahmenbedingungen, politischer Zielstellungen oder auch relevanter Herausforderungen führt zudem dazu, dass sich die Fördermittellandschaft zur Unterstützung von Projekten zahlreicher Couleur auf allen Politikebenen und -bereichen seit einiger Zeit stark verändern.

Projektbasierte Unterstützung – auch im Klimaschutz

Laut Tilmann Schweisfurth, Vorsitzender der Förderkommission II im Freistaat Sachsen, sind 93 % aller Zuwendungen des Landes Sachsen Projektförderungen. Deshalb motiviert er Kommunen, die Erlangung von Fördergeldern projektbasiert zu gestalten. Hier bietet sich derzeit für Städte und Gemeinden ein breites Spektrum an Förderchancen. Im Bereich Klima- und Umweltschutz sind Fördertöpfe vor allem beim Umbau von Gebäuden hinsichtlich Energieeffizienz oder bei Mobilitätslösungen, Strom- und Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien sowie der Umweltbildung und der umweltfreundlichen Ressourcennutzung zu finden. Jedes Bundesland hat jedoch eigene Förderstrategien und Schwerpunkte und oft bieten die Landesregierungen hier digitale Recherchemöglichkeiten, wie Förderdatenbanken. 

Austausch und Netzwerktreffen

Wer in der deutschen Förderlandschaft Orientierung sucht, dem seien vor allem stete Kommunikation und Nachfragen empfohlen. Viele Städte und Gemeinden haben bereits Erfahrungen gesammelt und können zu ihren erfolgten Maßnahmen berichten. Auch Institute und Veranstaltungen wie diese in Leipzig können dazu beitragen, sich besser zurechtzufinden, offene Fragen beantwortet zu bekommen und Ideen anzuregen.

Das Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. (KOWID) fördert mit dieser Art von Weiterbildung einen wichtigen Vernetzungsgedanken. In wissenschaftlichen Studien, Expertisen, Vorträgen und Veröffentlichungen stellt sich das Team um Oliver Rottmann aktuellen Problem- und Fragestellungen, analysiert diese wissenschaftlich und veröffentlicht die Ergebnisse kostenfrei. Ziel ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der öffentlichen Wirtschaft und der öffentlichen Unternehmen.

Beim VKU-Stadtwerkekongress 2022 ging es um die großen Themen unserer Zeit: Energiepolitik, Klimaschutz, Digitalisierung. Mehr als 550 Entscheiderinnen und Entscheider aus kommunalen Unternehmen trafen sich am 20. und 21. September zum diesjährigen Branchenhighlight in Leipzig. Und so war es auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, der gleich zu Anfang in einer Grußbotschaft per Video an die Teilnehmenden appellierte: Entwickeln Sie zusammen Lösungen.“

Versorgungskrise: Stadtwerke fordern Schutzschirm

Auf den Punkt gebracht und bisweilen auch kontrovers wurden dann im Laufe der zwei Kongresstage über die klima- und energiewirtschaftspolitische Agenda diskutiert, Impulse für zukünftige Aktivitäten gesetzt und Netzwerke geknüpft. Thema Nummer eins war dabei die Versorgungskrise, die kommunale Unternehmen vor eine große Herausforderung stellt. Viele Stadtwerke kommen an die Grenze ihrer Liquidität“, so VKU-Präsident und Oberbürgermeister der Stadt Mainz, Michael Ebling im 5-Minuten-Impuls zum Thema. Er forderte von der Bundesregierung eine bundeseinheitliche Unterstützung kommunaler Unternehmen und einen Preisdeckel für Endkunden: Stadtwerke sind genauso relevant wie Uniper.“

Gerade die jüngst dingfest gemachte Verstaatlichung von Uniper sorgte dabei natürlich für Unmut. Das Problem bei der Wurzel packen“, nannte dagegen Dr. Patrick Graichen, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, die Stärkung des Energieriesens durch den Bund. In der Diskussion zum Thema Wie erreichen wir den Klimaschutz unter Wahrung des energiepolitischen Zieldreiecks?“ gab er der Forderung vieler Teilnehmenden nach einem Schutzschirm für Stadtwerke eine Absage: Wir werden nicht in der Lage sein, die gesamte Übersumme an Kosten auszugleichen.“ 

Das einzige, was in der aktuellen Lage helfe, seien mehr Wind und Solar“, so Graichen und erntete damit einen kleinen Shitstorm: Sie haben auf Ebene der Bundesregierung noch nicht verstanden, was hier gerade passiert“, kommentierte der Vorstandsvorsitzende der Dortmunder Stadtwerke AG, Guntram Pehlke den Beitrag. Dabei verwies er auch auf das bislang noch wenig ausgebaute Netz für erneuerbare Energien.

Kommunen als Koordinatoren

Der Ausbau erneuerbarer Energien ist eines der vielen Themen, die auf der Agenda der Kommunen und kommunalen Unternehmen steht. Photovoltaik, Geothermie, Wärmepumpe, auch die Nutzung von Abwärme – all diese Technologien sind dabei im Gespräch. Gleichwohl sind es ganz neue und kleinere Dimensionen, in denen bei der Umsetzung gedacht werden muss. Diese geht auch noch zu langsam und ist mit zu vielen bürokratischen Hürden verbunden, so der Tenor in der Talkrunde Quartiere: Der Schlüssel zur Klimawende?!“.

Unter diesem Gesichtspunkt konnte Vorstandsvorsitzender der GASAG AG, Georg Friedrichs, der aktuellen Lage noch etwas positives abgewinnen: Die Gaskrise macht Druck und den können wir gut gebrauchen“, so Friedrichs in der Diskussion. Und er gab zu Bedenken: Wenn wir überall auf den Masterplan warten, dann schaffen wir es nicht. Wir müssen das, was gerade geht, auch tun.“

Was geht, auch tun, damit erntete er breite Zustimmung bei seinen Diskutanten. Timo Poppe, geschäftsführender Gesellschafter der Palladio Kommunal GmbH: Ich werbe dafür, die Scheuklappen zu öffnen und neue Wege zu beschreiten.“ Konkret meinte er damit eine bessere Verzahnung von Kommune und Privatwirtschaft: Die Wärmewende kann nicht allein aus kommunaler Tasche bezahlt werden.“ Natalie Heinrichs, Geschäftsführerin der Stadtwerke Sehnde GmbH, sieht Kommunen dabei zukünftig in der Rolle der Koordinatoren einzelner Partner und Beteiligter.

Digitalisierung braucht Bereitschaft

Digital kann alles besser werden“, begrüßte Bundesminister für Digitales und Verkehr Volker Wissing die Kongressteilnehmer dann am zweiten Tag des VKU-Stadtwerkekongresses und wies damit auch schon auf das Thema der folgenden Formate. In punkto Digitalisierung hat sich der Bund einiges vorgenommen: eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaser, mindestens 15 Millionen E-Pkws auf deutschen Straßen plus entsprechende Ladeinfrastrukur, klimafreundliche Fortbewegung für alle, Teilhabe für jeden, egal ob Stadt oder Land... bis 2030. Bei all dem sollen smarte Strukturen den durchschlagenden Erfolg bringen.

Hauptgeschäftsführer des VKU, Ingbert Liebing fand angesichts dieser langen Liste jedoch: Entscheidungen für Zukunftsinvestitionen müssen vor Ort und nicht vom Bund getroffen werden.“ Beim Thema digitale Daseinsvorsorge wünschte er sich von der Bundesregierung einen klaren wettbewerblichen Rahmen und einen Abbau der Bürokratie. In der Diskussionsrunde zum Thema Unterwegs auf smarten Infrastrukturen“ waren sich dann auch alle einig: Für eine erfolgreiche Digitalisierung braucht es Lust auf Veränderung und Kooperationswille. Das Entscheidende ist, dass sich eine Kommune auf den Weg macht“, so Liebing abschließend.

VKU-Stadtwerkekongress: Mit gutem Beispiel voran

Dass sich der VKU auf den Weg gemacht hat, zeigte der Kongress ganz deutlich: Statt Programm in Papierform konnten sich die Teilnehmenden online über die einzelnen Veranstaltungen informieren und mittels Slido-App interaktiv an den Diskussionen teilnehmen. In Live-Befragungen verrieten die Stadtwerkevertreter, welche Themen sie aktuell beschäftigen und was die Must-haves von Morgen in punkto Mitarbeitermanagement sind. Die Ergebnisse wurden in Echtzeit dem Plenum mitgeteilt. Auch die mehr als 14 unterschiedlichen Formate – von ausgiebigen Talkrunden, Deep Dives für den unternehmenseigenen Fokus über 5-Minuten-Impulse bis hin zu Workshops – verliehen dem Kongress den für die kommenden Transformationsaufgaben nötigen Schwung.

Die Finanzlage von Städten und Gemeinden verschlechtert sich: Nach einem guten Haushaltsjahr 2021 müssen Kommunen für das laufende und nächste Jahr mit einem Finanzierungsdefizit von mehr als 5 Milliarden Euro rechnen. Das sagt eine aktuelle Prognose zur Entwicklung der Kommunalfinanzen bis 2025 des Deutschen Städtetags, des Deutschen Landkreistages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. „Die Phase zwischen finanziellen Begleiterscheinungen der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges war für die Kommunalhaushalte zu kurz, um festen Stand zu gewinnen“, so die Einschätzung der Spitzenverbände. Selbst wenn der Ukraine-Krieg nicht zu weiteren Einbrüchen der Wirtschaftsleistung führe, würden kommunale Haushalte durch Defizite, real sinkende Investitionen und einen Vermögensverzehr gekennzeichnet sein.

Im vergangenen Jahr seien die Kommunalhaushalte formal im Gleichgewicht geblieben, so die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Das habe an Stabilisierungsmaßnahmen von Bund und Ländern sowie überraschend hoher Gewerbesteuereinnahmen in strukturstarken Regionen gelegen. Gleichzeitig, so betonen es die Verbände, konnten aufgrund von Kapazitätsengpässen in der Bauwirtschaft dringend benötigte kommunale Investitionen nicht im vollen Umfang getätigt werden. Dies wiederum habe 2021 auch zum leichten Überschuss von rund 3 Milliarden Euro beigetragen. 

Nicht mehr up to date: Kommunen müssen investieren

Allein im Bereich Schulen lag der bundesweite Investitionsrückstau im Jahr 2021 laut KfW-Kommunalpanel bei 45,6 Milliarden Euro. Besonders besorgniserregend ist hierbei die größer werdende Diskrepanz von Kommunen mit einer – bei guter Finanzlage – guten und solcher mit einer schlechten Schulinfrastruktur. Auch in punkto Straßen, Brücken und Verkehr haben Städte und Gemeinden einiges nachzuholen. Auf 39,3 Milliarden Euro beziffert der Kommunalpanel hier den Rückstand. Dritte Baustelle sind öffentliche Verwaltungsgebäude. Um diese auf den Stand der Dinge zu bringen, wären Investitionen in Höhe von 19,6 Milliarden Euro notwendig.

Verkehrswende, energieeffiziente Gebäudesanierung, Digitalisierung, Klimaschutz – all das erfordert umfangreiche Modernisierungs- und Umbaumaßnahmen. Dass diese nicht angegangenen werden können, liegt zum einen an den andauernden Engpässen in der Bauwirtschaft, aber auch an steigenden Preisen. „Ohne dauerhaft verbesserte Finanzausstattung auch durch einen größeren Anteil am Steueraufkommen können die Kommunen diese Investitionen nicht aus eigener Kraft finanzieren“, ist sich Ralph Spiegler, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nieder-Olm sicher.

Gaskrise wirkt sich auch auf kommunale Finanzen aus

Auch die steigenden Energiepreise belasten Kommunen zunehmend. Lag der Anteil der Ausgaben für Wärme, Strom und Treibstoff vor einem Jahr noch bei 1,5 %, so macht dieser mittlerweile 2 % der Gesamtkosten in Kommunen aus. Laut Kommunalpanel-Befragung wollen Kämmerer die Mehrkosten stemmen, indem andere freiwillige Leistungen eingespart, mehr Schulden aufgenommen und Preise für kommunale Leistungen erhöht werden. Angesichts der anstehenden Zukunftsaufgaben ist das ein alarmierender Trend. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW: „Wir müssen deshalb daran arbeiten, die Kommunalfinanzen auf stabile Säulen zu stellen, damit die Kommunen in Zukunft unabhängiger von der wirtschaftlichen Großwetterlage ihre Aufgaben vollumfänglich leisten können.“

Die von der Bundesregierung geplante Gasumlage ist nun konkret: Ab Oktober 2022 müssen Verbraucherinnen und Verbraucher zusätzliche 2,4 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Als Grund für die Umlage gibt Bundeskanzler Olaf Scholz die wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Energiekonzernen in der aktuellen Gasmangellage an, vor allem die des bundesweit größten Gasimporteurs Uniper. Letzterer hat langfristige Verträge mit Russland, die derzeit von russischer Seite nicht erfüllt werden. In einem Pressestatement betonte Scholz: „Uniper ist ein Unternehmen mit zentraler Bedeutung, viele Stadtwerke und Industriebetriebe sind von der Gasversorgung durch Uniper abhängig.“

Maßnahmenpaket soll Konzerne retten

Zur Unterstützung der angeschlagenen Gasimporteure hat die Bundesregierung nun ein milliardenschweres Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Dies beinhaltet neben einer staatlichen Beteiligung an Uniper von 30 % u. a. auch die Erhebung einer Umlage, welche zunächst bis März 2024 beschränkt ist. Die Höhe der Umlage kann im Verlauf noch weiter angepasst werden. Betroffen von der zusätzlichen Abgabe sind Privathaushalte und Unternehmen, die Gas nutzen. Sie können sich spätestens im Januar auf eine entsprechend hohe Rechnung einstellen. Mit der Absage der EU-Kommission, die Gasumlage von der Mehrwertsteuer zu befreien, kommen hier noch weitere Kosten auf Verbraucherinnen und Verbraucher zu.

Mit einem Fragezeichen versehen ist, ob auch Bezieher von Gas-Fernwärme und Kunden mit Festpreisverträgen die Umlage zahlen müssen. Letztere machen rund ein Drittel aller privaten und gewerblichen Gaskunden aus. Der Grund für diese Unklarheit: Die rechtliche Regelung zur Gasumlage sagt bislang zwar etwas über das Verhältnis von Importeur und Versorger aus, jedoch nichts über das von Versorger und Endkunden.

Gasumlage: Stadtwerke müssen in Vorleistung gehen

Welche Haushalte werden also überhaupt zur Kasse gebeten? Und was ist, wenn Kunden die gestiegenen Energiekosten nicht schultern können? Das fällt insbesondere Stadtwerken auf die Füße, die beim Gaseinkauf erst mal in Vorleistung gehen müssen. „Der Bund sollte die Umlage durch staatliche Zuschüsse verringern, wenn die Preise am Markt noch weiter steigen und damit eine zu große Belastung der Verbraucher und der Wirtschaft droht“, sagte der Präsident des Deutschen Städtetags, Markus Lewe, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA).  Um einkommensschwache Haushalte zu unterstützen, plant die Bundesregierung bereits jetzt ein umfassendes Entlastungspaket. Dieses soll u. a. Steuererleichterungen sowie Maßnahmen beim Bürger- und Wohngeld beinhalten.

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU), warnte auch vor Zahlungsschwierigkeiten für kommunale Energieversorger und Stadtwerke. Die Frage, wer per Umlage zur Kasse gebeten werde, müsse umgehend geklärt werden, so der Verbandschef. Eine finanzielle Schieflage von Stadtwerken könne sich auch massiv in den Kommunen auswirken: „Die kommunalen Unternehmen sind quasi Stabilitätsanker in der Kommune und für die Menschen vor Ort – wir dürfen nicht riskieren, dass diese Daseinsvorsorge ins Wanken gerät oder strandet.“

Das 9-Euro-Ticket war mit großen Erwartungen verknüpft: Bürgerinnen und Bürger sollten entlastet, das Image von Bus und Bahn gestärkt, Energie gespart und der Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn attraktiver gemacht werden. Nach drei Monaten Sommermärchen im ÖPNV wertet Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) das Ticket als „Riesen-Erfolg“.

Auch erste Studienergebnisse zum Thema sind positiv. Das Zwischenfazit einer Mobilitätsstudie der Technischen Universität München (TUM) lautet: Nach Einführung des vergünstigten Tickets Anfang Juni fuhren 35 % der Teilnehmenden im Großraum München häufiger mit dem ÖPNV, gut 22 % waren ganz neu auf Bus und Bahn umgestiegen. „Viele haben die öffentlichen Verkehrsmittel in ihren Alltag integriert“, so Studienleiter Klaus Bogenberger vom Lehrstuhl für Verkehrstechnik der TUM.

Trotz großer Beliebtheit: 9-Euro-Ticket ersetzt nicht die Autofahrt

Auch das Statistische Bundesamt registrierte einen Anstieg bei der ÖPNV-Nutzung: Eine Auswertung von Mobilfunkdaten ergab, dass es im Juni 2022 rund 42 % mehr Bewegungen im bundesweiten Schienenverkehr gab als im repräsentativen Vergleichszeitraum Juni 2019. Dies führte auf bestimmten Strecken zu überfüllten Bussen und Bahnen. Zum befürchteten Verkehrskollaps kam es indes nicht.

Ein echter Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel kann bislang jedoch nicht nachgewiesen werden. Trotz der großen Beliebtheit des vergünstigten Tickets nutzten laut TUM-Studie lediglich 3 % ihr eigenes Auto seltener. Auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen gab zu bedenken, dass es sich bei den angetretenen Fahrten mehr um zusätzliche Reisen und weniger um Ersatzfahrten, die sonst mit dem Auto gemacht worden wären, gehandelt habe.

Wissing: Erstmal kein Nachfolgeticket

Dennoch: „Drei bis vier Prozent mutmaßliche Verkehrsverlagerung, das ist enorm“, so Wissing gegenüber dem ZDF. Mit dem 9-Euro-Ticket habe man viel Bewegung in den ÖPNV gebracht. Auch die verbundübergreifende Geltung des Tickets habe die Menschen begeistert. Einer dauerhaften Vergünstigung erteilte der Bundesverkehrsminister jedoch eine Absage. Diese sei nicht finanzierbar.

Gegenüber der ARD betonte er außerdem die Verantwortung der Länder beim öffentlichen Nahverkehr und dessen Tarifgestaltung: „Ich kann nicht von Bundesseite plötzlich den ÖPNV organisieren, die Preisgestaltung oder die Tickets vorgeben“, so Wissing. Das dreimonatige Ticket sei ein „Einsparvorschlag“ gewesen. Im Herbst werde die Verkehrsministerkonferenz der Länder darüber beraten, wie die Strukturen des ÖPNV neu aufgestellt werden könnten.

Rund 800 Teilnehmende, überwiegend Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus allen Regionen Deutschlands, kamen zum Deutschen Kommunalkongress 2022. Bei dem zweitägigen, wichtigsten Treffen des kommunalen Spitzenverbandes DStGB konnten sie in Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Bundespolitik, Wissenschaft und Wirtschaft treten.

Während Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser, sich in ihrer Ansprache von Kolleginnen und Kollegen aus Bund, Ländern und Kommunen eine „gute Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ wünschte, um die kommenden Herausforderungen zu meistern, stellte Bundesfinanzminister Christian Lindner weniger Bürokratie für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Kommunen in Aussicht - im Sinne des Subsidiaritätsprinzips und zum Wohle der Handlungsfähigkeit von Städten und Gemeinden. Bei Investitionshilfen für innovativen Klimaschutz soll nach Lindners Aussagen auch 2023 nicht gespart werden. 

Schwerpunktthemen für Kommunen

Der Präsident des DStGB, Bürgermeister Ralph Spiegler, sprach in seiner Eröffnungsansprache zum übergeordneten Motto des Kongresses und damit wohl über die derzeit größte Zukunftsaufgabe für Kommunen: Den Ausbau von Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Resilienz. Denn der Wandel hin zu einer klimaneutralen Industrienation gelänge nur durch ein großes Engagement der Städte und Gemeinden und eine hohe Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern. Hierbei ginge es nicht nur um den Ausbau regenerativer Energien auf kommunaler Ebene, sondern auch um durchdachten Katastrophenschutz, schnelle Digitalisierung kommunaler Strukturen und Prozesse, innovative Mobilitätskonzepte - und das vor allem für schlecht angebundene ländliche Regionen.

Einen klaren Appell sendeten Spiegler und Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg an die übergeordnete Politik: „Für die Umsetzung einer realistischen Nachhaltigkeitsstrategie muss von Seiten des Bundes und der Länder mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Denn nur mit finanziellem Spielraum können die auf die individuelle Situation angepassten, nachhaltigen Akzente gesetzt werden.“ 

Fachforen und Symposien beim Kommunalkongress

Neben starken Impulsvorträgen stellten Expertinnen und Experten in Fachforen und Symposien praxisnah gute Beispiele, nachahmenswerte Projekte und Ideen für eine moderne Daseinsvorsorge in Kommunen vor. Unter den Beiträgen trafen vor allem Bau-, Mobilitäts- und Digitalisierungsthemen den Puls der Zeit, u.a. „Innenstädte und Ortskerne – Zukunft vor Ort gestalten“, „Nächster Halt: Lebensqualität – Bahnhöfe bieten Anschluss an ein lebenswertes Land“ und „Emissionsfrei in die Zukunft – Wie Kommunen die Transformation der Mobilität mitgestalten“ oder „Cybersecurity - Sicherheit im digitalen Zeitalter“.

Einig waren sich die Teilnehmenden über die nächsten Schritte innerhalb kommender Transformationsprozesse: Erforderliche Weichen stellen, die Folgen der Krisen so gut wie es geht abfedern und zugleich notwendige Reformmaßnahmen auf dem Weg zur nachhaltigen Gemeinschaft anstoßen. Neben generellen Klimaschutzthemen müssten zunächst die Herausforderungen der Klimaanpassung für Städte und Gemeinden an erster Stelle stehen.

BMUV-Sofortprogramm Klimaanpassung

Kommunale Entscheiderinnen und Entscheider stehen bei der Klimaanpassung als Akteure an vorderster Stelle. Denn Kommunen müssen sich mehr denn je mit Hitzewellen, Wärmerekorden, längeren Trockenzeiten, steigender Waldbrandgefahr, Starkregen, Hochwasserrisiko und Sturmfluten als Folge des Klimawandels auseinandersetzen. Viele Städte und Gemeinden sind bereits dabei, Anpassungen in ihrer Infrastruktur vorzunehmen und ihre Kommunen zu gestalten. Ideen gibt es viele, allein die Möglichkeit einer Finanzierung und Expertise sind oft noch nicht klar. Deshalb wurde bereits im März 2022 das Sofortprogramm Klimaanpassung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) verabschiedet, das sich vordergründig an Kommunen und deren Anpassung an den Klimawandel richtet.

Im Fokus des Maßnahmenpaketes steht im ersten Schritt die Unterstützung von Städten und Gemeinden beim Ausbau von Förderprogrammen und Kompetenzaufbau, durch passgenaue Beratung vor Ort und bessere Ausbildung von lokalen Expertinnen und Experten sowie die Sensibilisierung und Aufklärung von Bürgerinnen und Bürgern. Jede Kommune soll künftig die Klimaanpassung umsetzen können, die zu ihr passt. Städte und Gemeinden können die Aufgaben aber nicht allein stemmen, der Bund muss hier unterstützen. 

Deshalb hat das BMUV gemeinsam mit den Ländern eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Bedarfe für eine solche gemeinsame Finanzierung sowie die finanzverfassungsrechtlichen Möglichkeiten prüfen wird. Sie soll, wie auch das Klimaanpassungsgesetz, im Herbst 2022 im Ergebnis vorliegen. Vielleicht ja schon bis zur „Woche der Klimaanpassung“, die erstmalig vom 12. bis 16. September 2022 mit einem vielseitigen Programm stattfindet und durch das Zentrum KlimaAnpassung und das BMUV organisiert wird.

In der Nacht auf den 12. Juni wurde der Darmstädter IT-Dienstleister Count+Care, eine Tochterfirma der Entega, Opfer von Cyberkriminalität. Ein groß angelegter Hackerangriff legte gut dreieinhalb Wochen die digitale Infrastruktur mehrerer kommunaler Kunden lahm. Darunter IT-Systeme des Energieversorgers Entega, der Frankfurter Entsorgungs- und Service-Gruppe (FES), des Darmstädter Verkehrsunternehmens HEAG und der Mainzer Stadtwerke mitsamt Nahverkehrsunternehmen. Hinter der Angriff steckt nach neuesten Erkenntnissen eine russische Hacker-Bande mit Namen „Black Cat“, wie die Frankfurter Rundschau berichtete. Diese forderte für die Freigabe der Daten offenbar ein Lösegeld in Höhe von 15 Millionen Euro. Den Forderungen kam der Energieversorger nach eigenen Angaben jedoch nicht nach. Die Internetseiten der betroffenen Unternehmen sind mittlerweile wieder erreichbar und die IT-Systeme wieder hergestellt. Die kritische Infrastruktur des Versorgungsunternehmens war nicht betroffen. Lediglich die Mainzer Stadtwerke meldeten noch zwei Wochen nach dem Angriff Einschränkungen im Fahrbetrieb des öffentlichen Nahverkehrs.

Cyberkriminalität: Ransomeware-Angriffe häufen sich

Bei dem Hackerangriff handelte es sich um einen sogenannten Ransomeware-Angriff. Hierbei verschaffen sich die Angreifer Zugang zu Nutzerdaten - dieser Vorgang beginnt meist Wochen oder Monate vor der eigentlichen Attacke - und verschlüsseln diese. Für die Freigabe der Daten wird dann Lösegeld erpresst. Die Forderungen liegen im Schnitt bei 255.000 Euro, wie im jährlichen Bericht des IT-Sicherheitsunternehmens Sophos nachzulesen ist. Digitale Erpressung mittels Ransomware gehört beim Thema Cyberkriminalität laut Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu den fortschrittlichen Angriffen, die sich immer mehr häufen und insbesondere für Unternehmensnetzwerke ein hohes Bedrohungspotential darstellen.

In der Vergangenheit sind bereits unterschiedlichste Organisationen Cyberkriminalität zum Opfer gefallen, darunter Großkonzerne genauso wie Krankenhäuser und Kommunen. Dass so eine Attacke auf die kommunale IT-Infrastruktur eine langwierige Sache werden kann, zeigt das Beispiel Landkreis Anhalt-Bitterfeld: Hier wurden im Juli vergangenen Jahres alle Daten der Kreisverwaltung mit einer Ransomware infiziert und verschlüsselt. Die Verwaltung konnte in der Folge keine Dienstleistungen mehr anbieten. Erst sechs Monate später hob der Landkreis den durch diesen Angriff verursachten Katastrophenfall wieder auf. Den Forderungen nach Lösegeld kam der Landrat indes nicht nach. Hinter der Attacke steckte der Süddeutschen Zeitung zufolge die Hackergruppe „Grief“. „Black Cat“ hat jüngst schon ihr Unwesen in Österreich getrieben: Hier wurden die staatlichen Systeme und Institutionen des Bundeslandes Kärnten im Mai diesen Jahres mit einer Lösegeld-Erpressungssoftware lahmgelegt.

Kommunen brauchen IT-Notfallmanagement

Angesichts der voranschreitenden Digitalisierung und gleichzeitig zunehmender Cyberkriminalität müssen sich Kommunen und kommunale Unternehmen verstärkt mit Cybersicherheit auseinandersetzen. Doch: „Nur eines von drei Unternehmen für kritische Infrastruktur besitzt ein Notfallmanagement“, so Christian Reuter vom Lehrstuhl für Wissenschaft und Technik für Frieden und Sicherheit (PEASEC) an der TU Darmstadt. IT-Schutzmaßnahmen müssen also genauso Standard werden wie Brandschutzübungen. Denn der Hackerangriff auf Entega & Co. zeigt einmal mehr: Die Digitalisierung hat ihre Schattenseiten und auch die Systeme der kommunalen Daseinsvorsorge sind verwundbar.

Ob Abfall, Energie- oder Wasserversorgung: Nur nachhaltige, resiliente Städte und Gemeinden können den steinigen Weg zur Klimaneutralität bis 2045 schaffen. Mit der Energiewende, steigenden Kosten und Forderungen durch Bund und EU stehen Kommunen vor wachsenden Herausforderungen. Hinzu gesellen sich vielerorts Starkregen und Hitzestress als Folgen des Klimawandels.

Dies und mehr waren Themen auf der IFAT 2022. Hier wurde jedoch nicht geklagt, sondern eine Vielzahl von Lösungsansätzen diskutiert. Dazu gehörten innovative Beispiele für moderne Stadtbegrünung, ökologische Bauweisen, alternative Antriebe für Kommunalfahrzeuge oder intelligentes Wasser- und Abfallmanagement. 

Impulsvorträge zur Wasserwirtschaft

Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA), der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW), der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) widmeten zahlreiche Impulsvorträge dem Trendthema „Zukunft Wasser - Zugang und Qualität“. Hier ging es um Wasserwiederverwendung, Knappheit, Schwammstadt, Klärschlammverbrennung sowie Maßnahmen bei Starkregen und Überflutungsvorsorge.

Beim „Tag der Kommune“ erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer exemplarisch einen Einblick in das Wasserkonzept der Stadt Düsseldorf, in der das Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz mit Brumisateuren (Wasservernebler), Spring- und Trinkbrunnen und Wasserspielplätzen im Sommer für Abkühlung der Bürger sorgt. 

Kommunale Abfallwirtschaft auf der IFAT

Erstmals auf der IFAT konnte man am Stand des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) Mitglieder der kommunalen Abfallwirtschaft und Stadtsauberkeit sowie die Wasser- und Abwasserwirtschaft gemeinsam antreffen. Ein Schwerpunkt der Verbandsarbeit: saubere und lebenswerte Städte und Regionen. Das soll vor allem durch den Einsatz von kommunalen Straßenfahrzeugen mit alternativen Antrieben und alternativen Kraftstoffen gelingen.

Diese sind ein zentraler Hebel bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen im Verkehr und bei der Erreichung der Klimaziele auf europäischer und nationaler Ebene. Über 38.000 kommunale Ver- und Entsorger nutzten daher auf der IFAT die Gelegenheit, derlei Fahrzeuge vor Ort zu besichtigen, und sich mit Vertreterinnen und Vertreter aus Kommunal- und Privatwirtschaft auszutauschen.

In Brandenburg wird das Grundwasser knapp. „Unsere Landschaft ist knochentrocken. Es ist überhaupt nichts im Lot“, warnte Umweltminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) auf einer Pressekonferenz im März und kündigte einen Klimaabschlag an, um dem sinkenden Grundwasserspiegel zu begegnen. Hiermit solle die Förderung von Grundwasser zukünftig stärker geregelt und eingeschränkt werden.

Genauere Informationen über den geplanten Abschlag gab das brandenburgische Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) nun auf Anfrage der BVB/Freie Wähler-Fraktion im Landtag bekannt. Wichtigstes Detail: Der Abschlag beziehe sich auf das nutzbare Grundwasserangebot in den einzelnen Gebieten und nicht auf die Wassernutzung zu unterschiedlichen Zwecken, heißt es in der Antwort der Landesregierung zur „Zukünftigen Entwicklung der Grundwassersituation“ vom 23. Mai.

Klimafaktor entscheidet über Höhe von Klimaabschlag

Entscheidende Größen für die Höhe des Abschlags sind dabei zum einen das aktuelle und das verfügbare Grundwasserangebot. Letzteres wird aufgrund von prognostizierten Veränderungen von Niederschlag und Verdunstung im Zeitraum 2031 und 2060 berechnet. Aus diesen Berechnungen ergibt sich schlussendlich für jedes Bilanzgebiet ein Klimafaktor, welcher durchschnittlich bei 0,8 liegt. Für Brandenburg heißt das: Erwartet wird, dass sich die Neubildung von Grundwasser im Land durchschnittlich um circa 20 % verringert. Damit einher geht dann auch ein geringeres natürliches Grundwasserangebot.

Sobald das unter Berücksichtigung des Klimawandelabschlages nutzbare Grundwasserangebot ausgeschöpft sei, könnten weitere Entnahmen nur nach intensiver Prüfung zugelassen werden, heißt es in der Antwort der Landesregierung weiter. Offen bleibt, wie hoch der Klimaabschlag letztlich sein wird und ob er landesweit einheitlich oder nur für einzelne Gebiete eingeführt wird. Dies will die Landesregierung bis zum Jahresende mitteilen.

Industrielle Wasserentnahme sorgt für Unmut

Das abnehmende Angebot an Grundwasser in Brandenburg hat laut MLUK mehrere Gründe: kontaminierte Böden, falsches Düngen in der Landwirtschaft, hohe Temperaturen durch den Klimawandel und hohe Wasserentnahmen durch Braunkohletagebau. Aufgrund der Dürrejahre 2018, 2019 und 2020 fehlten dem Land überdies sieben Monate Regen.

Zuletzt sorgte auch die Auto- und Batteriefabrik des Herstellers Tesla für Unmut und juristische Auseinandersetzungen. Hier hatten die Umweltverbände Grüne Liga und NABU gegen eine höhere Wasserentnahme im Wasserwerk Eggersdorf für die Gigafactory geklagt und zumindest einen Teilerfolg erzielt. Wie Anfang Juni bekannt wurde, plant Tesla nun eine Erweiterung des Geländes in Grünheiden. Dies weckt vor allem bei Kritikern weitere Befürchtungen, was den Wasserverbrauch der Fabrik angeht.

Ein Sommertraum im ÖPNV: Von Juni bis August können Fahrgäste den Nahverkehr und Regionalzüge für nur 9 Euro im Monat nutzen. Deutschlandweit. Mit dieser recht spontanen Aktion will die Bundesregierung ihre Bürger durch den Umstieg auf öffentlichen Verkehr zum Energiesparen bewegen und die Zahl der dauerhaften Nutzer und Nutzerinnen erhöhen. „Wir haben jetzt eine einmalige Aktion, die einen Feldversuch darstellt“, so Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im Deutschlandfunk.

Zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs stellt der Bund den Ländern dabei insgesamt 3,7 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Hiervon sind 2,5 Milliarden Euro vorgesehen, um die Mehrkosten durch das vergünstigte Ticket auszugleichen. Damit seien 100 % der Einnahmeausfälle erstattet, so der Bundesverkehrsminister. Diese Rechnung basiere auf den Einnahmeerwartungen der Länder aus den zu erwartenden Ticketverkäufen. Die konkrete Umsetzung der Maßnahme erfolgt dann durch Länder und Kommunen selbst.

Betreiber haben Bedenken

So weit, so gut? Was die Bürger freut, sorgt für Unmut bei Kommunen und privaten Betreibern des öffentlichen Verkehrs.

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, hält das ermäßigte Ticket grundsätzlich für eine gute Idee, um „im Sinne der Klimaziele mehr Menschen für Bus und Bahn zu gewinnen“. Die Summe von 3,7 Milliarden Euro reiche aber nicht, um das ermäßigte Ticket zu kompensieren. „Die städtischen Verkehrsunternehmen schleppen spürbare Einnahmeverluste durch die Corona-Pandemie im Defizitrucksack“, schildert Dedy das Problem. Hinzu kämen die steigenden Energiepreise, die die Nahverkehrsunternehmen mit jeder Tankfüllung und an jedem Betriebstag belasteten.

Auch Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen Oliver Wolff ist skeptisch. In einer Pressemitteilung sagte er, es sei völlig offen, welche Kosten tatsächlich auf die Branche zukommen würden. Er unterstütze daher die Forderung der Verkehrsministerkonferenz, dass auch etwaige Mehrkosten, die den Verkehrsunternehmen aus dieser Aktion entstünden, durch den Bund ausgeglichen werden müssten. „Schließlich war es auch der Bund, der diese Maßnahme beschlossen hat“, so Wolff.

Bedenken hat auch Martin Becker-Rethmann, CEO des größten privaten Mobilitätsanbieters Transdev Deutschland. Grundsätzlich sei der Impuls, den öffentlichen Nahverkehr zum Thema zu machen und ihn zu fördern, gut, so Becker-Rethmann im Interview mit Klimaschutz Kommune. Für ihn stelle sich aber die Frage: „Ist das 9-Euro-Ticket auch nachhaltig? Und wie kann die womöglich kurzfristig geschaffene Attraktivität und Erkenntnisse daraus für die Zukunft genutzt werden?“

9-Euro-Tickt als „Riesenchance"

Von Bedenken will Bundesverkehrsminister Wissing allerdings nichts wissen: „Wir sollten das als Riesenchance sehen“, sagte er gegenüber dem Deutschlandfunk. Seit Jahren werde darüber diskutiert, dass mehr für den ÖPNV getan werden müsse und nun würde der Bund Milliarden in die Hand nehmen. Marco Trips, Präsident des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, sähe das Geld an anderer Stelle besser eingesetzt, beispielsweise für eine bessere Vertaktung im ländlichen Raum, wie er gegenüber dem NDR sagte. Insgesamt hält er das 9-Euro-Ticket für einen „ziemlich blödsinnigen Schnellschuss mit Blick auf Wählerstimmen“.

Wissing aber bleibt optimistisch: „Am Ende können wir die Daten analysieren und wissen genau, was wir verbessern müssen, damit Menschen auf den ÖPNV umsteigen.“