Katrin Kühne

Wie können Kommunen mehr Fördermittel durch effizientes Fördermittelmanagement generieren? Um dieser Frage nachzugehen, lud das Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge (KOWID) in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen (KOMKIS) und dem Softwareunternehmen robotron am 6. Februar 2024 ein. Die Teilnehmenden erwartete „geballter Sachverstand", wie Manfred Röber, Professor emeritus der Universität Leipzig und KOMKIS-Direktor, gleich zu Beginn der Veranstaltung in der Bibliotheca Albertina in Leipzig ankündigte. Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft teilten ihr Wissen zum Thema Fördermittel und Fördermittelmanagement in Vorträgen und einer Podiumsdiskussion. Zudem gab es viel Raum für die Teilnehmenden u.a. aus der öffentlichen Verwaltung, um eigene Erfahrungen und Expertise einzubringen und sich auszutauschen.

Fördermittel sind wichtiges Finanzierungsinstrument

Im Begrüßungswort skizzierte Manfred Röber die Komplexität der Fördermittellandschaft und bescheinigte dieser einen „grundlegenden Mangel an strategischer Gesamtsteuerung". Kommunen würden das Thema als unübersichtlich wahrnehmen und infolgedessen vielfach auf Fördermittel verzichten. Zudem folge die Ausgabe von Fördermitteln überwiegend landespolitischen Interessen und decke sich oftmals nicht mit den Bedürfnissen in Kommunen, was das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung schleichend aushöhle. Gleichwohl, betonte Röber, seien Fördermittel ein wichtiges Finanzierungsinstrument. Dabei verwies er auf den vom Deutschen Institut für Urbanistik (difu) ermittelten Investitionsrückstand der Kommunen. Der beträgt laut aktuellem KfW-Kommunalpanel 165,6 Milliarden Euro. Um geeignete Fördermittel für notwendige Investitionen zu recherchieren, zu beantragen etc. fehle es Kommunen qualitativ und quantitativ an Personal. Die Digitalisierung der Verwaltung, die hier unterstützend genutzt werden könnte, komme auch nur schleppend voran.

Im nachfolgenden Vortrag stellte KOMKIS-Geschäftsführer Mario Hesse eine aktuelle finanzwissenschaftliche Analyse des Zentrums vor, welche eine mögliche Lösung aus dem Fördermittel-Dilemma beschreibt. Ausgehend von den zwei zentralen Einnahmequellen von Kommunen – dem kommunalen Finanzausgleich (KFA) und Fördermittelprogrammen – gehen Hesse und Kollegen in der Untersuchung der Frage nach, ob einzelne Fachförderprogramme in den KFA übertragen werden können. Indem Gelder nicht mehr antragsgebunden als Fördermittel, sondern pauschal innerhalb des KFA an Kommunen ausgegeben werden, könnte falsch eingesetzten kommunalen Ausgaben vorgebeugt werden. Außerdem würden Kommunen unterstützt, die den für Fördermittel benötigten Eigenanteil nicht aufbringen können. Aus 24 Programmen identifizierten Hesse und Kollegen fünf, die für eine Übertragung in den KFA sinnvoll wären, darunter die Förderung von Kitas, Feuerwehren und Investitionen im Schulbereich.

Zentrale Stelle für Fördermittelmanagement sinnvoll

Eine Lösung, um Fördermittelmanagement übersichtlicher und effizienter zu gestalten, bieten digitale Systeme. Das Unternehmen robotron konnte hier mit einer entsprechenden Software aufwarten, die sich sowohl an Fördermittelnehmer als auch -geber richtet. Systemberaterin Franziska Kartzow stellte dem Plenum das Tool robotron*Fömi.kommunal vor, mit dem Mitarbeitende aus Städten und Gemeinden u. a. komplette Fördervorhaben ämterübergreifend verwalten können.

Dass beim Fördermittelmanagement vor allem die Prozesse entscheidend sind, stellte Stephan Lübke, Berater beim Institut für Public Management in Berlin, heraus. In der öffentlichen Verwaltung gäbe es teilweise tiefe Gräben zwischen Abteilungen, so Lübke. Bei einem Fördermittelantrag seien viele Menschen beteiligt, die oft aneinander vorbeiarbeiteten. Für ein effektives Management sei deshalb eine zentrale Stelle sinnvoll. Um diese zu etablieren, müssten Verwaltungen zunächst ihre Prozesse hinterfragen und umgestalten – unter Einbezug aller Mitarbeitenden. „So kann der Schatz der Fördermittellandschaft gehoben werden", sagte der Spezialist für Fördermittelmanagement. Auch interkommunale Zusammenarbeit gerade zwischen kleineren Kommunen, sei sinnvoll. Lübke nannte hier den Kreis Groß-Gerau als Beispiel für Kommunen, die sich eine Stelle für Fördermittelmanagement teilten. Die optimierten Prozesse könnten dann mit IT unterstützt werden.

Wie es mit Förderanträgen nach der Haushaltssperre weitergeht, beleuchtete indes Rechtsanwalt und Partner der BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft, Andreas Graef. Gleich zu Anfang betonte er, dass bewilligte Verträge einen Vertrauensschutz hätten und auch trotz Haushaltskürzungen nicht so einfach widerrufen werden könnten. Gleichwohl verwies Graef aber auf ein feines Detail, das Kommunen beachten sollten: Sei im Zuwendungsbescheid ein Widerrufsvorbehalt verankert, könne die Förderung aus zwingenden haushaltswirtschaftlichen Gründen ganz oder teilweise eingestellt werden. Graef gehe aber davon aus, dass Bund und Länder auch weiter Mittel für öffentliche Förderungen auf hohem Niveau ausgeben und perspektivisch eher institutionelle Förderungen zurückfahren und den Infrastrukturbereich stärken würden. Außerdem, so seine These, würde die Wahl öffentlicher Förderprogramme künftig verstärkt einer öffentlichen Begutachtung unterliegen.

Demographischem Wandel mit IT-Lösungen begegnen

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion erörterten René Friese, Diplom-Ökonom Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, Ulf Heinemann, Geschäftsführer robotron, Erasmus Wolff, Fachbereichsleiter Stadtkämmerei Dresden, und Mario Hesse, KOMKIS-Geschäftsführer, das Tagungsthema unter Moderation von Manfred Röber. Auf die Frage nach einer Patentlösung in der Fördermittelverwaltung, antwortete Erasmus Wolff mit einem klaren Nein. Jede Kommune müsse eigene Lösungen finden, so Wolff. Er plädierte jedoch für ein zentrales Fördermittelmanagement, bei dem Zusammenführung von Informationen und Gestaltung von Prozessen in einer Stelle erfolgten. Dem stimmte auch René Friese zu. In seiner beratenden Tätigkeit beobachte er, dass sich Kommunen schwer täten, alle Daten für einen Förderantrag mit möglichst wenig Aufwand zusammenzustellen. Eine zentrale Stelle würde da vieles vereinfachen. Gleichwohl räumte er ein: „Nicht jede Aufgabe muss zentralisiert werden. Facharbeit muss in den Ämtern bleiben."

Bezugnehmend auf die KOMKIS-Analyse betonte Mario Hesse, dass auch wenn das Förderwesen pauschaliert würde, es trotzdem eine Verbesserung der Prozesse brauche. Ebenso bemerkte er, dass die in der Wissenschaft beobachteten Schieflagen so auch in der Praxis zu sehen seien. Der von KOWID und KOMKIS schon lange angesprochene demographische Wandel mit einem zunehmenden Mangel an Fachkräften käme langsam durch. An vielen Stellen würde Personal fehlen. Ulf Heinemann sähe hier die Aufgabe der IT, dem entgegenzutreten und kommunalen Mitarbeitenden ein digitales System als Unterstützung zur Seite zu stellen.

Insgesamt gab die Veranstaltung einen umfassenden Überblick über die aktuellen Herausforderungen innerhalb der Fördermittellandschaft. Um hier am Ball zu bleiben, stellten die Organisatoren in Aussicht, auch im kommenden Jahr ein Format zum Thema zu entwickeln. Denn, wie Manfred Röber angesichts der zahlreichen Anmeldungen zur Tagung abschließend feststellte, besteht in puncto Fördermittelmanagement ein riesiger Informationsbedarf.

Wenn es um die Verkehrswende geht, sind Kommunen doppelt herausgefordert: Zum einen müssen sie das Verkehrssystem vor Ort nachhaltig transformieren, um Treibhausgasemissionen deutlich zu verringern. Zum anderen gilt es, für ein leistungsfähiges und funktionierendes Netz aus Schienen und Straßen zu sorgen. Das ist vor allem mit Kosten verbunden. In einer aktuellen Studie schätzt das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu), dass deutsche Städte, Landkreise und Gemeinden bis 2030 insgesamt rund 372 Milliarden Euro in den Erhalt und die Erweiterung von Straßen, Wegen und Schienen investieren müssen. Um diese Aufgaben bewältigen zu können, brauche es eine kluge, zielgerichtete Priorisierung von Maßnahmen und die Unterstützung der jeweiligen Länder und des Bundes, so die Schlussfolgerung.

Difu-Studie: Kommunale Straßen in schlechtem Zustand

Knapp 714.000 Kilometer Straßen gibt es in deutschen Kommunen. Davon sei jeder zehnte Straßenkilometer in einem sehr schlechten und weitere 21 % in einem schlechten Zustand, so die Bestandsaufnahme der Difu-Studie. Viele Straßen erreichten bis Ende 2030 überdies ihre Nutzungsdauer. Auch beim ÖPNV gibt es Verbesserungsbedarf, wie eine Befragung der Verkehrsunternehmen im Rahmen der Studie zeigte. Von den rund 6.320 Kilometern Straßenbahngleisen befänden sich 21 % in einer schlechten bis sehr schlechten Verfassung. U-Bahn- Gleise mit einer Gesamtlänge von 900 Kilometern seien immerhin nur zu 17 % in einem schlechten Zustand. Vergleichsweise gut bewertet wurden dagegen ÖPNV-Brücken und -Tunnel. Hiervon seien etwa zwei Drittel neuwertig oder in einem guten Zustand.

Den größten Investitionsbedarf sieht die Difu bei der Straßenverkehrsinfrastruktur der Kommunen. Um diese auf einen guten Stand zu bringen, seien Maßnahmen im Umfang von 283 Milliarden Euro notwendig. Rund 64 Milliarden Euro müssten für den Erhalt von U-Bahn- und Straßenbahnstrecken aufgewendet werden. Die Erweiterung der Straßen- und ÖPNV-Infrastruktur insbesondere in wachsenden Städten belaufe sich nach Difu-Schätzung auf 25 Milliarden Euro. Einen zusätzlichen Investitionsbedarf von 39 bis 63 Milliarden Euro identifizierte das Institut für den notwendigen Umbau zu einer nachhaltigen Mobilität. Zentrale Punkte seien hierbei der Ausbau von ÖPNV und Sharingangeboten mit entsprechenden Mobilitätsstationen. Außerdem brauche es mehr sichere Stellplätze für Fahrräder und öffentliche Ladepunkte für E-Mobilität.

Finanzhilfen des Bundes und andere Förderungen sind Grundlage

Seit 2021 stellt der Bund den Ländern eine Milliarde Euro zur Verfügung, um die Verkehrsverhältnisse der Gemeinden zu verbessern. 2025 soll diese Summe auf zwei Milliarden Euro angehoben und in den Folgejahren um je 1,8 % erhöht werden. Kommunen können Investitionen in den schienengebundenen ÖPNV, z. B. für den Bau von Straßen- oder U-Bahnen, anteilig mit diesen Bundesfinanzhilfen finanzieren. Dabei liegt der Fördersatz bei bis zu 75 % der zuwendungsfähigen Kosten. Grundlage hierfür ist das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG).

Darüber hinaus bekommen die Länder für den öffentlichen Nahverkehr sogenannte Regionalisierungsmittel. 2023 lagen diese bei rund 10,9 Milliarden Euro, wie aus dem Monatsbericht Februar des Bundesfinanzministeriums hervorgeht. Im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030 steigt dieser Betrag bis einschließlich 2031 um jährlich drei Prozent. Die Regionalisierungsmittel werden vorrangig für den Schienennahverkehr verwendet. Sie können aber auch zur Beschaffung von Bussen und Straßenbahnen oder für Infrastrukturprojekte verwendet werden. Für die Finanzierung eines bundesweit gültigen Nahverkehrstickets (Deutschlandticket) erhalten die Länder bis 2025 zusätzlich 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Neben den genannten Finanzhilfen des Bundes, welche durch die Länder verteilt werden, können Kommunen auch auf bundesweite und regionale Förderprogramme zugreifen. So vergibt das Land Sachsen im Rahmen der "Förderung der Verkehrsinfrastruktur" Zuschüsse für Maßnahmen und Vorhaben zur Verbesserung des ÖPNV. In Thüringen gibt es hierfür das Programm "Kommunale Verkehrsinfrastruktur". Das Saarland fördert Projekte zur effizienten Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger und einer nachhaltigen Verkehrswende mit dem Programm "Nachhaltige Mobilität im Saarland". Unterstützung gibt es auch von der KfW Bankengruppe beispielsweise in Form des Investitionskredits Kommunen IKK.

Verkehrswende: Investitionsbedarf übersteigt die kommunalen Finanzmittel

Eine ausreichende Finanzierungsgrundlage für den Erhalt und Umbau der Verkehrsinfrastruktur sei nicht gegeben, bemängelt der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) angesichts der aktuellen Lage. In einem Beitrag zum Thema heißt es, die Bundesregierung sei gefordert, die mittel- und langfristigen Voraussetzungen für eine dauerhafte und auskömmliche Verkehrsinfrastrukturfinanzierung in den Kommunen zu schaffen. Hierzu sei laut DStGB ein gezielter Kraftakt erforderlich, denn aus eigenen Mitteln würden die Kommunen es nicht schaffen, den errechneten Investitionsbedarf von geschätzten 372 Milliarden Euro aufzubringen. Gegenüber der Funke-Mediengruppe forderte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg ein tragfähiges Konzept, um die Finanzmittel zur Sanierung und Verbesserung verfügbar zu machen.

Die Energiewende in Kommunen kommt. Um diese möglichst schnell voranzutreiben, hat die Bundesregierung schon im August das Gesetz für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung auf den Weg gebracht. Diese Planung soll vor allem Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger darüber informieren, mit welchem Energieträger und welcher Energieversorgung sie vor Ort rechnen können. Das ist eine wichtige Voraussetzung für Investitionsentscheidungen für ein klimagerechtes und kosteneffizientes Heizen, was wiederum im lange diskutierten Heizungsgesetz gefordert wird. Beide Gesetze – das Heizungs- und Wärmeplanungsgesetz – treten ab dem 1. Januar in Kraft.

CDU kritisiert falsche Reihenfolge bei der Wärmewende

Etwa 11.000 Kommunen gibt es in Deutschland. In etlichen lägen bereits heute Wärmepläne vor, wie die Bundesregierung in einer Mitteilung zum Thema schrieb. Aber noch längst nicht in allen. Städte mit mehr als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern müssen bis Mitte 2026 eine konkrete Wärmeplanung vorweisen können. Die restlichen Kommunen haben dafür noch bis 2028 Zeit. Für die Planung sollten Kommunen ausschließlich vorhandene Daten nutzen, die Behörden, Energieversorgern und dem Schornsteinfeger bereits vorlägen, so Bundesbauministerin Klara Geywitz.

So weit, so gut? „Viele Kommunen werden die Aufgabe mit eigenem Personal nicht stemmen können“, sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, André Berghegger in einer aktuellen Pressemitteilung. Er begrüßte die Planung als grundsätzlich sinnvollen Ansatz, die Wärmeversorgung nachhaltig auszurichten. „Von der Ampel wurde aber die falsche Reihenfolge gewählt“, findet der CDU-Politiker. Eine verlässliche Wärmeplanung hätte vor dem Heizungsgesetz verabschiedet werden müssen. Nun sei die Eile groß.

Wärmeplanung überfordert Kommunen

„Wir haben einfach nicht das Know-how in unseren Rathäusern, uns mit dem Thema auseinanderzusetzen. Abgesehen davon, dass wir natürlich immer personaltechnisch auf Kante genäht sind aufgrund der finanziellen Möglichkeiten, die wir haben oder nicht haben in den einzelnen Kommunen“, bekannte der Bürgermeister der Gemeinde Gersheim, Michael Clivot (SPD) in einem aktuellen Beitrag gegenüber dem SR. Rund 6.500 Einwohnerinnen und Einwohner zählt die Kommune im Saarland.

Geheizt wird hier hauptsächlich mit Gas und Öl. Zwar sei ein Umbau der bestehenden Gasübergabestation auf Wasserstoff möglich. Bürgermeister Clivot betonte jedoch: „Fernwärme mit großen Leitungen, die teilweise auch durch Abwärme aus der Industrie oder Ähnliches versorgt werden, wird auch in Zukunft bei uns keine Rolle spielen. Das heißt, wir müssen auf andere Modelle setzen wie Nahwärme, wie kleinere Projekte, um Wohngebiete zu versorgen.“

Individuelle und lokale Lösungen notwendig

Gersheim zählt laut Wegweiser Kommune, einer Datenplattform der Bertelsmann Stiftung, zu einer von 245 Kommunen des Demografietyps 1. Dieser ist gekennzeichnet durch stark schrumpfende und alternde Gemeinden in strukturschwachen Regionen. Dabei handelt es sich überwiegend um mittlere und kleinere Gemeinden, z. B. im Saarland, dem nordöstlichen Bayern, südöstlichen Niedersachsen und in einigen sächsischen Regionen. In Ostsachsen will der Regionalversorger Sachsenenergie aus Dresden über 160 Kommunen bei der Planung unter die Arme greifen, wie aus einem Bericht der ZfK Zeitung für kommunale Wirtschaft hervorgeht.

Mit einem „digitalen Zwilling“ soll ein realitätsnahes Abbild des jeweiligen Versorgungsgebietes erstellt werden. Hierin enthalten sind Daten zu Soziodemografie, Gebäudebeständen, Heizungssystemen und verfügbaren Potenzialen für die Nutzung von erneuerbaren Energien. „Die hohe Komplexität und notwendige Nachvollziehbarkeit der Wärmeplanung erfordert ein hohes Maß an Digitalisierung des gesamten Planungsprozesses“, sagte der Projektleiter für kommunale Wärmeplanung bei Sachsenenergie, Alexander Schulze. Der „digitale Zwilling“ sei dabei ein vielversprechender Lösungsansatz.

Lokale und individuelle Lösungen für die kommunale Wärmeplanung bietet das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende (KWW). Bei diesem Projekt der Deutschen Energie-Agentur im Auftrag des Bundesbauministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erhalten Kommunen aus ganz Deutschland Orientierung und Know-how zum Thema. Kommunen können für die Erstellung und Umsetzung ihrer Planung auch auf Förderprogramme zugreifen. Bundesweit stehen hier die drei Förderschwerpunkte „Kommunale Wärmeplanung“, „Energetische Stadtsanierung“ und „Transformationspläne und Machbarkeitsstudien“ zur Verfügung. In einigen Bundesländern gibt es hierfür auch spezielle Fördertöpfe. So fördert Nordrhein-Westfalen Beratungs- und Unterstützungsleistungen durch unabhängige Agenturen in der Erstellungsphase. Entsprechende Anträge können noch bis Ende diesen Jahres eingereicht werden.

Die Verschuldung der Kommunen in Deutschland hat sich im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht. Das geht aus einem aktuellen Bericht des Statistischen Bundesamts hervor. Für das erste Halbjahr diesen Jahres wiesen Gemeinde und Gemeindeverbände demnach ein Finanzierungsdefizit von 7,3 Milliarden Euro auf. Zum Vergleich: Im Vorjahreszeitraum lag das Defizit bei nur 1,6 Milliarden Euro.

Sozialausgaben befeuern Verschuldung

Hauptgrund für die Zunahme der kommunalen Schulden sind nach Angabe der Zeitung WELT die gestiegenen Sozialausgaben – einerseits durch das Bürgergeld, andererseits durch Leistungen für Schutzsuchende aus der Ukraine. Zusätzlich hatten Kommunen auch mehr Ausgaben für Leistungen wie Eingliederungshilfen und der Kinder- und Jugendhilfe.

Im Bereich der Sozialleistungen erhöhten sich die Ausgaben in der ersten Jahreshälfte um 11,8 % auf rund 37 Milliarden Euro. Auch die Ausgaben für Personal in Kommunen stiegen um 7 % auf rund 37 Milliarden Euro. Grund hierfür waren Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst und Sonderzahlungen zum Inflationsausgleich.

Zwar konnten Gemeinden und Gemeindeverbände im besagten Zeitraum mehr Einnahmen verzeichnen ­– ein Plus um 7,3 % bzw. 10,9 Milliarden Euro zum Vorjahr. Hier spülten insbesondere mehr Einkünfte aus Steuern und Erlöse aus Gewerbesteuer Geld in die kommunalen Kassen. Dem standen jedoch ein mehr an Ausgaben in Höhe von 16,6 Milliarden bzw. 11 % gegenüber.

Investitionsfonds für Planungssicherheit

„Bund und Länder müssen dringend erkennen, dass die finanzielle Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden akut gefährdet ist“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, bereits im September zum Thema Kommunalfinanzen. Ebenso mahnte er an: „Wo nicht mehr finanziert werden kann, droht ein immer schlechterer Zustand von Straßen, Schienen, Schulen oder Sportstätten.“

Auch die dringend notwendigen Maßnahmen für mehr Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel würden Geld kosten, so Landsberg. Zukunftsinvestitionen in die kommunale Verkehrsinfrastruktur, in Klimaneutralität, Gesundheitswesen und Digitalisierung beliefen sich in einem mittleren dreistelligen Milliardenbetrag. Um Kommunen hier zu unterstützen und ihnen Planungssicherheit zu geben, forderte er einen langfristigen Investitionsfonds von Bund und Ländern. „Nur so kann die Transformation gelingen.

Business meets Industry: Zum diesjährigen Stadtwerkekongress am 26. und 27. September lud der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) nach Köln in DIE HALLE Tor 2 ein. Die ehemalige Industriehalle bot eine außergewöhnliche Kulisse für Vernetzung und Austausch. Beim zweitägigen Event diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus der kommunalen Ver- und Entsorgungswirtschaft über die Energiewende, deren Finanzierung und die Digitalisierung der Daseinsvorsorge. Kommunale Unternehmen aus ganz Deutschland präsentierten ihre innovativen Projekte und teilten ihre Erfahrungen mit den großen und kleinen Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität. Hierzu machte Henriette Reker, Oberbürgermeisterin der gastgebenden Stadt Köln, gleich zu Beginn der Veranstaltung einen Punkt: "Klimaneutralität ist nur mit Unterstützung der Stadtwerke möglich."

Stadtwerke sind "letzter Vertrauensanker"

"Wir halten das Land am Laufen", sagte VKU-Präsident Dr. Ulf Kämpfer in der anschließenden Standortbestimmung Daseinsvorsorge vor dem Plenum. Angesichts politisch unruhiger Zeiten und einem Vertrauensverlust in Politik, kritische Infrastrukturen und Demokratie seien Stadtwerke einer der "letzten Vertrauensanker". Sie sorgten für "das Grundlegenste des Grundlegenden". VKU-Geschäftsführer Ingbert Liebing betonte hierzu, dass es eine der vordringlichsten Aufgaben staatlicher Strukturen sei – und Stadtwerke würden durchaus als solche wahrgenommen – den Menschen Sicherheit zu geben. Damit bezog er sich vor allem auf die Wende hin zu einer klimafreundlichen Energieversorgung, die aktiv von Stadtwerken getragen wird.

Gleichwohl teilte Liebing seine größte Sorge mit den Anwesenden: Dass nämlich am Ende die Menschen fehlen würden, die es zur konkreten Umsetzung der Energiewende brauche. Stichwort: Arbeitskräftemangel. Auch die Digitalisierung spiele eine wichtige Rolle, um die mit der Energiewende verbundenen Aufgaben und Prozesse effizient zu gestalten. Dabei werfe dieser Themenbereich wieder unzählige Fragen auf: Was braucht Digitalisierung? Wie gehen wir mit Daten um? Welche Infrastrukturen sind notwendig? Schlussendlich gehe es dann auch immer um die politischen Rahmenbedingungen und die Frage nach der finanziellen Unterstützung, so Liebing. Gerade die letzten beiden Punkte zogen sich wie ein roter Faden durch die beiden Kongresstage.

Dekarbonisierung durch Wasserstoff

Großes Potenzial, um die Energieversorgung zu dekarbonisieren, sahen die folgenden Referentinnen und Referenten in der Nutzung von Wasserstoff. Technologien zur Erzeugung gebe es; die Verteilung müsse über bestehende Netze wie der Gasinfrastruktur erfolgen. Das alles sei natürlich mit hohen Kosten verbunden, bekannte Andreas Feicht, Vorstandsvorsitzender der RheinEnergie GmbH. EU-Parlamentarier Jens Geier verwies in der Finanzierungsfrage auf die Industrie: Von hier müsse die Hauptnachfrage kommen. Gleichzeitig nahm er die Hoffnung auf größere Finanzspritzen vonseiten der EU. "Wenn es Planungssicherheit gibt, dann werden die Investitionen kommen", war sich Henry Otto, Leiter der Energy Consulting bei PwC Deutschland, indes sicher. Was die zukünftig geforderte Wärmeplanung angeht, sagte Otto: "Das wird ein bürokratisches Monster. Da müssen wir alle zusammenarbeiten."

Mit Workshops und Break-Out Sessions ging es dann für die Teilnehmenden in den Mittag. Aus einem Potpourri an Themen konnten sie ihre unternehmenseigenen Schwerpunkte setzen. In einem Blitzlicht wurden innovative Quartierslösungen vorgestellt und Impulse für Nachhaltigkeit gegeben. Am Nachmittag ging es dann u. a. um den Arbeitskräftemangel. Business Coach Balian Buschbaum nannte hier als Schlüssel für mehr Arbeitgeberattraktivität: Bewusstsein und Diversität. Highlight zum Schluss war der Impuls von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der digital und live ins Plenum zugeschaltet war. Er betonte, wie entscheidend eine stärkere Kooperation auf kommunaler Ebene bei der Umsetzung der Klimawende sei und brachte seine Wertschätzung für den VKU und dessen Mitglieder zum Ausdruck: "Der VKU hat ein gewaltiges Gewicht in Berlin."

Impulse für Transformation in Kommunen

Tag zwei startete mit der Verleihung des Stadtwerke Awards 2023. In gewohnt professioneller Art stellte Kongress-Moderatorin Astrid Frohloff die nominierten Unternehmen vor. Aus 36 Einreichungen hatten es sechs in die engere Auswahl geschafft. Gewinnerin der diesjährigen Ausschreibung war die Stadtwerke Lübeck GmbH. Sie wurde für ihr Projekt "Urban Data Plattform" ausgezeichnet, welches Vorbildfunktion für die Umsetzung der digitalen Daseinsvorsorge habe. Den zweiten Platz teilten sich gleich zwei Unternehmen. Die Badenova Energie GmbH wurde für ihre digitale Energieleitplanung prämiert, mit der ein digitaler Zwilling erstellt und zukünftiger Energiebedarf modelliert werden kann. Ebenfalls ausgezeichnet wurden die Wuppertaler Stadtwerke für ihr Projekt "Tal.Markt Flex", mit dem die Dynamik von Lastverschiebungen und Preisen auf dem Energiemarkt sichtbar gemacht werden kann.

In der anschließenden politischen Standortbestimmung machte Ingbert Liebing dann nochmals den Brückenschlag zur Ansprache des Bundeswirtschaftsministers. Hier kritisierte er vor allem den Wunsch Habecks, kommunale Unternehmen sollten sich zu größeren Einheiten zusammentun, um effektiver zu sein. "Wo ist der statistische Beleg, dass kleine Einheiten schlechter sind als große?", so Liebing vorm Plenum. "Wir wollen, aber wir sind angewiesen auf gute Angebote. Wir brauchen sowohl die großen als auch die kleinen." Auch wenn in diesen zwei Tagen die drängendsten Fragen zur Finanzierung nicht beantwortet wurden, so hat der Kongress doch viele Impulse zur Lösung vieler anderer gesetzt, die nun in die Kommunen hineingetragen werden.

In Baden-Württemberg konnte der Bereich Abfallwirtschaft/Abwasser den Ausstoß klimaschädlicher Gase um 6,6 % senken. „Damit hat sich der positive Trend des Sektors weiter fortgesetzt“, sagte Umweltstaatssekretär André Baumann jüngst bei der Vorstellung der Abfallbilanz 2022. Ein wichtiger Grund für diesen Trend sieht Baumann in der Kreislaufführung von Abfällen. „Abfälle leisten auf vielfältige Weise einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, zur Energiewende und zur Rohstoffversorgung in Baden-Württemberg“, sagte er. Um die Kreislaufwirtschaft weiter auszubauen, gelte es, das Potenzial von Abfall als Wertstoff noch stärker zu nutzen. Hierfür müssten Abfälle noch öfter getrennt gesammelt werden. Dabei betonte Baumann insbesondere den Wert der biologischen und energetischen Verwertung von Bioabfall.

Ziel: 100 % Vergärung von Bioabfall

54 Kilogramm Bioabfälle pro Kopf wurden 2022 in Baden-Württemberg gesammelt. Davon gingen 32 % in Kompostierungsanlagen und wurden u. a. zu Dünger, Blumenerde und Bodenverbesserer weiterverarbeitet. Der größte Anteil der Bioabfälle gelangte in Vergärungsanlagen. Aus dem hier gewonnenen Biogas wurde klimafreundlicher Strom und Wärme erzeugt. Diese Mehrfachnutzung von Bioabfällen konnte gegenüber 2021 um 1 % auf 68 % gesteigert werden. Bereits bei der Vorstellung der Vorjahresbilanz formulierte Baumann hier ein klares Ziel: 100 % Vergärung. Zukünftig sollten 400.000 Menschen mit Strom und Wärme aus Bioabfall versorgt werden.

Um Abfälle solchermaßen wieder in den Kreislauf einzubringen, ist eine sorgsame Trennung der einzelnen Fraktionen notwendig. Was das Getrenntsammeln von Bioabfällen angeht, gibt es in Baden-Württemberg jedoch noch Luft nach oben. Stichpunktartige Untersuchungen haben ergeben, dass der Anteil fremder Stoffe im Bioabfall bei durchschnittlich 2,3 bis 2,6 % läge, wie eine Sprecherin des Umweltministeriums im Mai gegenüber den Badischen Neuesten Nachrichten sagte. In einzelnen Gebieten würden sogar Werte von bis zu 15 % berichtet. Glas, Plastik und andere Kunststoffe finden immer wieder ihren Weg in die braune Tonne und erschweren die Verwertung der organischen Abfälle. Das betrifft vor allem auch die vermeintlich kompostierbaren Plastiktüten.

Biogas für klimafreundlichen Strom

Um Fehlwürfe auf ein Minimum zu reduzieren, führen einige Landkreise bereits Kontrollen durch. So hat die Abfallwirtschaft im Rems-Murr-Kreis mit der Kreisstadt Waiblingen im Sommer schon zum zweiten Mal tausende Biotonnen auf Störstoffe untersucht. Für den Blick in die Tonne hatte das Entsorgungsunternehmen zusätzliches Personal und Sammelfahrzeuge mit Störstoffdetektoren eingesetzt. Tonnen mit Fremdstoffen blieben ungeleert stehen. Auf diese Weise will das kommunale Unternehmen die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis zu einer sorgfältigeren Trennung von Abfällen anregen.

Die Bioabfälle im Rems-Murr-Kreis gelangen dann zu 100 % in die kreiseigene Biovergärungsanlage nach Backnang-Neuschöntal. 2022 wurden aus den rund 37.500 Tonnen Bioabfall circa 5.900 Tonnen gütegesicherter Kompost hergestellt. Das bei der Vergärung entstandene Biogas versorgte knapp 3.000 Haushalte mit klimafreundlichem Strom.

Mehr Tempo 30 in Kommunen: Das könnte vielerorts bald Realität werden. Im Juni hatte das Bundeskabinett eine Reform des Straßenverkehrsgesetzes beschlossen. Diese sieht mehr Freiheiten für Kommunen bei der Verkehrsgestaltung vor, u. a. bei der Einrichtung neuer Busspuren, autofreier Straßen, Radwege und Tempo-30-Zonen. Hintergrund für die Reform ist im Wesentlichen ein Versprechen im Koalitionsvertrag. Hier heißt es wörtlich: „Wir werden Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen.“ Der Gesetzesentwurf zum novellierten Straßenverkehrsgesetz soll bis Ende des Jahres im Bundesrat verabschiedet werden.

Kommunale Initiative fordert ortsbezogene Verkehrspolitik

Die Reform als wichtiger Schritt zur Verkehrswende wird vor allem seitens der Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“ begrüßt. Dieses von den Städten Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm gegründete kommunale Bündnis setzt sich seit 2021 gegenüber dem Bund für mehr Entscheidungsfreiheit bei einer stadtverträglichen Verkehrsgeschwindigkeit ein. Zum aktuellen Gesetzesentwurf sagte Sprecherin Frauke Burgdorff, Beigeordnete für Stadtentwicklung, Bau und Mobilität in Aachen, gegenüber dem Spiegel: „Die Tür ist endlich auf. Wenn die Reform des Straßenverkehrsgesetzes wie angekündigt umgesetzt wird, kommen wir einem Hauptziel der Initiative einen gewaltigen Schritt näher.“

Die Initiative wird aktuell von 914 Städten, Gemeinden und Landkreisen unterstützt. Sie wollen nach eigenen Angaben „selbst darüber entscheiden dürfen, wann und wo welche Geschwindigkeiten angeordnet werden – zielgerichtet, flexibel und ortsbezogen“. Hierzu gehört insbesondere eine Drosselung des innerstädtischen Verkehrs auf Tempo 30. Das Umweltbundesamt benennt mehrere Gründe, warum Kommunen zunehmend Tempo-30-Zonen auch an Hauptverkehrsstraßen einführen: Diese würden zu einer höheren Verkehrssicherheit, besserem Lärmschutz, Luftreinhaltung, Förderung von Fuß- und Radverkehr sowie einer höhere Aufenthaltsqualität beitragen. In einer Broschüre zum Thema bestätigt das Umweltbundesamt: „Nach jetziger Erkenntnislage haben die bestehenden Tempo-30-Regelungen an Hauptverkehrsstraßen überwiegend positive Wirkungen.“

Wissing: „Flächendeckend Tempo 30 ist vom Tisch“

Bisher durften Kommunen Tempo 30 nur an besonders gefährlichen Stellen sowie vor Schulen und Altenheimen anordnen – immer unter der Prämisse eines sicheren und flüssigen Verkehrs. Mit der Gesetzesnovelle eröffnen sich nun mehr Spielräume. Bundesverkehrsminister Volker Wissing betonte jedoch auch: „Es bleibt innerorts bei einer Richtgeschwindigkeit von 50 km/h. Flächendeckend Tempo 30 ist damit vom Tisch.“ Auch der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte dazu: „Es gibt viele große Durchgangsstraßen, die für Pendler, aber auch für Handwerker und Lieferanten wichtig sind. Hier würde ein generelles Tempolimit möglicherweise dazu führen, dass der Verkehr sich in die Wohngebiete verlagert und somit zu zusätzlichen Belastungen führt.“

Inwieweit diese Bedenken eine reale Relevanz haben, muss sicher noch untersucht werden. Eine Auswertung des Umweltbundesamts von Verkehrsdaten aus bisherigen Tempo-30-Anordnungen hat keine nennenswerte Zunahme von Schleichverkehr gezeigt. Um die Attraktivität der Hauptstraßen beizubehalten, sollte die Planung eines Tempolimits aber immer im Netzzusammenhang und gemeinsam mit der Qualität des Verkehrsflusses gedacht werden, so die generelle Empfehlung. Wichtiger für die subjektive Wahrnehmung und damit die Akzeptanz von Tempo 30 sei vielmehr die Homogenität des Verkehrsflusses. Der könne Messungen zufolge bei Tempo 30 besser sein als bei Tempo 50.

Der Emissionsausstoß in der Abfallwirtschaft sinkt weiter. Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat der Abfallsektor 2021 insgesamt 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen. Das entspricht einem Rückgang von rund 4,3 % zum Vorjahr. Im Vergleich zum Referenzjahr 1990 sind die Emissionen in diesem Bereich sogar um 78 % gesunken. Damit ist die Abfallwirtschaft der Hidden Champion des Klimaschutzes. "Keine andere Branche in Deutschland hat prozentual eine so hohe Reduktion des Ausstoßes von Klimagasen erreicht", befand der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) bereits 2018 in einer Broschüre zum Thema. Und der Trend setzt sich weiter fort.

Abfallwirtschaft: Weniger Emission durch Deponieverbot

38 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente emittierte die Abfallwirtschaft noch vor 23 Jahren. Diese Zahl hat sich kontinuierlich verringert. 2020 erreichte die Branche erstmals die im Klimaschutzgesetz festgeschriebene Jahresemissionsmenge von 9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Grund für den massiven Rückgang ist laut BMWK vor allem das seit 2005 geltende Deponierungsverbot unbehandelter Siedlungsabfälle. Denn die auf Deponien entstehenden Methanemissionen machen rund 77 % der Gesamtemissionen im Bereich Abfall aus. 12 % entfallen derweil auf die biologische Behandlung von festen Abfällen und 11 % auf die Abwasserbehandlung.

Auch die verstärkte stoffliche und energetische Nutzung von Abfällen leistet einen großen Beitrag zum Klimaschutz in diesem Sektor. So werden heutzutage mehr Wertstoffe getrennt erfasst und verwertet. Das betrifft insbesondere Verpackungen, Bioabfall, Altglas und Altpapier. Doch die Abfallwirtschaft hat ihr finales Ziel noch nicht erreicht: Laut Klimaschutzgesetz sollen die Treibhausgasemissionen hier bis 2030 auf 4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente sinken. Das entspräche einer nochmaligen Verringerung um rund 50 %.

Geringste Fortschritte bei Klimaschutz im Verkehr

Die Abfallwirtschaft verursacht lediglich 1 % der Gesamtemissionen in Deutschland. Das BMWK benennt fünf weitere Sektoren, die maßgeblich zum Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen hierzulande beitragen. Diese sind die Energie- und Landwirtschaft, die Industrie sowie der Verkehrs- und Gebäudesektor. Die Energiewirtschaft verursacht mit aktuell 247 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten den größten Anteil der klimaschädlichen Emissionen. Gefolgt wird sie von der Industrie mit 181 Millionen Tonnen und dem Verkehr mit 148. Der Gebäudesektor kommt 2021 auf 115 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten und die Landwirtschaft auf 61.

Insgesamt konnten alle Sektoren ihre Emissionswerte im Zeitraum von 1990 bis 2021 verringern. So verzeichnete die Energiewirtschaft einen Rückgang um 47 % und der Gebäudesektor um 45 %. Die Industrie emittierte 36 % weniger klimaschädliche Treibhausgase als noch vor 23 Jahren und auch bei der Landwirtschaft gab es einen deutlichen Rückgang um 25 %. Lediglich der Sektor Verkehr konnte seinen Emissionsausstoß nur geringfügig um 9 % reduzieren.

Hitze, Dürre und Starkregen sind in Deutschland längst keine Ausnahmeerscheinungen mehr. Doch Kommunen sind schlecht aufgestellt, um diesen Wetterextremen jetzt und in Zukunft zu begegnen. Von 329 Landkreisen und kreisfreien Städten haben nur rund 25 Prozent ein Konzept zur Anpassung an den Klimawandel, 22 Prozent planen ein solches und etwas mehr als die Hälfte haben bis dato keinen Plan, wie sie den klimatischen Veränderungen begegnen sollen. Das hat eine Befragung von NDR Data, WDR Quarks, BR Data und CORRECTIV ergeben.

„Es ist erschreckend, wie viele Kreise und Städte sich noch gar nicht mit dem Thema beschäftigt haben“, sagt Anja Bierwirth, Expertin für Stadtwandel am Wuppertal Institut, gegenüber CORRECTIV. „Bislang sind Städte, wie wir sie jetzt haben, absolute Hotspots für die Folgen des Klimawandels.“ Dicht bebaute und stark versiegelte Flächen in bewohnten Gebieten mit wenig bis kaum Pflanzenwuchs werden mehr und mehr zum Problem für Mensch und Umwelt. Wasser kann hier nicht versickern, bei Hitze gibt es kaum Abkühlung, hitzebedingte Sterbefälle nehmen seit Jahren zu.

Hitzetage in Deutschland auf Rekordniveau

Der Sommer 2023 hat gerade Halbzeit, doch schon jetzt ist die Bilanz des Deutschen Wetterdienstes ernüchternd: Der Juni war zu warm, zu sonnig und es gab zu wenig Regen in der Fläche. Der Juli bescherte uns bereits einige Hitzetage. Das sind Tage, an denen das Thermometer auf mindestens 30 Grad Celsius klettert. Seit den 1950er-Jahren hat sich deren Anzahl pro Jahr verdreifacht. Die Stadt Speyer in Rheinland-Pfalz ist mit 19,6 Hitzetagen jährlich Spitzenreiterin hierzulande. Auch im Landkreis Karlsruhe wurden zwischen 1993 und 2022 im Schnitt 17 Tage mit Temperaturen von mindestens 30 Grad Celsius gemessen. Durchschnittlich 9,8 Hitzetage pro Jahr gibt es mittlerweile in Deutschland. Die Folge sind Trockenheit und Dürre.

Angesichts anhaltender Trockenheit und niedriger Grundwasserstände haben in den vergangenen Wochen immer mehr Kommunen einen vorsichtigen Umgang mit Wasser angemahnt. In Sachsen-Anhalt und Niedersachsen wurde die Entnahme von Wasser vielerorts gar stark eingeschränkt, so im Altmarkkreis Salzwedel, in der Region Hannover und im Landkreis Gifhorn. Wasserverbände fordern dazu auf, für die Bewässerung von Grünanlagen und Gärten sowie das Befüllen von Pools kein Trinkwasser zu nutzen. Für den Fall, dass dieses in Zukunft knapp wird und rationiert werden muss, erarbeitet der Berliner Senat aktuell einen Notfallplan – Berlin-Brandenburg zählt zu trockensten Regionen Deutschlands.

Die Mehrheit der Landkreise und kreisfreien Städte sind sich im Klaren darüber, dass die Auswirkungen des Klimawandels gefährlich und teuer werden, so das Ergebnis der Umfrage. Neun von zehn rechnen mit einer Zunahme von extremen Wetterereignissen. Rund die Hälfte sieht einen Mangel an Wasser voraus. Auf die Herausforderungen des Klimawandels wird jedoch mehr reagiert als bewusst vorgesorgt.

Stadtgrün gegen Hitze und Dürre

Jan Paul, Sprecher der Initiative „Grün in die Stadt“ und Vizepräsident des Bundesverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V., sieht das Hauptproblem der Städte in deren Versiegelung. Er fordert deshalb mehr Grün und setzt Parkanlagen, Alleen, Dach- und Fassadenbegrünung sowie Stadtwälder gleich mit Strom-, Wasser- und Abwasserversorgung. „Städtische Grünflächen kühlen die nähere Umgebung ab und beugen Hitzeinseln vor, mildern die Folgen von Starkregenereignissen, binden aktiv CO2 und regulieren insgesamt somit das städtische Mikroklima“, sagt er im Interview mit Treffpunkt Kommune.

Bereits heute würden 79 Prozent der Menschen in Deutschland die Rekordtemperaturen im Sommer als stark bis teilweise belastend wahrnehmen, so Paul. „Da wird klar, wie wichtig Investitionen in städtisches Grün auch mit Blick auf die kommenden Jahre und Jahrzehnte sind.“ Der Grünexperte empfiehlt Kommunen, mithilfe von blau-grüner Infrastruktur eine Netto-Null-Versiegelung anzustreben. Stadtgrün müsse als zentraler Baustein für urbane Lebensqualität und als Lösungsansatz für die Abmilderung von Klimafolgen konsequent mitgedacht und nicht nur als unnötige Kostenstelle betrachtet werden.

Hochwasser frühzeitig erkennen, Leben retten und Schäden reduzieren: Mit dem „Hochwasserschutzsystem 4.0“ im Bergischen Land in NRW soll das gelingen. Auf Initiative regionaler Unternehmen wird derzeit ein neues Frühwarnsystem für Überflutungsereignisse entwickelt. Mittels künstlicher Intelligenz sollen Vorhersagen von Wasserpegeln und weiteren relevanten Informationen verbessert werden. Am Projekt beteiligt sind die Heinz Berger Maschinenfabrik, die Bergische Universität Wuppertal, der Wupperverband, die Bergische Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft, die Wuppertaler Stadtwerke und die Bergische IHK. Gefördert wird das Gemeinschaftsprojekt vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit insgesamt 2,8 Millionen Euro.

Hochwasser: Verbesserte Prognosen mit KI

Das neue System arbeitet mit digitalen Sensoren, die allerhand relevante Informationen erfassen. Hierzu gehören die Pegelstände an Gewässern, Kanälen und Rückhaltebecken, Niederschlagsmengen, Unterwasserdruck, Luftdruck, -temperatur und -feuchtigkeit sowie Windstärke und -richtung. Künstliche Intelligenz soll in diesen Daten Muster erkennen, die auf einen Wasseranstieg hindeuten. Über eine lokale App, die der Wupperverband entwickelt, werden gefährdete Unternehmen dann in Echtzeit über Pegelstände informiert und erhalten Prognosen und Warnungen.

„Das Hochwasserschutzsystem 4.0 erkennt Gefahren präziser als etablierte Warnsysteme und kann somit Alarm schlagen, wenn Gewässer über die Ufer zu treten drohen“, erklärt Dr Andreas Groß, Geschäftsführer der Berger Gruppe und Initiator des Projekts. Seine Motivation zur Entwicklung eines zuverlässigen Systems ist hoch: 2021 war die Heinz Berger Maschinenfabrik vom Sommerhochwasser stark betroffen. Nach einer Planungsphase, in der die Projektbeteiligten Arbeitspakete u. a. zur Infrastruktur der Sensorik sowie der Entwicklung des KI-Modells und einer Warn-App definiert hatten, geht es nun in die Umsetzung. Das Projekt läuft bis Ende 2025. Nach der Einführung des Tools im Bergischen Land sollen auch alle anderen Regionen in NRW darauf zugreifen können.

Auch Kiel entwickelt intelligentes Schutzsystem

Auch in Schleswig-Holstein wird aktuell an einer verbesserten Hochwasserprognose mittels KI gearbeitet. Das Risiko für Hochwasser ist hier vergleichsweise hoch: Das Land hat ca. 1.400 Kilometer Küste. Dabei befinden sich rund 20 % der Landesfläche unterhalb der kritischen Höhe von 2,5 Meter über dem Meeresspiegel. Mit mehr als 32.000 Kilometern fließenden Gewässern und ca. 30 Seen ist auch im Binnenland eine Überflutungsgefährdung gegeben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel (CAU) entwickeln daher gemeinsam mit dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) ein KI-gestütztes Hochwasserfrühwarnsystem. Das soll Wasserstände an Binnenpegel vorhersagen und vor möglichen Gefahrenlagen warnen. Gefördert wird die Entwicklung des Systems vom Land mit rund 255.000 Euro über drei Jahre.

Der schleswig-holsteinische Digitalisierungsminister Dirk Schrödter sieht in der künstlichen Intelligenz ein wichtiges Instrument im Kampf gegen den Klimawandel. KI böte enorme Chancen für den Natur- und Umweltschutz. „Die Meeresspiegel steigen, dadurch nehmen auch Überschwemmungen im Landesinneren zu. Dieses Projekt der CAU und des LLUR zeigt eindrucksvoll das große ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Potenzial von KI, das wir in Schleswig-Holstein weiter ausschöpfen werden.“

2015 formulierten die Vereinten Nationen (UN) 17 Nachhaltigkeitsziele – die Sustainable Development Goals (SGD). Diese sind in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung fixiert. In der Umsetzung dieser Ziele bis 2030 spielen auch die Kommunen eine tragende Rolle. Pünktlich zur Halbzeit hat das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) im Auftrag der Bertelsmannstiftung deshalb ermittelt, wie es um das Erreichen der SDGs steht. Das Ergebnis der Studie: Es wurde bereits sehr viel getan. Doch das bisherige Tempo reicht nicht aus, um die Ziele im vorgesehenen Zeitraum zu erreichen.

Agenda 2030: Größte Fortschritte bei Armut, Energie und Arbeit

In einigen Bereichen zeigen sich die Kommunen erfolgreicher als in anderen. Die größten Fortschritte wurden in den Bereichen „Keine Armut“ (SDG 1), „Bezahlbare und saubere Energie“ (7), „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ (8), „Industrie, Innovation und Infrastruktur“ (9) sowie bei „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“ (16) erzielt. Zudem ergab eine Befragung im Rahmen der Studie, dass die Ziele „Hochwertige Bildung“ (4), „Bezahlbare und saubere Energie“ (7) sowie „Maßnahmen zum Klimaschutz“ eine besonders hohe Relevanz in den Kommunen haben.

Zehn Maßnahmen zur Umsetzung der SGDs in Kommunen

Insgesamt ist dem Gros der Kommunen (73 Prozent) eine nachhaltige Entwicklung wichtig. Zugleich herrscht unter ihnen jedoch Unzufriedenheit über deren unzureichende Umsetzung. „Die Kommunen wollen und müssen sich auf den Weg machen“, heißt es in einer Zusammenfassung der Bertelsmannstiftung. Als Hauptprobleme identifiziert das difu eine fehlende Gesamtstrategie für die zentralen Nachhaltigkeitsaktivitäten sowie deren Verknüpfung an die Haushaltsplanung und ein entsprechendes Monitoring.

Um die Anstrengungen für mehr Nachhaltigkeit zu erhöhen, bedürfe es insgesamt einer besseren Unterstützung durch Bund und Länder. Zudem leiten die Studienautorinnen und -autoren zehn Schlussfolgerungen bzw. Maßnahmen ab. Die sollen eine Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele beschleunigen:

  • Für mehr Klimaschutz braucht es eine Ressourcenwende – etwa durch einen deutlich verstärkten Fokus auf Kreislaufwirtschaft.
  • Um Biodiversität zu erhalten, muss die tägliche Inanspruchnahme neuer Flächen erheblich reduziert werden – Stichwort: Flächenwende.
  • Für eine soziale Gesellschaftswende bedarf es höheren Engagements.
  • Die Kommunen brauchen eine starke politische Rückendeckung durch Bund und Länder.
  • Die zahlreichen Förderprogramme müssen stärker gebündelt, verstetigt und im Sinne der Kommunen bedarfsgerechter fokussiert werden.
  • Für eine umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung müssen räumliche und zeitliche Datenlücken geschlossen werden.
  • Die Kommunen müssen dringend „ins Tun kommen“. Das bedeutet: Alle Impulse werden genutzt und eine nachhaltige Entwicklung wird flächendeckend umgesetzt.
  • Dabei sollen die Kommunen das Rad nicht neu erfinden, sondern erprobte Instrumente nutzen und deren Anwendung verstetigen.
  • Ferner gilt es auf Basis der Instrumente konkrete Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen sowie deren strategische Steuerung und Wirkungsmessung auszubauen.

„Damit ihr Wissen nicht in Rente geht": Wie das vor dem Hintergrund der Digitalisierung gelingt, war Thema einer Veranstaltung des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) zum Digitaltag 2023. Hierfür hatte der Verband den Technischen Vorstand der Mainzer Stadtwerke, Tobias Brosze, und dessen Kollegen Roman Benteler, Ressortleiter Digitalisierung, eingeladen. Im Vortrag gaben die Referenten einen Überblick über die Herausforderungen durch Fachkräftemangel und demografischen Wandel in kommunalen Unternehmen. Gleichzeitig zeigten sie die Potenziale der Digitalisierung auf, um mit diesen gesellschaftlichen Veränderungen Schritt halten zu können. Unter Moderation von Dr. Maria Rost, VKU-Bereichsleiterin Digitales, nahmen rund 70 Vertreterinnen und Vertreter aus Kommunen und Unternehmen am Online-Seminar teil.

Fachkräftemangel mit digitalem Wissensmanagement begegnen

„In den nächsten zehn Jahren werden 48 % der Fachkräfte in den Ruhestand gehen", lautete die Prognose von Tobias Brosze zu Beginn. Das sei ein Teil des Problems. Denn mit dem Ausscheiden langjähriger Mitarbeitenden gehe auch häufig wertvolles Wissen verloren. Ein weiteres Problem: Viele Fachkräfte täten sich mit den neuen Anforderungen der Digitalisierung schwer. Das wiederum befeuere einen zukünftigen Fachkräftemangel. Und: Die nachfolgenden Generationen brächten zwar große digitale Kompetenzen mit, verfügten aber nicht über das notwendige Know-how. Zudem sei ihre Bereitschaft, den Arbeitgeber zu wechseln, höher als noch vor zehn Jahren.

Was also tun angesichts von schwindendem Fachwissen und Mentalitätswandel auf dem Arbeitsmarkt? „Wir müssen Systeme etablieren, die das Wissen als Ressource konservieren", so Tobias Brosze. Sein Lösungsweg: Systematisierung, Prozessentwicklung und digitales Wissensmanagement. Auch wenn Letzteres mit zeitlichen und finanziellen Kosten verbunden sei, zahle sich der Aufwand langfristig aus, ist Brosze überzeugt. Deshalb haben die Mainzer Stadtwerke in Kooperation mit ZDF Digital und anderen Stadtwerken die Software kapiro entwickelt. Mit dem Wissensmanagement-Tool können alle Mitarbeitenden eines Unternehmens jederzeit auf das Fachwissen ihrer Kolleginnen und Kollegen zurückgreifen und eigenes Wissen konservieren.

Digitales Tool: Unkomplizierte Wissensvermittlung für alle

Eine unkomplizierte Wissensvermittlung, die für alle leicht zu bedienen ist, – das ist der Anspruch von kapiro, so Roman Benteler, Produktmanager der Software und Leiter im Bereich Digitalisierung der Stadtwerke Mainz. Fachkräfte, Meister, operative Leitung, Auszubildende und Ausbilder könnten das Tool nutzen, um Fachwissen zu teilen und Arbeitsanleitungen nachhaltig zu sichern. Dabei sei die Funktionsweise so einfach, dass auch technisch weniger affine Mitarbeitende Anleitungen, Bilder, Videos etc. weitergeben und nutzen könnten. Das ist ganz im Sinne der Initiative „Digital für alle", die den Anstoß zum Digitaltag gab. Ihr Ziel ist es, digitale Teilhabe in Deutschland zu fördern, Kompetenzen zu stärken und Digitalisierung überall für Menschen erlebbar zu machen.

Wie aber bricht man die „Wissenssilos" bei Mitarbeitenden auf? Getreu dem Motto „Wissen ist Macht" behalten Einzelne ihr Know-how gerne für sich. Hier rieten die Referenten: Mitarbeitende auffordern, ihr Wissen zu teilen, und Expertenwissen wertschätzen – auch digital. Zudem könne im gemeinsamen Austausch und Hinterfragen mit Teams bislang nicht geteiltes Wissen identifiziert und eine Wissenslandkarte aufgebaut werden. Hierfür brauche es meist aber einen Anstoß und Ressourcen für die konkrete Auseinandersetzung mit dem Thema.

Fachkräftemangel ist größte Bremse für Kommunalwirtschaft

Dass eine fehlende Weitergabe von Kompetenzen nicht zwangsläufig die kommunale Wirtschaftlichkeit gefährde, stellte Tobias Brosze zum Abschluss nochmals klar. Er sieht die fehlenden Fachkräfte als größte Bremse – auch bei weiteren Entwicklungen im Klimaschutz. Die Wissensvermittlung durch Wissenssicherung könne aber neben der Prozessoptimierung und Mitarbeiterbindung eine entscheidende Lösung sein. Je einfacher, desto besser.

Baden-Württemberg will bis 2040 klimaneutral sein. Unter dem Dach des Sofortprogramms Klimaschutz und Energiewende möchte das Land in den kommenden Jahren erneuerbare Energien massiv ausbauen und seine Treibhausgasemissionen stark verringern. Damit das gelingt, ist die Mitarbeit der Kommunen gefragt.

Um diese „Auf dem Weg zur Klimaneutralität“ zu unterstützen, hat das baden-württembergische Umweltministerium einen gleichnamigen Wettbewerb ins Leben gerufen. Städte und Gemeinden sollen hier für umfassende Konzepte für Klimaschutz ausgezeichnet und bei deren weiterer Umsetzung finanziell noch stärker unterstützt werden.

Klimaneutralität bis 2035: Vier Kommunen ausgezeichnet

Zwölf Kommunen aus Baden-Württemberg nahmen am kommunalen Förderwettbewerb teil. Vier davon wurden im April als „Vorreiter-Kommunen“ für ihre ambitionierten Klimaschutzziele ausgezeichnet: Ludwigsburg, Freiburg, Denzlingen sowie der Landkreis Calw. In den nächsten drei Jahren erhalten diese eine Förderung von insgesamt 11,5 Millionen Euro für die Realisierung entsprechender Maßnahmen.

„Ich freue mich, vier unterschiedlich große Modell-Kommunen unterstützen zu können, die sich das ehrgeizige Ziel der Klimaneutralität bis 2035 gesetzt haben“, sagte Ministerin für Umwelt und Klimaschutz Thekla Walker in einer Pressemitteilung. „Ich bin mir sicher, dass diese als ambitionierte Vorreiter mit ihren geplanten Maßnahmen Mut machen und viele Nachahmer finden.“

Ludwigsburg bekommt zwei Millionen Euro

Die Höhe der Förderung bemisst sich an der Größe der jeweiligen Kommune. Als mittelgroße Stadt der Größenklasse B (20.000 bis 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner) erhält Ludwigsburg zwei Millionen Euro. Schon jetzt bezeichnet sich die Stadt als „Vorreiter-Kommune für Nachhaltigkeit“. „Die Förderung des Landes gibt uns auf unserem Weg zur Klimaneutralität zusätzlichen Rückenwind“, so Oberbürgermeister Matthias Knecht.

Mit innovativen Maßnahmen will Ludwigsburg die großen Sektoren Wärme, Strom und Mobilität in den kommenden zwölf Jahren treibhausgasneutral machen. Hier käme es auf den vollen Einsatz von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und auch der Bürgerschaft an, betonte Knecht. „Genau jetzt ist die Zeit, praktische Schritte zu tun.“

Landkreis Calw mit höchster Summe gefördert

Die Stadt Freiburg wurde als Kommune der Größenklasse C (größer als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner) ausgezeichnet. „Wir alle wissen, dass die Zeit drängt“, bekannte Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn. Die Ziele seien klar, nun gehe es um mehr Geschwindigkeit und Investitionen. Für letzteres kann die Kommune nun auf vier Millionen Euro Förderung zusätzlich zurückgreifen.

Bis zu fünf Millionen Euro bekommt der Landkreis Calw. Landrat Helmut Riegger freut sich über diese Auszeichnung: „Es ist ein starkes Zeichen, dass wir als Modelllandkreis ausgewählt wurden und Unterstützung für unsere ambitionierte Klimaschutzarbeit erhalten.“ Als kleinste Kommune mit unter 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern wird Denzlingen mit bis zu 500.000 Euro gefördert.

Die Stadtentsorgung Potsdam (STEP) will künftig mithilfe eines auf Künstlicher Intelligenz (KI) gestützten Messsystems für sauberere Straßen in der Landeshauptstadt sorgen. Seit dem 1. Juni sind hierzu fünf Kehrmaschinen der STEP entsprechend aufgerüstet. Eine integrierte Kamera erfasst praktisch im Vorbeifahren nicht nur das Ausmaß der Verschmutzung, sondern gleichzeitig auch die verschiedenen Arten von Abfällen, die zu diesem beitragen, wie Zigarettenstummel, Glasscherben oder Papier.

STEP-Geschäftsführer Florian Freitag: „Wenn wir wissen, welche Straßen wann und auf welche Weise verschmutzt sind, können wir die Ressourcen in der Straßenreinigung praktisch punktgenau einsetzen. Die verbesserte Effizienz führt wiederum zu höherer Sauberkeit bei gleichzeitig geringerem Einsatz von Energie, Arbeitskraft und Zeit.“

Verbessertes Abfallmanagement mit KI

Das aus der Schweiz stammende Messsystem trägt den Namen CORTEXIA und wird in Deutschland von REMONDIS Digital betrieben. Johannes Schön, Geschäftsführer REMONDIS Digital: „Um Städte und Kommunen wirklich effizient reinigen zu können, müssen sie genau wissen, wo wann welcher Schmutz anfällt. CORTEXIA bietet hierfür ein einzigartiges System, das diese komplexe Aufgabe ohne nennenswerten Mehraufwand löst.”

In Potsdam wurde es bereits von September letzten Jahres bis Ende März mit einer Kleinkehrmaschine getestet. Die in dieser Testphase gesammelten Daten beschränken sich momentan noch auf die Rad- und Gehwege der Stadt. Mit der Ausweitung auf vier weitere Kehrmaschinen soll nun eine umfassende Analyse des gesamten Stadtgebiets und eines ganzjährigen Zeitraums in Angriff genommen werden.

OB Potsdam: Neues Messsystem schafft Win-Win-Situation

Anhand der Ergebnisse der Datenerfassung lassen sich passgenaue Reinigungsstrategien für die verschiedenen Stadtbereiche entwickeln. So kann etwa der Reinigungsturnus für besonders schmutzige Hotspots erhöht und der für sehr saubere Straßenzüge reduziert werden. Mit Blick auf das ganze Jahr wären zudem mitunter saisonale Abfallbehälter in Ballungsräumen eine denkbare Maßnahme zur Reduzierung von Littering.

„Mit dem neuen KI-gestützten System schaffen wir eine kommunalwirtschaftliche Win-Win-Situation“, erklärt Oberbürgermeister Mike Schubert. „Über die dadurch ermöglichte bedarfsgerechte Straßenreinigung können wir unsere Ressourcen so einsetzen, dass unsere Straßen in Summe sauberer sind, während wir gleichzeitig unnötigen Aufwand und Kosten sparen.“

Die Bundesgütegemeinschaft Kompost e. V. (BGK) mit Sitz in Köln hat den „Tag der Biotonne“ ins Leben gerufen. Dieser soll fortan am 26. Mai bundesweit stattfinden. Mit dem besonderen Tag will der Verein die Entwicklung hin zu einer sortenreinen Erfassung von Bioabfall stärker unterstützen und vorantreiben.

Entsprechende Verbände, Organisationen, Entsorgungsträger und Betreiber sind an diesem Tag dazu aufgefordert, die breite Öffentlichkeit darüber zu informieren, wie wichtig und sinnvoll das Getrenntsammeln von Bioabfällen ist. „Wenn alle, die in der Bioabfallbranche tätig sind, diesen Tag nutzen, um die Bedeutung der getrennten Bioabfallsammlung hervorzuheben, können wir gemeinsam am meisten erreichen“, schreibt der BGK in einer aktuellen Pressemitteilung.

Ein übergreifendes Konzept bedürfe es dabei nicht, so der Verein. Beteiligte Akteurinnen und Akteure sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf diesen Tag aufmerksam machen und individuell agieren, um die gemeinsame Botschaft zu verbreiten. Dies könne beispielsweise in Form von Pressemitteilungen, Veranstaltungen, Social Media oder der Abfallberatung erfolgen. Geplante Aktivitäten können auf der Website www.tag-der-biotonne.de eingetragen und gesammelt werden.

Bioabfall ist wichtiger Teil der Kreislaufwirtschaft

Innerhalb der Kreislaufwirtschaft nehmen Bioabfälle eine wichtige Rolle ein. Aus ihnen können hochwertige Komposte und Gärprodukte wie Biogas erzeugt werden. Voraussetzung hierfür ist eine sortenreine Trennung der Abfälle. Die beginnt bei den Bürgerinnen und Bürgern. Um diese zu unterstützen, sind Städte und Gemeinden seit 2015 über das Kreislaufwirtschaftsgesetz (§ 20) dazu verpflichtet, ein System zur Getrenntsammlung von Küchen- und Gartenabfällen bereitzustellen. Überdies besteht ein kommunaler Anschluss- und Benutzungszwang für eine Biotonne.

Wie eine Analyse des NABU von 2023 zeigt, haben mittlerweile 285 von 400 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland eine Pflicht-Biotonne eingeführt. Haushalte können von dieser Pflicht lediglich befreit werden, wenn sie ihre Bioabfälle im eigenen Garten kompostieren. 115 Städte und Kreise haben noch keine flächendeckende und verbindliche Tonne für Bioabfälle. Die Getrenntsammlung findet hier entweder freiwillig, über ein anderes System wie einer zentralen Sammelstelle oder gar nicht statt.

Pflicht-Biotonne für bessere Getrenntsammlung

Was die tatsächliche Abfallsammlung betrifft, so schneiden laut NABU freiwillige Biotonnen oder Bringsysteme deutlich schlechter ab. Bioabfälle würden signifikant weniger gesammelt, dafür deutlich mehr Restabfall als in Kommunen mit Pflicht-Biotonnen. Wertvoller Bioabfall im Restmüll ist für die Kreislaufwirtschaft unwiederbringlich verloren, da dieser hier mit den anderen Restabfällen in die thermische Verwertung geht.

2021 wurden in Deutschland rund 5,6 Millionen Tonnen Küchen- und Gartenabfälle über die Biotonne gesammelt. Weitere vier Millionen Tonnen landen dagegen jährlich in der Restmülltonne. Die Zahlen zeigen: Bei der Getrenntsammlung von Bioabfällen ist noch Luft nach oben. Um die Sammelquote zu erhöhen, ist daher eine flächendeckende Bereitstellung von Pflicht-Biotonnen sinnvoll. Hier sind vor allem Kommunen gefragt.

Ab Mai 2025: Kontrollwerte für Fremdstoffe in Bioabfällen

Mit der Novelle der Bioabfallverordnung (BioAbfV) 2022 rückt rechtlich gesehen auch erstmals die Reinheit von Bioabfällen in den Fokus. Öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger müssen darauf achten, dass eingesammelte Bioabfälle und Gemische gesetzlich festgelegte Höchstwerte für Schad- und Fremdstoffe, v. a. Kunststoffe, so weit wie möglich unterschreiten. Ab dem 1. Mai 2025 müssen Anlagenbetreiber vor Annahme von Bioabfällen überdies eine Sichtkontrolle durchführen, um den Anteil der Fremdstoffe zu bestimmen. Liegt dieser bei mehr als 3 %, können sie die Annahme der Abfälle zurückweisen.

Was Bürgerinnen und Bürger zum Getrenntsammeln von Bioabfällen wissen müssen, lesen Sie hier bei Klimaschutz Kommune.

PFAS – kurz für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen – gelten als ewige Chemikalien oder auch „Jahrhundertgift“. Sie können in der Umwelt nicht abgebaut werden. Einige dieser Stoffe sind aber nicht nur nahezu unzerstörbar, sondern auch extrem gesundheitsschädigend.

Das Umweltbundesamt und andere europäische Institutionen fordern daher ein vorsorgliches Verbot der schädlichen Chemikalien – mit wenigen notwendigen Ausnahmen in der EU. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag wurde von der Europäischen Chemikalienagentur ECHA im Februar eingereicht.

Momentan sind die Chemikalien noch in zahlreichen Produkten wie Outdoor-Bekleidung oder beschichteten Pfannen zu finden. Und nicht nur da: Der Rechercheverbund NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung haben 2022 in einer monatelangen Nachforschung ermittelt, welche Flächen in Deutschland potentiell mit dem Jahrhundertgift belastet sind. Das Ergebnis ist ernüchternd.

300 gefährliche PFAS-Hotspots in Deutschland

Die Medien beteiligten sich am Forever Pollution Project, indem Journalistinnen und Journalisten die Chemikalien in ganz Europa aufgespürt haben. Bei ihrer Suche verwendeten sie eine erprobte Methodik, die vom PFAS Project Lab in Boston (USA) für die PFAS Sites and Community Resources Maps entwickelt wurde.

Die paneuropäische Recherche identifizierte über 17.000 Orte in Europa, die definitiv kontaminiert sind. Weitere 21.000 sind aufgrund früherer industrieller Aktivitäten wahrscheinlich belastet. Das Recherchenetzwerk geht in 2.100 Fällen davon aus, dass es sich um sogenannte PFAS-Hotspots handelt. Bei diesen ist das Ausmaß der Kontamination so groß, dass eine erhebliche Gefährdung der Bevölkerung besteht.

Die Ergebnisse für Deutschland sind ähnlich erschreckend. Insgesamt wurde für mehr als 1.500 Orte eine potentielle Belastung festgestellt. Über 300 davon sind gefährliche Hotspots. In vielen Fällen sind Anwohnerinnen und Anwohner über die Gefahr in ihrer Umgebung nicht informiert worden, wie die Recherche ergab.

Ein teures Erbe

PFAS sind nicht nur gesundheitsschädigend. Aufgrund ihrer „Ewigkeit“ sind sie auch extrem teuer. Einer Studie des Nordischen Ministerrats zufolge belaufen sich die Beseitigungskosten für belastete Gebiete in Europa auf rund 17 Milliarden Dollar. Ein grundsätzliches Verbot der Substanzen wäre allein schon aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll.

„Aus Liebe zur Natur“ – mit diesem Slogan wirbt der Discounter Lidl aktuell für seine neue PET-Einwegflasche. Die soll ganz besonders ökologisch sein, wie das prominente Werbegesicht Günther Jauch in der Kampagne betont. Die Botschaft: Gute Einwegsysteme mit Pfand könnten genauso klimaschonend sein wie gute Mehrwegsysteme, wenn das Material im Kreis geführt und neue Flaschen aus alten hergestellt würden.

Ökologischere Einwegflasche durch effektives Kreislaufsystem

Tatsächlich hat das Unternehmen ein de facto hauseigenes und effektives Kreislaufsystem geschaffen. Als Teil der Schwarz-Gruppe, welche u. a. auch die Mitteldeutsche Erfrischungsgetränke Gruppe MEG als Getränke- und Recyclingnetzwerk unterhält, kann Lidl auf unternehmenseigene Werke für Kunststoff und Recycling zugreifen. Hier werden 100 % recycelte PET-Flaschen hergestellt, welche tendenziell regional abgefüllt werden. Zusammen mit vergleichsweise kurzen Transportwegen führt das zu einer verbesserten Ökobilanz.

Mit diesem hochoptimierten Einwegsystem kann es die Kreislaufflasche mit manchen Mehrwegflaschen aufnehmen. Das hat das Heidelberger Institut für Energie und Umwelt (IFEU) dem Lebensmittel-Discounter wissenschaftlich belegt. Um die Ökobilanz der neuen PET-Einwegflaschen zu ermitteln, hatte die MEG-Gruppe eine Studie beim IFEU in Auftrag gegeben.

Keine pauschalen Aussagen zu PET-Einwegflaschen möglich

Hinsichtlich ihrer Ökobilanz ist die Kreislaufflasche im Vergleich zu einigen Mehrwegflaschen zwar „mehrheitlich mindestens konkurrenzfähig“. Doch die Studienautoren weisen auch auf wesentliche Beschränkungen hin.

So ermöglichten die Ergebnisse keine pauschalen Aussagen zur Ökobilanz von PET-Einwegflaschen. Auch könnten keine allgemeinen Verbindlichkeiten für eine generelle Verbesserung von PET-Einwegflaschen in Deutschland abgeleitet werden. Die hochoptimierte Kreislaufflasche funktioniere nur in der „hochintegrierten Umgebung“ der MEG. Auch der Einsatz von 100 % recyceltem PET sei langfristig nicht in allen Flaschen realisierbar.

Beim Vergleich der neuen Lidl-Flasche mit Mehrwegflaschen sei außerdem Folgendes zu beachten: Die Abbildung der Mehrwegflaschen erfolgte auf Basis von Daten aus zwei relevanten Studien der Jahre 2008 und 2010 (Ökobilanz GDB und IK). Für die aktuelle Untersuchung wurden diese an den derzeitigen Marktdurchschnitt angepasst.

Kontroverse Meinungen zur Kreislaufflasche

Seitens einiger Umweltexperten wird die Lidl-Kampagne kritisch bewertet. Als „Greenwashing“ und „klassische Lobbyarbeit“ bezeichnete Greenpeace-Recyclingexpertin Viola Wohlgemuth die Studie gegenüber dem stern. Der Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe (DUH) Thomas Fischer bekannte zwar in einem Interview mit dem SWR, dass die Lidl-Einwegflaschen im Vergleich zur Vergangenheit umweltfreundlicher geworden seien. Die Recyclingquote von nahezu 100 % funktioniere in dieser Art derzeit aber nur bei Lidl. Außerdem bemängelte Fischer den Aufbau der Studie. Hier würden „Äpfel mit Birnen“ verglichen.

Der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung bvse sieht die Lidl-Aktivität dagegen positiv. Geschäftsführer Jörg Lacher sagte gegenüber Klimaschutz Kommune: „Sicher lässt sich das ein oder andere Detail kritisieren. Für uns ist aber entscheidend, dass die PET-Flaschen einem Recycling zugeführt werden. Außerdem begrüßen wir, dass die in Umlauf gebrachten Flaschen mit recyceltem Ausgangsmaterial hergestellt werden.“

Mit weniger Müll für mehr Klimaschutz: Als erste ostdeutsche Stadt will Leipzig Zero.Waste.City werden. „Mit der Umsetzung einer Zero Waste Strategie bekennt sich die Stadt einmal mehr zum Klimaschutz und zeigt, dass sie global denkt und im Konkreten lokal verantwortlich handelt“, sagte Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal in einer Pressemitteilung. Leitmotiv für die Strategie: „Mein Leipzig schon' ich mir! Ressourcen sparen, Zukunft wagen.“

Federführend für die Umsetzung ist der Eigenbetrieb Stadtreinigung. Die will bis zum November 2023 einen umfassenden Maßnahmenkatalog erarbeiten. Hierbei setzt die Stadtreinigung auf die Beteiligung lokaler Initiativen, Vertreterinnen und Vertreter aus Gewerbe und Bildungseinrichtungen sowie engagierter Bürgerschaft.

Am 8. Mai 2023 fand dafür in der Leipziger Stadtbibliothek eine Veranstaltung statt, in der sich Bürgerinnen und Bürger mit Ideen zum Thema einbringen konnten. In zwei Bürgerforen und mehreren Fachworkshops wurden Vorschläge erarbeitet, um das Abfallaufkommen in der Stadt zu reduzieren und Ressourcen zu schützen.

Stadtreinigung entwickelt Zero Waste Konzept

Seit April 2022 beschäftigt sich eine Koordinatorenstelle in der Stadtreinigung damit, ein entsprechendes Konzept zu entwickeln. Als Vorbild dient dabei die Stadt Kiel. Diese ist die erste deutsche Stadt mit Kandidatenstatus auf das begehrte Umweltprädikat.

Erstes Etappenziel für Leipzig: Bis 2030 eine Verringerung des jährlichen Pro-Kopf-Abfalls um zehn Prozent. Das sind 125 Kilogramm weniger Restabfälle und 330 Kilogramm weniger Siedlungsabfälle pro Bürgerin und Bürger und Jahr. Um das Ziel zu erreichen, arbeitet die Stadtreinigung an Projekten zur Abfallvermeidung. Im Fokus: Verbraucherinnen und Verbraucher und ihr Konsumverhalten. Hier möchte die Stadtreinigung dafür sensibilisieren, statt Dinge neu zu kaufen, vermehrt auf zweite Hand zu setzen, Gebrauchsgegenstände zu reparieren, auszuleihen oder zu tauschen.

Zero Waste City: So geht's

Um Zero-Waste.City zu werden, müssen sich interessierte Kommunen zuerst einen Zertifizierungsprozess bei der Organisation Zero Waste Europe durchlaufen. Hierfür verpflichten sie sich, ihre lokalen Siedlungsabfälle in jährlich definierten Schritten um 90 Prozent zu verringern. Außerdem müssen sie in Zukunft darauf verzichten, unbehandelte Abfälle zu verbrennen und auf Deponien abzulagern. Zum Abschluss des Prozesses reichen die potentiellen Kandidaten ein verbindliches und vom jeweiligen Stadtrat beschlossenes Konzept ein, in dem sie ihre Strategie hin zu weniger Abfall festschreiben und diese dann auch umsetzen.

Neben Leipzig und Kiel haben sich auch München, Berlin, Düsseldorf und Köln auf den Weg zur Zero.Waste.City gemacht. Für die Stadt Würzburg prüft derzeit ein neuer Agenda 21-Arbeitskreis ein solches Vorhaben. Zero Waste ist im Trend: In Europa beteiligen sich aktuell circa 445 Kommunen am Programm. Nach Angaben der Initiative „Zero Waste Europe“ dauere es zwei bis drei Jahre, bis ein entsprechendes Konzept ins Abfall- und Ressourcenmanagement einer Stadt oder Gemeinde integriert sei.

Im Fokus von Zero Waste steht die Vermeidung von Abfällen. Dies soll einerseits gelingen durch einen reduzierten Konsum und achtsameren Umgang mit Gebrauchsgütern – auch nach dem Motto: Wiederverwenden statt Wegwerfen. Andererseits werden Abfälle als Ressource verstanden, die innerhalb der Kreislaufwirtschaft recycelt und weiterverwendet werden können.

Videospiele – insbesondere solche fürs Handy – funktionieren in der Regel über ein simples Belohnungsprinzip. Das ist so effektiv, dass es mitunter süchtig macht. Die unter dem Namen Changers firmierende Blacksquared GmbH aus Berlin bietet Apps, die dieses Prinzip mit spielfremden Aktivitäten in der physischen Welt koppeln. In Fachkreisen wird dies auch als Gamification (dts.: Spielifizierung) bezeichnet. Dadurch sollen entsprechende Aktivitäten quasi über den persönlichen Spieltrieb optimiert werden. Eine der Applikationen von Changers ist konkret auf klimafreundliches Verhalten ausgelegt und wendet sich direkt an Kommunen.

Klima-Taler und City App

Klima-Taler nennt sich der spielerische Umgang mit dem wohl ernstesten Thema unserer Zeit. Diese Taler sind dabei zugleich die Währung, die Anwendende als Belohnung für klimafreundliches Verhalten bekommen. Grundlage für das Talersystem ist die City App, die sich an drei verschiedene Zielgruppen wendet, welche sie jeweils unterschiedlich nutzen und von dem Belohnungssystem profitieren.

Zunächst sind da die Kommunen. Changers arbeitet eng mit Verwaltungen, Ver- und Entsorgern sowie den Verkehrsbetrieben zusammen, um den kommunalen Klimaschutz mit der Förderung der kommunalen Wirtschaft zu verbinden. Die Kommunen können die City App für sich sozusagen kommunalisieren. Dadurch wird aus dieser eine ortsspezifische Applikation entsprechend den lokalen Anforderungen. Beispiele hierfür sind etwa die lokalen Apps „Münster bewegt“, „Aachen move“ oder „Darmstadt im Herzen“.

Die zweite Gruppe bilden die sogenannten Klima-Partner. Dabei handelt es sich um Dienstleister wie Händlerinnen und Händler, Gastronomie, Kulturbetriebe sowie kommunale Unternehmen. Diese können in den City Apps kostenfrei auf sich aufmerksam machen und ihre Angebote vermarkten. Im Gegenzug bieten sie Vergünstigungen in Form von Gutscheinen, die gegen Klima-Taler eingelöst werden können.

Gutscheine und Bäume

Zu guter Letzt bleiben die Userinnen und User der App, die mit klimafreundlichem Verhalten Punkte sammeln. Für alle 5 kg an eingespartem CO2 erhalten diese 1 Klima-Taler. Der Rechnung der App zufolge entspricht das einer 30 km langen Autofahrt. Wer also diese Distanz zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV zurücklegt, verdient sich damit 1 Taler. Die App ermittelt dabei über das GPS-Signal des Handys, um welche Art der Fortbewegung es sich handelt. Darüber hinaus können Klima-Taler über „Challenges“ (z. B. zum Wassersparen oder Recycling) erarbeitet werden. Mit den Talern können die Nutzerinnen und Nutzer entweder Gutscheine von Klima-Partnern erwerben oder an Verlosungen des Partner-Netzwerks teilnehmen. Alternativ dazu haben sie die Möglichkeit, für je 100 Taler über einen „Baumpflanz-Partner“ einen Baum pflanzen zu lassen.

Große Effekte durch einfaches Spiel

Wie groß die Effekte dieses einfachen Spiels sein können, bewies jüngst die Stadt Bielefeld. Diese hatte über eine Laufzeit von zwei Jahren mithilfe der App – in diesem Fall kommunalisiert als „BIE a Hero!“ – fast 54.000 Bäume gepflanzt und 50.000 Quadratmeter Blühflächen ausgesät. „Baumpflanz-Partner“ war in diesem Fall das Forstamt Bielefeld.

„Nur gute Angebote allein reichen nicht, es braucht auch Push-Maßnahmen.“ Mit diesen Worten eröffnete Anne Klein-Hitpaß vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) ihren Vortrag am 23. März zur Frage: Wie geht CO2-arm pendeln? Im Rahmen der Online-Veranstaltungsreihe „Green Cities 2035“ der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit dem Difu zeigte die Wissenschaftlerin Maßnahmen für klimafreundlichere Arbeitswege auf. Seit Juli 2021 leitet Anne Klein-Hitpaß den Forschungsbereich „Mobilität“. Ihr Forschungsschwer­punkt liegt auf der urbanen Verkehrswende.

Verkehrswende: Autos sind immer noch im Vorteil

Die Verkehrswende komme teilweise voran, aber teilweise auch nicht, so die Wissenschaftlerin. Großer Knackpunkt: der Pendlerverkehr. Jeder fünfte Weg in Deutschland sei ein Arbeitsweg und durchschnittlich 16 Kilometer weit. 22,4 % der klimarelevanten Emissionen des Personenverkehrs entfielen auf das Pendeln, rund 2/3 der Menschen nutzten dafür das eigene Auto und da bevorzugt allein.

Warum das so ist, wusste die Wissenschaftlerin auch: In den vergangenen Jahrzehnten wurden immer mehr Straßen und Autobahnen gebaut, mit denen längere Distanzen schneller und bequemer bewältigt werden könnten. Dagegen seien die Alternativen zum Auto nicht gut genug ausgebaut. Privilegien, wie das Dienstwagenprivileg oder staatliche Subventionen für Pendlerinnen und Pendler mit Auto, würden vonseiten der Politik nicht mit der nötigen Entschlossenheit abgebaut.

„Die Klimakrise erfordert zügiges Handeln und davon sind wir im Moment noch sehr weit entfernt", konstatierte Anne Klein-Hitpaß. Der Weg zur Erreichung der Klimaziele sei insbesondere im Verkehrssektor noch lang. CO2-arm pendeln heiße vor allem, weniger oder gar nicht mit dem Auto zu fahren. Um das zu erreichen, braucht es nach Einschätzung der Wissenschaftlerin eine integrierte Verkehrslösung, bestehend aus: Vermeiden, Verlagern und Verbessern.

Integrierte Verkehrslösung: Vermeiden, Verlagern, Verbessern

Vermeiden setzt beim Homeoffice an. Würden 40 % der Erwerbstätigen für zwei Tage die Woche von zu Hause aus arbeiten, könnten 5,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden, so Klein-Hitpaß. Das entspräche 18 % der Emissionen des Berufspendelns. Gleichzeitig verwies sie aber auch auf sogenannte Rebound-Effekte. So ließe sich beobachten, dass eingesparte Arbeitswege oftmals in der Freizeit kompensiert würden. Co-Working-Spaces im Speckgürtel der Stadt könnten da eine Lösung sein, um Arbeitswege und -routinen zu gewährleisten, ohne einen langen und CO2-intensiven Weg bis in die Innenstadt zu fahren.

Verlagern heißt: weg vom motorisierten Individualverkehr hin zu mehr ÖPNV und Fahrrad. Insbesondere das Pedelec böte dabei auf Distanzen von 10 bis 25 Kilometern eine echte Alternative für etwas sportlichere Menschen und das größte Einsparpotenzial. Beim Ausbau des ÖPNV seien Städte mit ihrem Angebot oftmals bereits am Limit. Hier schlug die Wissenschaftlerin vor, sich mehr auf die Etablierung von Express-Bussen zu konzentrieren ­– natürlich vollelektrisch. Umsteigeoptionen und Taktung müssten stärker an den Alltagsrealitäten der Menschen ausgerichtet werden, um Pendlerdistanzen zu verkürzen. Auch pendlerfreundliche Tarifstrukturen, Ridepooling und Sharingangebote könnten den ÖPNV attraktiver machen.

Verbessern meint letztlich die weniger umweltschädliche bzw. klimaneutrale Fortbewegung mit alternativen Antrieben oder Sharingangeboten.

Allianzen für ein gemeinsames Mobilitätsmanagement

„Szenarien zeigen: Es sind nicht Einzelmaßnahmen, sondern es muss ein ganzes Bündel von Maßnahmen sein“, beschrieb Klein-Hitpaß den Weg hin zur erfolgreichen Verkehrswende. Auf diesem müssten alle Akteurinnen und Akteure gemeinsam gehen. Nach Einschätzung der Wissenschaftlerin läge dabei der Fokus auf dem Ausbau von Radinfrastruktur: mehr Radschnellwege, Fahrradstraßen und Radfahrwege auch außerorts. Hier würde sich eine Zusammenarbeit von benachbarten Kommunen anbieten, um Synergien zu bündeln.

Mit Jobrad-Leasing, sicheren Abstellmöglichkeiten für Pedelecs und Jobticket könnten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Mobilität ihrer Mitarbeitenden beeinflussen. Auch Allianzen zur Förderung von CO2-armem Pendeln von Unternehmen und Kommunen seien möglich: Ein gemeinsames Mobilitätsmanagement wäre beispielsweise eine geeignete Maßnahme, um auf die Verkehrsmittelwahl einzuwirken. Kapazitäten, die durch den vermehrten Umstieg auf z. B. Pedelecs frei würden, könnten so auch den ÖPNV entlasten.

Abschließend erinnerte Klein-Hitpaß an die psychologische Dimension dieser Aufgabe: Menschen hätten relativ starre Strukturen, befand sie. Neben guten Angeboten müssten daher vor allem Anreize für ein alternatives, klimafreundliches Verhalten geschaffen werden. „Wir müssen die Menschen etwas mehr aus dem Auto schubsen“, so die Wissenschaftlerin. Hier müsse auch der Bund seinen Teil beitragen, damit Kommunen entsprechende Maßnahmen vor Ort einfacher, schneller und mit den notwendigen finanziellen und personellen Mitteln umsetzen könnten.