Phosphorrecycling ist Aufgabe der Daseinsvorsorge Chalabala@AdobeStock
Abfall 2. Januar 2023

Phosphorrecycling ist Aufgabe der Daseinsvorsorge

Phosphorrecycling wird für Kommunen und Betreiber von Kläranlagen immer mehr zum Thema. Was sind die größten Herausforderungen hier? Klimaschutz Kommune sprach mit dem Experten für Phosphorrecycling und Mitbegründer des patentierten TetraPhos®-Verfahrens Andreas Rak.

Herr Rak, warum ist es so wichtig, zu recyceln?

Die deutsche Industrie und Landwirtschaft sind vom Phosphat-Import abhängig. Große Anteile der Importe kommen aus Russland. Die Europäische Kommission hat Phosphor bereits 2017 auf die Liste der kritischen Rohstoffe gesetzt. Wir betreiben in deutschen Kläranlagen seit langem sehr erfolgreich die P-Elimination aus Abwasser im Sinne der Gewässerreinhaltung und der Phosphor sammelt sich dadurch im zurückbleibenden an. Erstaunlicherweise ist das so viel Phosphor, dass theoretisch 50-60 % der Importe (je nach Statistik) substituiert werden könnten. Da macht es doch schon heute Sinn und ist wichtig, Phosphor aus Klärschlamm als Recyclingrohstoff aus in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen.

Kommunen müssen Phosphorrecycling mitdenken

Die novellierte Klärschlammverordnung (AbfKlärV) verpflichtet Betreiber von Kläranlagen dazu, ab 2029 (spätestens ab 2032) Phosphor aus Klärschlamm zurückzugewinnen. Welche Schritte müssen Kommunen jetzt gehen, um den gesetzlichen Vorgaben nachzukommen?

Phosphorrecycling ist für mich klar eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Wir schonen damit nicht nur Ressourcen, wir schließen Stoffkreisläufe und werden unabhängiger von Ressourcen, auf die wir keinen direkten Zugriff haben. Die Kommunen haben den Stoffstrom Klärschlamm und die Industrie hält Verfahren und Technologien bereit, um die Ressource Phosphor zu heben. Ein sinnvoller Schritt wäre jetzt, in Öffentlich-Privaten Partnerschaften Phosphorrecyclinganlagen auf den Weg zu bringen.

Was ist die derzeit größte Schwierigkeit bei der Umsetzung dieser Vorgaben?

Auch wenn Phosphorrecycling derzeit schon technisch und wirtschaftlich machbar ist, wird es doch erst per „Stichtag“ 2029/2032 zur Pflicht. Wir sehen aktuell viele Ausschreibungen und Projekte, um Vorbehandlungskapazität, also Monoverbrennungsanlagen zu schaffen. Die ab 2029/2032 eigentliche Aufgabe, nämlich Phosphorrecycling, wird in diesen Ausschreibungen nicht berücksichtigt oder inkludiert.

Klärschlammasche als Basis für „sauberen“ Phosphor

Monoverbrennung gilt derzeit als der Königsweg in punkto P-. Hier gibt es verschiedene, aussichtsreiche Verfahrensweisen, wie beispielsweise PARFORCE, EcoPhos Ash2Phos und TetraPhos. Letzteres kommt bereits großtechnisch in Hamburg zur Anwendung. Welche generellen Vorteile bringt die P-Rückgewinnung aus Klärschlammasche?

In den genannten Verfahren wird zunächst in der thermischen Vorbehandlung die Energie im Klärschlamm genutzt, um Dampf und elektrischen Strom zu erzeugen. Dabei werden aber auch Mikroplastik, Arzneimittelrückstände und organische Schadstoffe in der Flamme eliminiert. Das anschließende Phosphorrecycling aus der mineralischen Asche liefert dann „sauberen“ Phosphor in Form von hochwertigen und vielseitig einsetzbaren Recyclingrohstoffen wie Phosphorsäure oder Dicalciumphosphat. Die Schwermetalle und die Nebenprodukte wurden sachgerecht vom Phosphat-Produkt getrennt, eine gezielte -Wertstoff-Trennung ist dafür entscheidend.

Wie unterscheiden sich die genannten Verfahren?

Im Wesentlichen durch die zu Beginn der Verfahren eingesetzte Säure zum Aufschluss der Klärschlammasche. Daraus ergeben sich dann unterschiedliche Anforderungen und Möglichkeiten in der Herstellung der Phosphat- und Nebenprodukte.

Phosphorrecycling ist eine Gemeinschaftsaufgabe

Warum ist die wirtschaftlich effiziente und großtechnische Umsetzung solcher Verfahren so schwierig?

Ich empfinde die Umsetzung gar nicht als schwierig, wenn die Weichen richtig gestellt sind. Wenn wir alle gemeinsam Phosphorrecycling als Daseinsvorsorge verstehen, bieten sich durch den in Menge und Beschaffenheit langfristig sicheren Stoffstrom Klärschlamm aus den Städten und Kommunen und dem Know-how der Verfahrensanbieter beste Möglichkeiten für wirtschaftlich stabile und effiziente großtechnische Anlagen in Öffentlich-Privaten Partnerschaften.

Bei Verfahren, die am Beginn der Abwasserverarbeitung ansetzen, also beim Schlammwasser bzw. Klärschlamm, werden Phosphate in gebundener Form gewonnen. Diese Art der Phosphor-Rückgewinnung gilt als technisch einfacher als die Rückgewinnung aus Klärschlammasche. Wo können die so produzierten Recyclingrohstoffe eingesetzt werden? Oder braucht es hier noch eine Weiterbehandlung, um zum Zielstoff zu kommen?

Sie sprechen die gezielte Fällung von , also Magnesiumammoniumphosphat (MAP) an. Verfahren, Reaktoren mit diesem Ziel, gibt es seit längerem und mit großem Erfolg auf Kläranlagen, um unkontrollierte Ablagerungen in den Rohrleitungen und damit verbundene betriebliche Schwierigkeiten und Stillstände zu vermeiden. Das zurückbleibende MAP findet teilweise einen Weg ins landwirtschaftliche Düngemittel. Ein guter Weg wäre aber auch, das MAP zusammen mit dem Klärschlamm über die Verbrennung und Ascheverfahren zu einem vollwertigen Phosphat-Recyclingrohstoff weiterzuverarbeiten.

Integrierte Anlage bringt besten Kosten/Nutzen

Wie wirtschaftlich sind die genannten Verfahren für Kläranlagenbetreiber?

Nach meinem Kenntnisstand – aus den aktuellen Berichten – wurden die Verfahren vielerorts durch Forschungsvorhaben zur P-Rückgewinnung weiterentwickelt und optimiert. Die Verfahren erreichen oftmals auch die gesetzlich geforderte Reduzierung des Phosphorgehaltes oder unterschreiten die Marke von < 20 Gramm je Kilogramm Trockenmasse. Das führt dazu, dass die Phosphorrückgewinnung als erreicht gilt. Betrachten wir jedoch den durchschnittlichen P-Gehalt von 30 Gramm je Kilogramm Trockenmasse in unseren Klärschlämmen, wird schnell deutlich, dass wir mit diesen Verfahren einen Großteil des verfügbaren Phosphates eben nicht zurück in den Wirtschaftskreislauf bringen.

Ihr Tipp für Kommunen: Welche Art des P-Recyclings ist hinsichtlich Kosten/Ertrag am günstigsten für Kommunen?

In der Projektumsetzung und Technologie bin ich bei dieser Frage natürlich immer bei einer integrierten Anlage, also und chemischer Aufschluss der Asche in einer Anlage.

Ich bin aber auch davon überzeugt, dass es für Kommunen grundsätzlich am günstigsten wird, jetzt mit der realen Umsetzung von Phosphorrecycling zu beginnen und sich nicht darauf zu verlassen, dass es 2029/2032 schon jemanden geben wird, der die Asche abnimmt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Hamburg, Freie und Hansestadt

Zur Kommunenseite
Bundesland Hamburg
Einwohner 1.841.179 m: 902.048, w: 939.131
Größe 755.09 km²
2438 Einwohner je km²
Merkmale Großstädte und Hochschulstandorte mit heterogener sozioökonomischer Dynamik
Foto: REMONDIS TetraPhos GmbH

Andreas Rak

  • gelernter Diplom Ingenieur der Ver- und Entsorgungstechnik & M. Sc. in der Umwelttechnik
  • Niederlassungsleiter in der Knochen- und Fettverwertung / Tierkörperbeseitigung bei SARIA
  • Ingenieur in der Umwelttechnik / Klärschlammentwässerung bei GEA
  • heute Geschäftsführer bei REMONDIS TetraPhos GmbH, Mitentwickler des REMONDIS TetraPhos-Verfahrens für Phosphorrecycling aus Klärschlamm
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